Rohe Power in hübschen Naked Bikes ist genau dein Ding? Dann hereinspaziert und Platz genommen zum Länderspiel-Klassiker auf zwei Rädern - mit Ducati Monster 1200 S und Triumph Speed Triple R im Test.
Rohe Power in hübschen Naked Bikes ist genau dein Ding? Dann hereinspaziert und Platz genommen zum Länderspiel-Klassiker auf zwei Rädern - mit Ducati Monster 1200 S und Triumph Speed Triple R im Test.
Zack, die Überraschung war perfekt. Aufmerksame Leser erinnern sich bestimmt, als beim 2015er-Alpen-Masters der britische Underdog den siegesgewissen Italiener in der Gruppe der Naked Bikes düpierte. Speed Triple S schlägt Monster 1200 R, Basismodell schickt Top-of-the-Range-Variante nach Hause! Heller Aufruhr in den Wettbüros und Internetforen. Erzürnte Tifosi wittern Schiebung! Betrug? War am Ende der Schiedsrichter bestochen?
Nein, die Speed Triple S war in Abwehr und Sturm bolzstark aufgestellt, begeisterte mit schlafwandlerisch sicherem Passspiel und sehniger Ausdauer über das gesamte Turnier, leistete sich nicht den kleinsten Schnitzer. Und konnte so einen nach dem anderen Angriff der brillant bestückten Monster 1200 R abwehren. Direkt zu Beginn der neuen Saison nun die Revanche, und die Karten sind neu gemischt. Die Speed Triple rückt als R in Idealaufstellung an, aus Italien kommt die neue Monster 1200 S, eine halbe Klasse unterhalb des sündig teuren R-Modells zu Hause. Ein absehbares Ergebnis also? Langsam. Erstens schreibt der Alpenpokal seine eigenen Gesetze, und dies hier ist ein reguläres Länderspiel. Und zweitens hat der Trainerstab die Monster 1200 S neu aufgestellt und im Wintercamp Handling auf den Übungsplan gesetzt. Im Testspiel gegen das 1200 S-Vorjahresmodell in der letzten Ausgabe zeigte die 2017er-Monster jedenfalls enorme Fortschritte. Kürzerer Radstand, steilerer Lenkkopf, Pirelli Diablo III-Socken, Quickshifter mit Blipper für eiskalten Abschluss vorm Tor und obendrein neueste Elektronik zur Auswertung der Spielsituation, damit ließ der aktuelle Jahrgang die Vorjahreself schlicht alt aussehen. Extra für das Auswärtsspiel in Südfrankreich hat sich die neue Monster ihr Glückstrikot in „liquid concrete grey“ übergestreift. Anpfiff zum Naked-Thriller der Spitzenklasse!
Bereits die Besetzung zeigt, wohin sich das Duell entwickelt. In sportlich hohen 840 Millimetern agiert der Triumph-Treiber auf schmaler, straffer Bank und knackig vorderradorientiert dank eher niedrigem Lenker sowie recht langem Tank. Sportlich ebenfalls der Kniewinkel aufgrund recht hoher Rasten. R wie Racing, wenngleich die Ergonomie praktisch identisch ist mit der des S-Basismodells. Der Monster-Pilot hingegen ist etwas mehr ins Geschehen integriert, freut sich über die schlanke Taille, kompaktere Abmessungen und einen sehr innigen Knieschluss am nun um einen Liter kleineren Tank. Etwas tiefer die Sitzbank, etwas höher und breiter der Lenker, ein wenig offener der Kniewinkel, so gibt sich die Monster 1200 S unterm Strich eine Ecke kommoder, fordert weniger, ohne den Sport zu vernachlässigen. Neue Ausleger der Soziusfußrasten sind ein Riesengewinn, im Gegensatz zu früher stehen diese nämlich nicht mehr im Weg. Tendenziell dürften sich kleinere Fahrer auf der Monster wohler fühlen, größere finden auf der Triumph nach hinten mehr offenen Raum. Unterm Strich zwei rundum gelungene Naked-Ergonomien: England angriffslustig, Italien kompakt. Eine Frage des Geschmacks.
Gleiches gilt für Chassis und Handling beider Passathleten. Spurstabil bis zum Gehtnichtmehr, satt und ballsicher stürmt die Speedy bekanntermaßen. Hochwertig dämpft schon die Showa-gesponserte Basis-Variante, die mit Öhlins ausgestattete R spricht höchstens noch ein „Mü“ feiner an. Auch wenn die Speedy mit 220 Kilo fahrfertig nicht wirklich pummelig und die Monster bloß vier Kilo leichter ist, ist ihre Masse oder genauer gesagt ihr höherer Schwerpunkt stets präsent. Das jedoch weniger als Bräsigkeit, sondern eher in Form von Manuel-Neuer-mäßiger Verlässlichkeit. Ganz tief runter hechten geht immer, diesem Chassis kann man praktisch blind vertrauen. Im direkten Vergleich allerdings dribbelt die Monster mit der Leichtfüßigkeit eines Lionel Messi die Engländerin schwindelig, lässt sie dann doch ein wenig aussehen wie Diego Maradona nach seiner Blütezeit. Das Handlingscamp hat aus der neuen Monster ein wirklich wieselflinkes Maschinchen werden lassen. Das geht auch nicht zulasten der Stabilität, die zwar nicht ganz an jene der Speedy heran-, für sich aber vollkommen ausreicht. Die Monster bietet einfach den höheren Spaßfaktor.
Ihre Federelemente, ebenfalls aus dem Hause Öhlins, sind grundsätzlich nicht ganz so straff abgestimmt und bieten etwas mehr Komfort, verfügen bei Bedarf auch über einen weiten Einstellbereich. Beide Motorräder lenken höchst zielsicher ein, die Ducati allerdings tut dies mit sehr geringer Anstrengung, während die Triumph eher fest dirigiert werden will. Für die Erstbesohlung vertrauen beide, England und Italien, auf Pirellis. Der neue Rosso III der Monster ist viel breitbandiger, erlaubt sich auch in der Wintersaison keine groben Fehlpässe, während der Supercorsa SP der Triumph dann im warmen Süden seine beste Performance zeigt.
Motorseitig treten zwei unterschiedliche Konzepte gegeneinander an, aber es überrascht, wie nahe der 1200er-L-Twin und ein Reihendreier mit rund 150 Kubik Hubraumdefizit am Ende beieinanderliegen. Beide bieten bulligen Antritt aus der Tiefe des Hubraums und eine austrainierte Mitte, erst im oberen Drehzahlbereich kann sich die feurigere Ducati dann nennenswert freispielen. Träten die Vorjahresmodelle mit Euro 3 gegeneinander an, sähe die Sache noch etwas deutlicher aus, aber der Desmo-Twin hat mit Anpassung auf die neue Abgasnorm mehr Federn lassen müssen als der Hinkley-Dreier. Der trumpft schon beinahe traditionell mit feiner Laufkultur und hervorragender Gasannahme auf. Die Fahrbarkeit des 1050ers, wie er kraftvoll, aber ohne jegliche Hinterlist aus Kehren herausschnalzt, das ist weltmeisterlich. Neu ist bei diesem Duell, dass auch eine Ducati das ähnlich gut beherrscht. Die Anpassung auf Euro 4 mag den Testastretta einiges seines jugendlichen Zorns gekostet haben, sie hat ihm aber auch endlich erwachsenes Benimm beigebracht. Vorbei die Zeiten rüpelhaft forscher Gasannahme, jetzt ist der Desmo-Twin ein Teamplayer und liefert punktgenau die Leistung, die der Coach verlangt. Das mag weniger spektakulär wirken, aber es gewinnt Punkte. Zudem läuft der neue Motor auch mechanisch feiner, für einen Vau-Zwo fast schon unerhört fein.
Weiterentwicklung auch beim Getriebe, wo die Duc-Schaltstufen nun viel sanfter, aber immer noch präzise rasten. Als S-Version verfügt die neue Monster zudem serienmäßig über einen Schaltautomaten mit Blipper, und der taugt so gut, dass man beinahe Doping unterstellen muss. Durch Schalten ohne Zugkraftunterbrechung bringt er erstens Zehntel, durch Verzicht aufs Kuppeln zweitens Konzentration für das Wesentliche und durch das exakt durchexerzierte Reinzimmern der Gänge drittens enormen Lustgewinn. Dagegen geht das solide Getriebe der Speedy mit etwas längeren Schaltwegen zwar in Ordnung, mehr aber auch nicht.
Ausgewechselt wurden im Rahmen der Ducati-Modellpflege zudem die Bits und Bytes der Regelelektronik. Die Monster läuft jetzt mit einer IMU-Sensorik auf, welche neben Kurven-ABS auch eine schräglagenabhängige Arbeitsweise der Traktionskontrolle ermöglicht. Lag die alte Monster ohne dieses System noch in etwa gleichauf mit der aktuellen Speedy, netzt die neue hier dann gnadenlos ein. Wie seinerzeit ein guter Libero schafft es die TC immer dann, da zu sein, wenn man sie braucht, und immer dann, nicht da zu sein, wenn man sie nicht braucht. Bei der Triumph hingegen, die ohne IMU-Trickserei auskommen muss, erfolgen die Regeleingriffe weniger sanft und weniger akkurat. In der Stufe „Road“ dürfte die TC manchem Sportsfreund etwas früh eingrätschen, im Track-Modus hingegen kriegt die Speedy aus engen Kehren die Gelbe Karte für gefährliches Spiel. Dazwischen ist nicht viel. Überhaupt bietet die Ducati mit ihren frei konfigurierbaren Fahrmodi nicht nur die bessere Funktionalität und größere Optionsvielfalt, sondern auch die wesentlich einfachere Bedienbarkeit. Zwar passen die Modi („Rain“, „Road“, „Sport“ und „Track“) der Speedy grundsätzlich, und es gibt einen frei einstellbaren „Rider“-Mode, ihre Menüführung allerdings wirkt anfangs so aufgeräumt wie die brasilianische Abwehr an einem ziemlich miesen Tag.
Stichwort Abwehr: Beide Boliden sind mit Champions-League-Stoppern ausgerüstet. Brembo M50-Monoblock-Radialsättel beißen, unter Druck gesetzt durch Brembo-Radialpumpen, in 320er (Triumph)- bzw. 330er (Ducati)-Scheiben. Ob es die 330er abseits der Renne braucht, sei einmal dahingestellt, sie machen jedenfalls Eindruck am Stammtisch. Die Bremsperformance und Modulierbarkeit sind hier wie da erstklassig, wenngleich in beiden Fällen die ABS-Abstimmung in den zahmen Fahrmodi das enorme Potenzial der Stopper etwas verwässert. Das im Vergleich zur Vorjahres-Monster defensivere Regelverhalten unterbindet zwar Stoppies, geht aber ein wenig zulasten der maximalen Verzögerung. Auch die Triumph ankert in den Straßenmodi überraschend verhalten, um dann im Track-Modus mit ehrgeizigem Biss die Hacke zu lupfen. Kurven-ABS hat sie noch keines, eine Wheelie-Kontrolle wie bei der Duc dürften hingegen die wenigsten vermissen.