Ducatis Kultbike im Test
Test: Ducati Monster 1100 Evo

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Sonnenschein und leere Straßen. Ein Traum-Ambiente, um sich einer schönen, nackten Italienerin hinzugeben. Ein Vergnügen ohne Reue? PS hat die Ducati Monster 1100 Evo getestet.

Test: Ducati Monster 1100 Evo
Foto: Jahn
Markus Jahn
Ducati Monster 1100 Evo: brutaler Sound und sportliches ABS - ohne Überschlagsneigung.

Dieses Hämmern ist abartig geil! Wieder und immer wieder muss man bei der Monster 1100 ab 3500/min das Gas aufziehen und das harte Hämmern des fetten Vau-Zwei in vollen Zügen genießen. Egal, ob zweiter, dritter, vierter oder fünfter Gang, die Ducati stampft in den unteren Gängen vehement, ab dem Vierten immer noch sehr kräftig vorwärts und umhüllt den Piloten mit diesem satten, durchtrainierten Schlagen eines Twins, der abgeht wie ein Hufschmied auf Ecstasy.

Der Klappe im Abgastrakt sei dank, dass die Monster aber auch die akustische Schleichfahrt beherrscht und nicht in jedem Fahrzustand so ungeniert ihre Lebensfreude artikuliert, wie beim fröhlichen Halali auf der Landstraße. Überraschend ist das nutzbare Leistungsband des luftgekühlten Zweiventilers, denn sein Schubfenster ist recht eng, weswegen man sich nicht nur aus akustischen Gründen beim heftigen Drehen des Motors ertappt.

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Markus Jahn
Ab 3000 Touren wird es munter in der Bude - darunter hackt die Monster arg auf ihrer Kette herum. Schade nur, dass es mit dem kernigen Schub bereits bei 7000/min wieder vorbei ist.

Präzise formuliert: Der Elfhunderter zieht nur zwischen 3500 und knapp 7000/min so richtig fett. Das reicht natürlich dicke zum Cruisen. Soll es aber sportlich durch die Lande gehen, muss das miserable Getriebe zum Ärger des Piloten viel zu oft betätigt werden. Schon frustrierend, dass es Ducati offenbar nicht schafft, weich und präzise zu schaltende Getriebe zu bauen. Wer im Stadtverkehr versucht, beim Heranrollen an eine Ampel den Leerlauf einzulegen, wird verzweifeln - und muss sein Glück im Stand versuchen. Da stimmt die schwergängige Kupplung erst recht nicht milde.

Und das, obwohl Ducati gerade die Leichtgängigkeit dieser Kupplung betont. Überhaupt ist der alltägliche City-Bummel nicht die Stärke der Ducati. Da unter 3000/min gar nichts geht, darf maximal der dritte Gang eingelegt sein. Versucht man es in der Sound-technisch zurückhaltenden vierten oder fünften Stufe unter 60 km/h, wird es ungemütlich, hackt der Twin auf der Kette herum wie hungrige Tauben auf Brotresten. Lassen wir also die Zügel locker und die Monster einfach laufen, reiten auf der famosen Klangwelle zügig durch Wald und Feld, brennen einen sauberen Strich aufs Parkett.

Markus Jahn
Das ABS regelt sportlich spät ohne Überschlagsgefahr, das Bremsgefühl ist sehr stumpf.

Selbst bei extrem forcierter Fahrweise hält sich das serienmäßige "Safety-Pack", bestehend aus ABS (abschaltbar!) und Traktionskontrolle vornehm zurück. "Als Sicherheitssystem und nicht als Spaßbremse wurde es konzipiert und abgestimmt", so Ducati-Presse-Mann Kai Swaton. In der Tat, das ABS regelt auch dank der griffigen Pirelli Diablo Corsa II auf trockenem und ebenem Asphalt kaum.

Erst wenn es in der Bremszone wellig und auch sehr sportlich gebremst wird, greift das ABS regelnd ein, da die überforderte Gabel schlichtweg auf Block geht und somit der Reifen früher als nötig die Haftung verliert. Doch auch das gut abgestimmte ABS, das sportlich spät, aber ohne Überschlagsneigung agiert, kann nicht über die stumpfe, gefühllose Bremse hinwegtrösten. Egal, ob heißgebremst oder eiskalt, die Frontstopper fühlen sich immer zahnlos an. Am Kurvenausgang greift bei Haftungsabriss die in vier Stufen einstellbare TC ein. Da sie ihre "Regelschwelle" bei 20 km/h Geschwindigkeit hat, sind im Stand Burnouts ebenso wie Highsider und Umfaller auf nassem Gras oder Schotter möglich.


Drehen beide Räder über 20 km/h, ist die TC aktiv, ihre Regelung auf Stufe eins spät oder auf Stufe vier sehr früh. PS testete die TC auf einer kleinen Landstraße mit Rollsplitt. Wir sind mit 50 km/h über den Rollsplitt gefahren und haben erst im zweiten, später im dritten Gang jeweils voll aufgezogen. Ergebnis: Die Traktionskontrolle regelt - aber wie! Die Monster beginnt zu bocken und zu zappeln wie ein Bronco, dem Stromschläge verpasst werden. Durch das extrem schnelle Durchdrehen des Hinterrads regelt die Software sofort über den groben "Fuel-Cut", das Abstellen der Spritversorgung, und überspringt dabei das wesentlich sanftere Regelmittel der Zündzeitpunkt-Verstellung.

Markus Jahn
Am mächtigen Endschalldämpfer rosten bereits die Schrauben.

Zur Ehrenrettung des Systems muss gesagt werden, dass die Situation auf dem Rollsplitt provoziert war und uns das Hinterrad niemals überholt hat. Während der gesamten Testfahrten unter echten Landstraßenbedingungen regelte die TC auf Stufe zwei so gut wie nie. Außer, und da sind wir beim wunden Punkt der Duc angelangt, wenn das Federbein wegen der mäßigen Fahrwerksabstimmung mal wieder den Hinterreifen auf Bodenwellen überfordete.

Die Achilles-Ferse der Monster ist ihr zu weiches Grund-Setup und die diesbezüglich fehlenden Eingriffmöglichkeiten. Sowohl Gabel als auch Federbein sind bereits mit einem 80-Kilo-Piloten am Limit. Die Gabel sinkt trotz maximaler Vorspannung schon im Stand 35 Millimeter ein. Auf der Bremse stemmt sie sich nur noch mühsam der dynamischen Radlastverteilung entgegen. Was zum stehenden Vorderad und damit zum Regeln des ABS führt. Die Gabel verfügt zwar über eine einstellbare Druck- und Zugstufendämpfung, doch was nützt das, wenn der Verstellbereich am Druckstufenventil gleich Null ist.

Wenigstens reagierte am Testmotorrad die Zugstufendämpfung der Forke auf Veränderung. Das nur in der Zugstufe korrigierbare Federbein ist ebenfalls bereits im Solo-Betrieb am Limit. Dafür winkelt die Rote willig ab, nimmt Schräglagen nach Gusto des Piloten ein. Trotz der Softie-Abstimmung ist auf ebener Fahrbahn ein sauberer Strich möglich. Da glätten sich die Zornfalten auf der Strin des Fahrers wieder. Denn auch die Ergonomie der großen Monster lädt zu längeren Touren ein. Angenehmer Kniewinkel und aufrechter Oberkörper passen, die Kröpfung des Lenkers ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig. Aber hey, besser als Einheitsbrei! Auch Schräglagenfreiheit bietet die Italienerin satt. So lässt es sich unbeschwert durch die Landschaft fräsen - mit rundem, klassischem Fahrstil und dem Twin immer über 3500 Touren drehend. Dass bei zügiger Gangart nach 208 Kilometern Schluss ist, liegt nicht an unmäßigen Trinksitten des Motors, sondern am kleinen Tank. 6,5 Liter auf 100 Kilometer gehen in Ordnung. Zudem informiert das gut bestückte Cockpit sogar mit einem gesonderten Kilometerzähler, sobald die Reserve erreicht ist.

Die Monster 1100 Evo ist optisch eine Lichtgestalt, hat aber harte Schatten. So beißt sich das tolle Design mit rostigen Schrauben am Auspuffendtopf, ihr sportliches ABS mit der zu weichen Gabel und der tolle Schub des Twins mit dem unsäglichen Getriebe. Eines darf man dennoch nicht vergessen: Besser, und besser ausgestattet, war keine Monster zuvor.

Set-Up

Gabel
stat.neg. Federweg: 35 mm
Druckstufe: 925 U offen
Zugstufe: 1,5 U offen
Niveau: nicht einstellbar

Federbein
stat.neg. Federweg: 30 mm
Druckstufe High: -
Druckstufe Low: -
Zugstufe: 1,5 U offen
Niveau: Heck oben

Reifen/Reifendruck
Pirelli Diablo Ros II: v./h.: 2,3/2,5 bar (kalt)

Messungen auf Dynojet-Rollenprüfstand 250.

Antrieb
Zweizylinder-90-Grad-V-Motor, 2 Ventile/Zylinder, 70 kW (95 PS) bei 7500/min*, 105 Nm bei 6000/min*, 1079 cm³, Bohrung/Hub: 98,0/71,5 mm, Verdichtungs-verhältnis: 11,3:1, Zünd-/Einspritzanlage, 45-mm-Drosselklappen, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Anti-Hopping-Ölbad-Kupplung, Sechsganggetriebe, G-Kat, Kette, Traktionskontrolle

Fahrwerk 
Stahl-Gitterrohrrahmen mit verschraubten Alu-Gussteilen, Lenkkopfwinkel: 66,0 Grad, Nachlauf: 94 mm, Radstand: 1450 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Zentralfederbein ohne Umlenkung, einstellbar in Federbasis, Zugstufe. Federweg vorn/hinten: 130/148 mm

Räder und Bremsen
Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17“/5.50 x 17“, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 180/55 ZR 17, Erstbereifung: Pirelli Diablo Rosso II, 320-mm-Doppelscheibenbremse mit radial angeschlagenen Vierkolben-Festsätteln vorn, 245-mm-Einzelscheibe mit Zwei­kolben-Festsattel hinten

Maße und Gewicht 
Länge/Breite/Höhe: 2090/950/1130 mm *, Sitz-/Lenkerhöhe: 800/980 mm, Lenkerbreite: 735 mm, 189 kg vollgetankt, v./h.: 50,4/49,6 %

Hinterradleistung im letzten Gang
67 kW (91 PS) bei 208 km/h

Verbrauch 
Kraftstoffart: Super bleifrei. Durchschnitts­testverbrauch: 6,5 Liter/100 km, Tankinhalt 13,5 Liter/davon Reserve: 3,5 Liter, Reichweite: 208 km Grundpreis  11.390 Euro (zzgl. Nebenkosten)

Markus Jahn
Ducati Monster 1100 Evo.

Positiv
Brutaler Sound, sportliches ABS ohne Überschlagsneigung, serienmäßige Traktionskontrolle, gute Verbrauchswerte, voll ausgestattetes, gut zu bedienendes Cockpit, gute Ergonomie zum Landstraßenfräsen, tolles Design.

Negativ
Schwer zu bedienende Kupplung, sehr hakeliges und unpräsizes Getriebe, insgesamt zu weiche Fahrwerksabstimmung, nicht gerade hochpreisig anmutende Verarbeitungsqualität, stumpfe und gefühllose Vorderradbremse.

 

Markus Jahn
Rahmen und Krümmer geben recht viel Hitze an die Schenkel ab. Optional erhältlich: das "Ducati-Safe- Grilling-Pack".

Ja, es gibt an der Monster 1100 Evo einiges zu meckern. Ärgerlich ist, dass viele dieser Kritikpunkte unnötig sind. Nur das Beispiel Fahrwerk: Warum kann man nicht ab Werk Federn mit zum Fahrzeugkonzept passenden Federraten verbauen? Das kostet keinen Cent mehr! Die Monster ist kein Cruiser, sondern ein sportliches Naked Bike. Fahrspaß kommt dennoch reichlich auf – ihrem Twin sei Dank.

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PS 6 / 2023

Erscheinungsdatum 10.05.2023