Mit der XB9S baut Buell wieder eine puristische Fahrmaschine für Landstraßen-Junkies, im Zentrum des Geschehens der schüttelnde Harley-Abkömmling.
Mit der XB9S baut Buell wieder eine puristische Fahrmaschine für Landstraßen-Junkies, im Zentrum des Geschehens der schüttelnde Harley-Abkömmling.
»C´est une BMW?« Der Gendarm, den der MOTORRAD-Tester im südfranzösischen Grasse nach dem Weg fragt, ist irritiert. Dieses Krachen beim Gangwechsel, dieses Klacken des Anlassers, dazu der radebrechende, schnell als Teutone identifizierte Fahrer. Aber warum hat diese BMW die Boxer-typischen Segelohren angelegt? Ein geheimer Prototyp? Rock-Fan Eric Buell würde bei diesem Missverständnis die Haare zu Berge stehen. Seinen uramerikanischen Streetfighter für eine streng deutsche BMW zu halten, das ist, als wenn man Bruce Springsteen mit Patrick Lindner verwechselt.
Das Leitmotiv des Firmengründers lautet: »Designed for real world riding.« Statt für synthetische Asphaltbänder der Rennstrecken also für den Swing auf verwundenen Landstraßen, fürs richtige Leben eben. Umso besser, wenn das in Chateauneuf und nicht in Neuhausen stattfinden darf. »Fahrt, bis man euch das Grinsen aus dem Gesicht meisseln muss«, lautet denn auch die Parole bei der Präsentation.
Dank des zitierten Gesetzeshüters sind rasch hervorragende Bergsträßchen gefunden - mehr Kurven als in der gesamten norddeutschen Tiefebene. Das ist Buell-Country, mit sonorem Bass temperiert der schnaufende Stoßstangen-Motor seinen in der Schwinge gelagerten Ölvorrat. Das wohlige Brummen strahlt ab 2000/min eine gelassene Souveränität aus, rollen lassen ist die Devise. Bei 4000/min erreicht der Schub eine strengere Vehemenz.
An einem Parkplatz mit grandiosem Ausblick aufs Mittelmeer ein kurzer Stopp, um die Lightning auf sich wirken zu lassen. Warum verhunzen die eine so elegante Maschine mit einer mattschwarzen, unförmigen Stahlröhre? Der Schalldämpfer sieht aus, als wäre er von einem alten Dodge-Pickup abgefallen und hätte sich dann im Bugkiel der Buell verfangen. Abgesehen von diesem lokalen Desaster wird das künstlerische Gesamtwerk die Buell-Fangemeinde begeistern. Unglaublich klein, wie sie dasteht. Der mächtige Zweizylinder büßt nicht an Dominanz ein, verschwindet jedoch weitgehend unter dem ausladenden Alurahmen, der als Tank dient. Eine pfiffige Idee. Nur hinfallen sollte man nicht, schon ein harmloser Ausrutscher könnte das aufregend geformte Alugebilde zur Wohnzimmerskulptur umfunktionieren.
In der Kürze liegt die Würze, rund 40 Teile machen den Unterschied zwischen R und S, etwa zwei grimmig dreinblickende Scheinwerfer sowie das knappe Stummelheck. Dank Fußrastenauslegern übrigens abschraubbar könnte theoretisch ein Sozius transportiert werden. Aber wie soll der auf diesen paar Zentimetern hinter dem Fahrer sitzen, geschweige denn Halt finden? Der Solo-Look ist natürlich gewollter Ausdruck des Minimalismus. Zumindest der Fahrer wird adäquat untergebracht, wenn auch die Körperhaltung mit den relativ weit hinten angebrachten Rasten ein gewisses Maß an Kompromissfähigkeit erfordert. Doch die Fotos liefern den Beweis, dass sich sogar ein halbwegs gelenkiger 1,90-Meter-Mann auf die XB9S falten kann.
Der Motor tickert zufrieden vor sich hin, wartet erregt auf härtere Aufgaben. Ab jetzt darf etwas heftiger am Kabel gezogen werden. Begeisternd ist die geschmeidige Art der Kraftentfaltung. Dank der genialen elastischen Aufhängung der Motor-Schwingen-Einheit dringen fast keine Vibrationen in den Lenker, trotzdem bleibt jede Explosion ein spürbares Erlebnis. Sicher trägt auch der ruckdämpfende, spielfreie Zahnriemen zur geschmeidigen Fortbewegung bei, butterweich geht die Buell im Kurvenscheitel ans Gas.
Die 85 PS sind zwar nicht die Welt. Trotzdem strahlt der drehmomentorientierte Twin mit den riesigen Schwungmassen, der aber dank kurzhubiger Auslegung Drehzahlen bis zum Begrenzer bei 7500/min nicht scheut, einen besonderen Reiz aus, solange man sich nicht auf Schnellstraßen und Autobahnen verirrt. Im winkligen Terrain kann man die Buell ohne Hetze zügig laufen lassen, während drehzahlorientierte Triebwerke stets das aggressive Ausquetschen fordern. Was bekanntermaßen strengstens illegal, Führerschein-gefährdend und potenziell ungesund ist. Bei der Buell kommt der Spaß eben schon bei 50 km/h weniger auf. Auf holprigem Untergrund entwickelt das ungewöhnliche Chassis allerdings ein prickelndes Eigenleben. Die knackige Federung hat isbesondere hinten ihre liebe Mühe. Auf der Bremse geht es zudem wegen des starken Aufstellmoments praktisch nur geradeaus. Buell fahren braucht immer noch reichlich Zeit zur Adaption, vor allem aber die richtige Einstellung.
Unstrittig ist der Show-Wert der XB9S. Ob vor dem Straßencafé, wo sich besorgte Gäste wegen des nach dem Abstellen noch minutenlang heulenden Lüfters Sorgen machen, ob auf der Landstraße, wo der mit Tempo 180 vorbeischießende Ducati-999-Fahrer eine Vollbremsung hinlegt, um sich das gelbe Unikum näher anzusehen das US-Bike erregt Aufsehen. Und auch der Mann an der Tankstelle erkundigt sich gleich: »Une BMW?«