Fahrbericht Buell XB12R/XB12S
Auf die zwölf

Buell schlägt zu. Beim Hubraum. Firebolt und Lightning gibt es ab sofort auch mit gut 1200 cm3. Donnern und blitzen sie nun noch gewaltiger?

Auf die zwölf
Foto: fact

Buell ist cool. Nein, ausnahmsweise ist hier mal nicht eine der radikalen Mixturen aus rustikalem US-Maschinenbau und aufreizendem Outfit gemeint, sondern Erik. Erik F. Buell himself. Firmengründer und Chefingenieur. Wenn der Familienvater die Bühne erklimmt, sich Mikro und E-Gitarre schnappt und zusammen mit zwei Mitarbeitern
losrockt, glaubt man sofort, dass er gern
Musiker geworden wäre. Und versteht, warum die Marke Buell ist, wie sie
ist. Hemdsärmelig, locker, selbstbewusst. 1000-Punkte-Wertungen und andere fein austarierte Messlatten großzügig ignorierend. Buell sind anders.
Firebolt und Lightning bunkern ihre
14 Liter Sprit in den Profilen des Alu-
rahmens, fahren das Motoröl in der Schwinge spazieren und bremsen vorn mit einer 375-Millimeter-Scheibe. Direkt schwimmend in der Felge gelagert und von einer innenumfassenden Sechskolbenzange in Beschlag genommen. Klar, sonst wäre es ja zu normal.
Damit in Zukunft noch mehr Freude im Sattel aufkommt, spendierten die Bueller den neuen Modellen nicht nur Kleinigkeiten wie einen modifizierten, rutschfesteren Sitzbankbezug, sondern auch
dem aus den XB9-Schwestern bekannten Zweiventil-Twin ein Hubraumplus. Mehr Hub liftet den luftgekühlten 45-Grad-
V-Motor auf 1202 cm3, Futter gibt’s durch die Einspritzanlage mit 49er-Einzeldrosselklappe. Hinten werkelt ab sofort ebenfalls eine Klappe, nämlich im Schalldämpfer: Abhängig von Gasgriffstellung und Motordrehzahl moduliert sie dort den
Abgasstrom. Auf dass der Langhuber vor
allem im mittleren Drehzahlbereich noch mehr Punch über den – verstärkten – Zahnriemen ans Hinterrad liefere. Maximal versprechen die Amis 101 PS und 110 Nm. Was glaubhaft ist, so nachdrücklich, wie die Woge aus Leistung und Drehmoment über die trocken 179 Kilogramm schwere Buell herfällt. Zumindest zwischen 2500 und gut 7000/min. Drunter rumpelt es gewaltig, und drüber knipst der Begrenzer den Zündstrom ab.
Am Ort der Präsentation, der Rennstrecke von Elkhart Lake nahe Milwaukee/
USA, bekommt Letzterer ordentlich zu tun. Ob beim Balgen um die nächste Kurve oder auf der langen Geraden, viel zu oft mahnt die Nadel des Drehzahlmessers Gangwechsel an, was in engen Passagen etliche Extra-Schaltvorgänge erzwingt. Angesichts der extrem schwergängigen Kupplung und der knorrigen, unexakten Schaltung kein wirkliches Vergnügen.
Das bereitet die Firebolt ihrem Treiber dafür in einer lang gezogenen 180-Grad-Kurve, die mit ordentlich Schmackes passiert wird. Da wackelt nix – der Feuerbolzen zieht ungerührt durch, hält fein säuberlich Kurs. Und lässt sich vor der anschließenden Schikane punktgenau einfangen – sofern der Pilot einer tendenziell leichten Hinterhand furchtlos gegenübersteht. Die überaus kompakte Fahrwerksgeometrie und die bissige Auslegung des vorderen Stoppers lassen das kurze Heck beim rabiaten Bremsen quer oder hoch kommen. This is fun. Schluss mit lustig ist erst, wenn man in Sachen
Linienwahl mal unvorhergesehen korrigieren muss. Dann wird die XB12R plötzlich hartleibig, stellt sich auf, will gaaanz weite Bögen fahren. Mitschuld daran trägt die unpassende Erstbereifung Dunlop
D 207 F. Alternative Gummis können es besser, wie Querchecks bereits bei der XB9R bewiesen haben. So bleibt nur der Tipp, die Pellen einfach runterzureißen, denn wer fährt schon immer rund?
Ein Tipp, der eins zu eins auf das nackte Schwestermodell Lightning XB12S übertragbar ist. Sie muss sich in Elkhart Lake auf einem verzwickten Handlingparcours beweisen. Kurven ohne Unterlass, überhöht, abfallend, wellig. Das volle Programm. No problem für die Lightning, die ebenso wie die Firebolt mit ihren voll
einstellbaren und sauber ansprechenden Federelementen nahezu alle Schlechtigkeiten aus dem Asphalt fischt. Nach kurzer Eingewöhnung wünscht man sich
lediglich etwas mehr Schräglagenfreiheit zum Herumtollen, denn die Sitzposition quasi über der Gabelbrücke und der herzhaft anschiebende Twin machen uner-hört mutig. Selbst wenn die Kröpfung
des Rohrlenkers nicht jedem taugt, hilft
die kompakte Ergonomie beim flinken Manövrieren. Ebenso wie der mas-
sige Schub. Erstaunlich, wie präzise das
archaisch anmutende Triebwerk auf Befehle am Gasgriff reagiert, toll, wie gering
die Lastwechsel ausfallen. Und blöd,
wie starrköpfig sich auch die Ligntning aufstellt. Doch was wäre eine Buell
ohne kleine Nickeligkeiten? Langweilig, oder? Sehen Sie!

Unsere Highlights

Technische Daten - Buell XB12R Firebolt (V)

Motor: luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-45-Grad-V-Motor, Kurbelwelle querliegend, vier untenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, zwei Ventile pro Zylinder, Hydrostößel, Stoßstangen, Kipphebel, Trockensumpfschmierung, elektronische Saugrohreinspritzung, Ø 49 mm, Motormanagement, keine Abgasreinigung, E-Starter, Drehstromlichtmaschine 540 W, Batterie 12 V/12 Ah.Bohrung x Hub 88,9 x 96,8 mmHubraum 1202 cm3Verdichtungsverhältnis 10,0:1Nennleistung 74,6 kW (101 PS) bei 6600/minMax. Drehmoment 110 Nm (11,2 kpm) bei 6000/minKraftübertragung: Primärantrieb über Triplexkette, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, Zahnriemen.Fahrwerk: Brückenrahmen mit integriertem Kraftstofftank aus Aluprofilen, geschraubtes Rahmenheck, Upside-down-Gabel, Gleitrohrdurchmesser 41 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluprofilen, Zentralfederbein, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, innenumfassende Scheibenbremse vorn, schwimmend gelagerte Bremsscheibe, Ø 375 mm, Sechskolbensattel, Scheibenbremse hinten, Ø 240 mm, Einkolbensattel. Alugussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17; Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17Fahrwerksdaten: Radstand 1320 mm, Lenkkopfwinkel 69 Grad, Nachlauf 83 mm, Federweg v/h 120/127 mm.Maße und Gewichte: L/B/H 1924/768/1092 mm (XB12R), L/B/H 1924/831/1232 mm (XB12S), Sitzhöhe 775 mm, Trockengewicht 179 kg, zulässiges Gesamtgewicht 386 kg, Tankinhalt 14 Liter.Garantie zwei Jahre ohne KilometerbegrenzungFarben Schwarz, RotPreis 11499 EuroNebenkosten 249 Euro

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023