Am späten Nachmittag endlich fräste das sehnlich erwartete Zwischenhoch ein Dreistundenloch ins Wolkenmeer. Die Sonne schaute zuerst vorsichtig unter der Kante hindurch, ließ dann Herbstwald und Landstraße erglühen und gab wärmend, lockend die Richtung an immer nach Westen. Das Motorrad: eine nagelneue Ducati Monster 1000 S, die zu diesem Zeitpunkt noch kaum eingefahren war.
Trotzdem drückte ihr Motor die Frage, ob die komplette Überarbeitung denn etwas gebracht habe, gleich ganz weit weg. Angenehme Temperaturen sowie eine trockene und vielfältig gewundene Bahn gaben ihm reichlich Gelegenheit, die Monster mit Macht aus den Kurven zu pressen. Ohne dafür hohe Drehzahlen zu benötigen. 3500 Umdrehungen reichen als Startmarke für den richtigen Punch. Den er mit bemerkenswerter Laufkultur eben nicht aus dem Ärmel schüttelt, sondern eher fließen lässt.
Um die 3000/min herum allerdings läuft der V-Zweizylinder rau und zwar egal, ob er gerade ziehen muss oder im Schiebebetrieb dümpelt. Das fällt etwas lästig, weil sich dieser Drehzahlbereich beim Mitschwimmen im inner- wie außerörtlichen Verkehr geradezu aufdrängt. Wenigstens kennt er bei dieser eher passiven Art des Fahrens nur ein sehr mildes Konstantfahrruckeln.
Hört sich bis jetzt stark nach einem Motor mit einer breiten Mitte, doch wenig ausgeprägten Spitze an. Ist aber nur die halbe Wahrheit. Natürlich dreht der Zweiventiler nicht in fünfstellige Höhen wie die Vierventiler mit Doppelnocken-Köpfen, nach ein paar Einfahrkilometern mehr kurbelte er jedoch muntere 8700/min. Und zwar mit energischer Leistungsentfaltung, Andere luftgekühlte Zweizylindermotoren, selbst der Boxer der BMW R 1100 S oder der erstaunliche Moto Guzzi-V2, bieten das nicht in dieser Kombination. Bei vergleichbarer oder gar höherer Spitzenleistung und ähnlichem Drehvermögen fehlt es ihnen oben etwas an Drehfreudigkeit und Spritzigkeit. Zur Bestätigung des subjektiven Eindrucks stellte MOTORRAD die Monster später auf den Prüfstand, und die landete dort kurz und trocken einen Volltreffer: 92 PS und 91 Nm an der Kupplung, weit mehr als angegeben und noch viel mehr als der alte 900er-Motor. Wohlgemerkt konform mit der Euro-2-Abgasnorm, die das Vorgängertriebwerk nicht erfüllte.
Wie kommt das zustande? Zunächst durch mehr Bohrung und mehr Hub, die den Hubraum von 904 auf 992 cm³ aufstockten. Und indem die gleichen Erkenntnisse, die bei den Vierventilern große Fortschritte gebracht haben, auf den luftgekühlten Zweiventiler übertragen wurden. Also durch größere Ventile mit dünneren Schäften, engere Ventilwinkel und weitere Kanäle. Kurz, durch einen völlig neuen Zylinderkopf, der dem alten nur auf den ersten Blick gleicht. Er verbessert den Gaswechsel und sorgt zusammen mit der Doppelzündung für effektive Verbrennung. Sorgfältige Abstimmung gehört freilich ebenfalls dazu. Dafür, dass die gelungen ist, spricht neben der prickelnden Leistungsfreude der Verbrauch, der auf 200 sehr zügig gefahrenen Landstraßenkilometern moderate elf Liter betrug.
Nach der ersten Etappe drängt sich der Eindruck auf, dass der 1000er-Zweiventiler besser zum Chassis passt als der 916-Vierventiler der Monster S 4 obgleich dieses Chassis von ihr stammt. Denn die 1000 S wirkt handlicher als die S4, scheint präziser zu lenken. Sie zeigt nur geringe Neigung, sich bei Lastwechseln in Schräglage, beim Hineinbremsen in Kurven oder beim Überfahren von Bodenwellen aufzustellen. Was die S4 trotz gleicher Fahrwerksgeometrie ausgeprägter tut. Vielleicht liegt es daran, dass der leichtere Motor eine günstigere Gewichtsverteilung bringt. Immerhin konzentrieren sich dank der minimalistischen Zylinderköpfe die Massen näher am Schwerpunkt als bei den Vierventilern mit zwei Nockenwellen und Wasserkühlung. Möglicherweise relativieren sich diese Eindrücke ja auch im direkten Vergleich. Eines stimmt aber hundertprozentig: Die Monster 1000 S ist für sportlich orientierte Fahrer ein Super-Landstraßenmotorrad, das nur eine Kurvenkombination braucht, um den Piloten lichterloh in Brand zu setzen. Die aufrechte Sitzposition, die Überblick und gute Beweglichkeit ermöglicht, und das stabile, straffe Fahrwerk wirken zusammen wie Traubenzucker sie gehen sofort ins Blut, halten dort aber länger vor. In der Hitze des Kurvens wird dann sogar die Schräglagenfreiheit etwas knapp. Ob sich das mit Hilfe der Höhenverstellung hinten korrigieren ließe, klärt ein ausführlicher Test.
Jedenfalls kam es, dass sich der Fahrberichterstatter bei einbrechender Dunkelheit weit westlich von daheim wiederfand und trotzdem nicht auf der Autobahn nach Hause fuhr. Der Scheinwerfer der Monster, das weiß er seither auch, strahlt übrigens schön hell. Heller als ein Kürbisgeist.
Fahrbericht Ducati Monster 1000 S : Halloween-Party
Es braucht keine Kürbisgeister und Gespensterkostüme, um Halloween zu feiern. Mindestens so amüsant ist die Ducati Monster 1000 S. Ihr neuer Motor erweist sich als so aufgeweckt wie eine Horde Geister um Mitternacht.