Rund 3000 Kilometer Luftlinie von Island entfernt präsentierte Ducati den letzten fehlenden Baustein der Monster-Familie, die neue 796. Doch hat die neben der 1100er und 696er wirklich noch gefehlt?
Rund 3000 Kilometer Luftlinie von Island entfernt präsentierte Ducati den letzten fehlenden Baustein der Monster-Familie, die neue 796. Doch hat die neben der 1100er und 696er wirklich noch gefehlt?
Vor einem charmanten Ziegelsteingebäude, das als Museum dient, haben Ducati-Bedienstete ihre neueste Kreation aufgereiht, die Monster 796. Die, schlicht gesagt, aus einem aufgebohrten 696er-Motor und dem Chassis der Monster 1100 besteht. Die Ducati-Mitarbeiter allesamt besonnbrillt, in Werksoutfit und kurzbehaart, stehen so lässig im Eck, als hätte man ihnen die Hände in den Taschen festgenäht. Und kommen mindestens so cool rüber wie die neue Monster 796, auf der man Augenblicke später Platz nehmen darf. Testfahrt nicht nur erlaubt, sondern erwünscht.
Der erste Eindruck ist leidenschaftlich - begehrlich liegt der Alulenker in der Hand, selbstbewusst bollert es aus den beiden Endschalldämpfern, und ist der Gang erst einmal eingelegt, und man hat die Füße auf den Rasten, durchströmt den Fahrer sofort das typische Ducati-Monster-Gefühl. Was man mit folgenden Attributen beschreiben kann: knackig, sportlich, ehrlich, aktiv. Der Engländer nennt so etwas schlicht urban.
Lenken fühlt sich fast so an, als hätte man das Rad selbst in der Hand. Denn Radachse, Gabel und Lenker liegen im gefühlten Lot, obwohl die Monster 66 Grad Lenkkopfwinkel hat. Wie dieser Eindruck entsteht? Vor dem bullig wirkenden Tank kommt vorn fast nichts mehr. Der markante, flunderflache Scheinwerfer ist für den Fahrer nicht sichtbar, die modische Miniverkleidung kaum größer als eine Handfläche, und das schlecht ablesbare Digitalcockpit scheint ebenfalls zu heiß gewaschen worden zu sein. An diese Eigenarten kann und wird man sich gewöhnen.
Die Toskana lockt mit einem Straßengeflecht, das nichts zu wünschen übrig lässt. Haarnadelkehren und weite Bögen, oft verbunden durch kurze Geraden, auf denen das Herz der Maschine schneller schlagen darf. Und muss. Hier ist der Desmodue-Motor in seinem Element. Der luft-/ölgekühlte V2 ist mechanisch baugleich mit dem 796er-Pendant, das auch die Ducati Hypermotard 796 antreibt. In der Monster leistet er mit 87 sogar neun PS mehr. Luftfilterkasten und Auspuffanlage sind großvolumiger, das Mapping auf den größeren Durchsatz abgestimmt. Bereits nach der ersten furiosen Passhatz ist die eingangs gestellte Frage beantwortet: Die 796er-Monster ist allein durch ihre Kraftentfaltung ein wunderbares Puzzlestück, das die Lücke zwischen einem eventuellen Leistungsdefizit der 696 und -überfluss der 1100er schließt.
Der Antrieb läuft weich und liefert nur die Art von lebensbejahenden Good Vibrations, die man von einem sportlichem Vau erwartet. Er teilt einem euphorisch mit, dass er mindestens ebensolche Freude am Durcheilen des Drehzahlbandes hat wie der Fahrer selbst. Doch der 796er kann auch schaltfaul gefahren werden. Bereits ab 3000/min geht es ruckelfrei voran. Den flüssig absolvierten Landstraßenswing erledigt man zwischen 4000 und 6000 Touren. Sportlich Engagierte dürfen den Vau auch gern bis rund 9000 Umdrehungen ausquetschen. Dieser V2 stellt alle zufrieden, vom bummeligen In-die-Gegend-Gucker bis hin zum adrenalingepushten Zügig-ums-Eck-Bieger. Auf der Landstraße braucht kein Mensch mehr Power. Vor allem, weil die vorhandene Leistung in der Verbindung mit bescheidenen 169 Kilogramm Trockengewicht (Werksangabe, mit ABS) herrlich dynamisch rüber kommt.
Doch die 796 schließt nicht nur motorseitig eine Lücke. Mit 9495 Euro ist die in Deutschland ausschließlich als ABS-Version erhältliche Goldene-Mitte-Monster 1505 Euro günstiger als die große 1100er-Schwester, verfügt aber mindestens über ebenso viele technische Leckereien wie Einarmschwinge und leichte Aluräder mit Y-Speichen. Und sie ist gegenüber der technisch weniger appetitanregenden 696er nur 805 Euro teurer. Gibt es jetzt tatsächlich noch Gründe, die für die Kleine sprechen?
Die sportlich-knackig abgestimmten Federelemente teilen dem Fahrer jede Art von Fahrbahnveränderung mit. Das Feedback ist gut. Komfort lässt allerdings zu wünschen übrig. So ist das mit den sportlich orientierten Naked Bikes. Aber sind wir ehrlich: Wer sich in ein Magermodel aufgrund seiner zierlichen Kurven verliebt, vermisst doch auch kein Doppel-D, oder? Die 796 ist zweifelfrei ein Bike mit Charakter, das sich gegen den Anspruch eines Transportmittels energisch wehrt. Aus diesem Grund nimmt man es ihr auch nicht übel, dass sie sich ein wenig störrisch lenkt, hinten kaum bremst, hakend schalten lässt und dem Fahrer beim Überfahren von Schlaglöchern oder Wellen aufgrund der Tankform das eine oder andere Mal einen Schlag unter die Gürtellinie verpasst.
Dennoch glänzt die 796 mit einem ABS, das auf den ersten Testkilometern jedenfalls einen ganz passablen Eindruck hinterließ. Zwar werden Spät- und Heftigbremser über die etwas stumpf wirkende Bremse meckern, das Gros der Fahrer dürfte mit dieser Drei- bis Vierfingerbetätigung jedoch zufrieden sein.
Zu guter Letzt eine Nachricht, die der Konkurrenz zu denken geben sollte: Über die drei Grundfarben hinaus können Monster-Modelle gegen moderate Preise ab sofort zusätzlich mit zehn verschiedenen Farb-Kits ab Werk (Foto-Show: siehe unten) individuell zusammengestellt oder nachträglich aufgehübscht werden. Das Kit besteht aus den beiden Tankverkleidungen, Kotflügeln und der Soziusplatzabdeckung. Aschgrau ist übrigens nicht mit dabei. Gott sei Dank.
AUFGEFALLEN
Positiv:
Negativ:
MOTOR:
Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, Kurbelwelle quer liegend, je eine obenliegende, zahnriemengetriebene Nockenwelle, zwei Ventile pro Zylinder, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, ø 45 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 480 W, Batterie 12 V/10 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping), Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 39:15.
Bohrung x Hub 88,0 x 66,0 mm
Hubraum 803 cm³
Verdichtungsverhältnis 11:1
Nennleistung 64,0 kW (87 PS) bei 8250/min
Max. Drehmoment 78 Nm bei 6250/min
FAHRWERK:
Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend, Upside-down-Gabel, ø 43 mm, Einarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, ø 245 mm, Zweikolben-Festsattel, ABS.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17
MASSE und GEWICHTE:
Radstand 1450 mm, Lenkkopfwinkel 66,0 Grad, Nachlauf 87 mm., Federweg v/h 120/148 mm, Sitzhöhe 800 mm, Trockengewicht, 169 kg, Tankinhalt 13,5 Liter.
Garantie zwei Jahre
Farben Grundfarben: Rot, Weiss, Schwarz und diverse Farbkombinationen
Preis 9495 Euro
Nebenkosten 255 Euro