Fahrbericht KTM 790 Duke (2018)
Zweizylinder als perfekter Kurvenkünstler

KTM baut seinen ersten Zweizylinder-Reihenmotor und steckt ihn in die vollständig neu entwickelte 790 Duke. Der Anspruch: Das beste Mittelklasse-Naked-Bike der Welt zu produzieren. Die Wirklichkeit: Lässt sich schwer in Worte fassen, wie der erste Fahrbericht zeigt.

Zweizylinder als perfekter Kurvenkünstler
Foto: KTM

"Skalpell" und "ultimative Landstraßenwaffe": KTM war in der Beschreibung seiner Produkte schon immer offensiv, und für die KTM 790 Duke bleiben die Österreicher ihrer Linie natürlich treu. Der erste Reihenzweizylinder, der Marke, Kampfname "LC8c", ist 799 cm³ groß und leistet 105 PS bei 9.000/min. Sein maximales Drehmoment beträgt 86 Nm bei 8.000/min.

Mit einem Hubzapfenversatz von 75 Grad betreibt der KTM-Twin aktives Sound-Engineering; der Motor klingt damit deutlich nach dem großen V2.

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Video mit Soundcheck

Alle elektronischen Helfer funktionieren perfekt

Die genannten Eckdaten treffen in der KTM 790 Duke auf ein nur 169 Kilogramm schweres Motorrad (Trockengewicht), womit sich das martialische KTM-Vokabular wohl mehr als rechtfertigt. Der Stahlrahmen bindet den Motor als tragendes Element ein, das Rahmenheck besteht aus Leichtmetall und ist mit dem Hauptrahmen verschraubt, wovon KTM sich und seinen Fans maximal präzises Handling verspricht.

Eine Upside-down-Gabel von WP mit 43 mm Innenrohrdurchmesser und 140 mm Federweg führt das Vorderrad. Das direkt angelenkte und mit einer progessiv gewickelten Feder ausgestattete Federbein mit Gasdruck-Unterstützung stammt ebenfalls von WP; am Hinterrad bietet die KTM 790 Duke sogar 150 mm Federweg. Sie steht auf Reifen in den Standard-Dimensionen 120/70 ZR 17 und 180/55 ZR 17, als Erstausrüstung sind Maxxis Supermaxx ST-Reifen montiert.

Bei allem Purismus bringt die KTM 790 Duke eine gut sortierte Auswahl elektronischer Fahrhilfen und Sicherheitssysteme mit: Kurven-ABS mit Supermoto-Modus, Traktionskontrolle, Schleppmoment-Regelung, Quickshifter und Launch-Control sowie wählbare Fahrmodi und ein TFT-Display, um diese Elektronik zu managen und dem Fahrer umfassende Informationen zu präsentieren.

Der Twin will getrieben werden

Lässig schwingt man das Bein über die Sitzbank in 825 Millimeter Höhe. Die Anti-Hopping-Kupplung bedient sich erfreulich leicht, die Hebeleien sind auf die individuelle Griffweite einstellbar. Ein Druck aufs Knöpfchen, prompt kurbelt der Motor los und pustet mit kernigem Schlag die Abgase aus dem konisch geformten Endschalldämpfer. Und los geht’s.

KTM
Erst bei 9.500/min. ist Schluss mit Lustig.

Exakt rückt die Kupplung den ersten Gang ein, der Reihentwin hängt sportlich am Ride-by-Wire-Gasgriff. Konstantfahrbetrieb mag er nicht so gern, ruckt im Stadtverkehr mitunter etwas, will offenbar lieber von der Leine gelassen werden. Die Ergonomie passt dafür hervorragend, alles ist an Ort und Stelle. Man sitzt vorderradorientiert und aktiv auf der Duke.

Munter und zuverlässig wechselt der (abschaltbare) Quick-Shifter in allen Drehzahlbereichen die sechs Gangstufen, der Schalthebel verlangt vom Fahrer aber einen klaren Impuls.  Eine kurze Zwischengerade brennt die Leistungscharakteristik des Naked-Bikes direkt ins Hirn: Ab zirka 2.000 Touren nimmt der Twin sauber Gas an, schiebt bis etwa 5.000 Umdrehungen noch etwas schüchtern vorwärts. Wer die Fetzen aber fliegen lassen will, freut sich über den mächtigen Schub, der von nun an einsetzt – und bis zum Begrenzer bei 9.500 Touren nicht abebben will. Schnell zeigt sich, weshalb die Elektronik kein nettes Gimmick, sondern ein Garant für viel Traktion ist.

Die 790er fährt frech und unkompliziert

Beruhigend auch, wie sich die radial montierten Vierkolben-Festbremssättel vorne dosieren lassen und bei Bedarf kräftig in die 300er-Scheiben verbeißen. Klick, klick – kurz vor der Kurve noch zwei Gänge runtergesteppt, gierig lenkt die Duke über das Vorderrad in die Kurve ein, zeigt keine Spur von Nervosität. Die WP-Telegabel sowie das WP-Federbein liefern eine in allen Belangen sehr ausgewogene Vorstellung ab. Erst bei fiesen Verwerfungen kommt etwas Unruhe ins Fahrwerk. Die 790er reagiert aber stets gutmütig und somit kontrollierbar.

KTM
Beinahe perfekter Kurvenkünstler.

Frech lässt sich die KTM um enge Kehren drücken, spät darf man ihr eine korrigierte Linie vorgeben. Sie pariert alle Fahrerwünsche präzise und mit einer bestechenden Handlichkeit.

Ja, hat man es denn wirklich mit einem astreinen, perfekten Kurvenkünstler samt Assistenzarmada zu einem Kurs von 9.790 Euro plus Nebenkosten zu tun? Es scheint so. Denn Kritik gibt es nur für das Oberflächenfinish aufmanchen Bauteilen, das Rumpeln im Schiebebetrieb und die Vibrationen ab 6.000 Touren. Ansonsten staunt man sehr über die KTM 790 Duke.

Technische Daten KTM 790 Duke

Antrieb: Zweiyzylinder-Reihenmotor, 799 cm³, Bohrung/Hub 88/65,7 mm, zwei obenliegende Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, 77 kW (105 PS) bei 9.000/min, 86 Nm bei 8.000/min, Verdichtung 12,7:1, mechanisch betätigte Anti-Hopping-Kupplung, Sechsganggetriebe, Kette

Fahrwerk: Stahl-Brückenrahmen mit verschraubtem Rahmenheck aus Leichtmetall, Upside-down-Gabel vorn, direkt angelenktes Zentralfederbein hinten, Federweg vorn/hinten 140/150 mm,

Räder und Bremsen: Reifen vorn 120/70 ZR 17 auf 3,50 x 17-Gussrad, Reifen hinte 180/55 ZR 17 auf 5,50 x 17-Gussrad, 300-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 240-mm-Scheibenbremse mit Zweikolben-Festsattel hinten, abschaltbares Kurven-ABS

Maße und Gewicht: Radstand 1475 mm, Lenkkopfwinkel 66°, Nachlauf 98 mm, Sitzhöhe 825 mm, Tankinhalt ca. 14 Liter, Trockgewicht ca. 169 kg

Video von EICMA 2017

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