Fahrbericht: Norton 961 SE
Die Norton Commando 961 SE im Test

Nie war die von Kenny Dreer in den USA entworfene Commando so nahe daran, tatsächlich produziert zu werden. Britische Journalistenkollegen durften als erste eine 961 mit Einspritzung und Katalysator fahren. MOTORRAD ergänzt Ihre Fahreindrücke mit einigen Informationen zum Stand der Dinge.

Die Norton Commando 961 SE im Test
Foto: MCN

Wenn britische Medien über Norton berichten, fällt un­weigerlich der Begriff "iconic brand". Ikone unter den Motorradmarken, das klingt ein wenig wie Heiligenverehrung. Selbst die ausgebufften Kollegen von der Zeitschrift Motorcycle News (MCN) finden beinahe andächtige Worte zur Beschreibung eines luftgekühlten Zweizylinder-Zweiventil-Stoßstangenmotors in einem Stahlrohrrahmen. Weil die Motoren in Großbritannien montiert, die Rohre dort verschweißt werden, Norton auf dem Tank steht und es in den 1960er- und 70er-Jahren ähnliches gab.

Womit diese Verehrung nicht gewertet, sondern lediglich beschrieben werden soll. Immerhin erzeugt es einen Gutteil der Energie, die das Projekt Commando vorantreibt. Und es passt zu dieser Marke, deren Ruf immer schon größer war als ihre wirtschaftliche Bedeutung.

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Die Commando 961 ist ja auch eine anziehende Erscheinung. Die simple Technik findet ihre Entsprechung in Linien von klassischer Schlichtheit. Abgesehen von den golden schimmernden Öhlins-Gabeln fügen sich die modernen Komponenten bruchlos ins Bild. Doch bevor der Haben-Wollen-Reflex zu triebgesteuertem Bestellen und Überweisen von Anzahlungen führt, sei hier auf einige Punkte hingewiesen: Es wurde noch keine Serien-Commando gebaut und ausgeliefert, nicht einmal in Großbritannien. Wie Norton-Eigner Stuart Garner im MOTORRAD-Interview eingeräumt hat, sind die Commando-Modelle auch noch nicht homologiert, Importeur und Händler in Deutschland noch nicht gefunden.

MCN
Hier die rot lackierte Sport, das günstigste Norton-Modell. Von der SE unterscheidet sie sich durch die Drahtspeichenräder.

MOTORRAD wird weiter über Norton berichten, der erste Fahrbericht mit einem Serienmotorrad ist jedoch nicht vor Ende Februar zu erwarten. Und nun hat MCN-Tester Phil West das Wort: "Momente wie dieser kommen nicht allzu oft; ich fühle mich erinnert an die ersten Fahrten mit der Triumph Trophy von 1991, der Ur-Fireblade 1992 und der Ducati 916 zwei Jahre später. Mir gefällt die 961 SE schon im Stand. Das stilvolle Aussehen und die Verarbeitungsqualität machen einem den Mund wässerig, nicht weniger eindrucksvoll ist die Ergonomie. Ab dem Moment, in dem man das Bein über den geschwungenen Sitzbankhöcker schwingt, passt alles. Füße und Hände finden wie von selbst zu den Rasten und Griffen, die weit eingezogenen Tankflanken machen das Motorrad schlank. Sein Gewicht ist gering und gut ausbalanciert – das erinnert an die neueste Ducati Monster, doch im Unterschied zur Monster wirkt die Norton länger und größer. Und die Aussicht nach vorn ist großartig: dezente Schaltereinheiten, ein sauber eingepasster Brembo-Bremszylinder, ein konifizierter Alulenker.

Daumen auf den Starterknopf, ein kurzes Sirren, und der 961er-Stoßstangen-Paralleltwin grollt los. Einen Moment lang bezweifle ich, dass er wirklich gezündet hat; die neue Zwei-in-zwei-Auspuffanlage von Motad klingt viel leiser als die Donnerrohre früherer Prototypen. Doch auch jetzt noch tönt die 961 trockener, schroffer, bassiger als andere Twins. Der erste Gang ist eingelegt, die Kupplung normal dosierbar und es geht ab. Wir sind auf einer rund 800 Meter langen Teststrecke. Das ist ziemlich kurz, aber in gut 40 Runden kann man einiges herausfinden, vor allem kann ich das Motorrad härter rannehmen als auf öffentlichen Straßen. Sofort fällt auf, wie neutral die Commando steuert, mit genügend Sportlichkeit, um Funken zu sprühen. Leicht und präzise auch bei scharf gefahrenen Schräglagenwechseln. Unzweifelhaft gut arbeiten die Federelemente und Bremsen.

MCN
Kleine Verdickungen in den Auspuffrohren verraten die Position der Kats, die konischen Endstücke sind Kult.

Der Motor war nicht das Beste an der Testmaschine; er war frisch montiert und litt an Kinderkrankheiten. Das Mapping brauchte noch Feinabstimmung, um ein Drehmomentloch bei 5000/min aufzufüllen. Doch das kann ich der Commando verzeihen. Sie hat eine Menge Dampf bei tiefen Drehzahlen um die 2000/min, zieht sauber und stetig von unten heraus und durch die Gänge – mit einem Bellen, das süchtig machen kann. Zum Glück hatte ich die Ohrenstöpsel vergessen. 80 PS, beziehungsweise etwas zwischen einer Bonneville und einer Monster sind genug, um Spaß zu haben.

Fazit: Dieser Test wird nicht alle Fragen beantworten  und nicht alle Zweifler ruhig stellen, aber er ist eine wichtige Station auf dem Weg dorthin. Fahrwerk und Ergonomie sind super, beim Motor wird man noch sehen. Doch schon jetzt spendet die Commando lastwagenweise Fahrspaß und Be­sitzerstolz. Man kann sich zu ihr in die Garage setzen und sie stundenlang bewundern. Vor allem diese limitierte, 16 Kilopfund teure SE in Galauniform. Die ist zugegebenermaßen mehr Schmuckstück als Fahrmaschine, aber bereits ausverkauft."

Technische Daten der Norton

Hersteller
Die limitierte SE-Version der Commando ist angeblich schon ausverkauft.

Motor:
Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine untenliegende Nockenwelle, zwei Ventile pro Zylinder, über Stoßstangen und Kipphebel betätigt, Trockensumpfschmierung, Einspritzung, Fünfganggetriebe, Kette.
Bohrung x Hub 88 x 79 mm
Hubraum 961 cm3
Nennleistung 64,7 kW (80 PS) bei 6500/min
Max. Drehmoment 90 Nm bei 5200/min

Fahrwerk:
Doppelschleifen-Rohrrahmen mit integriertem Ölreservoir, Upside-down-Gabel (Sport: Telegabel), Zweiarmschwinge aus Stahlrohr, zwei Federbeine, direkt angelenkt, Doppelscheibenbremse vorn, 320 mm, Scheibenbremse hinten, 220 mm, Karbonräder
(Café Racer und Sport: Drahtspeichenräder).
Felgen 3.50 x 17; 5.00 x 17
Reifen 120/70-17; 180/55-17

Maße und Gewichte:
Radstand 1420 mm, Lenkkopfwinkel 65,5 Grad, Nachlauf 99 mm, Federweg v/h 115/100 mm, Sitzhöhe 813 mm, Gewicht, trocken 188 kg, Tankinhalt 17 Liter.
Preis inkl. Mwst. & Nebenkosten 15 995 Pfund (Café Racer 13 495, Sport 11 995) in GB

Interview mit dem Markenrechtsinhaber

Norton
Stuart Garner, 40, besitzt seit Oktober 2008 die wichtigsten Rechte an der Marke Norton.

 ?  Herr Garner, die NEC-Show in Birmingham scheint ein großer Erfolg für Norton gewesen zu sein. Gerüchte besagen, Sie hätten zahlreiche Bestellungen für die Commando-961-Modelle erhalten. Wie viele?
 !  Die Messe ist fantastisch gelaufen, unser Stand war während der gesamten zehn Tage gut besucht. Und wir haben viel mehr Bestellungen erhalten als erwartet.

 ?  Wie viele Einheiten wollen Sie im Jahr 2010 produzieren?
 !  961, um ganz genau zu sein.

 ?  Ist mehr als die Hälfte dieses Kontingents vorbestellt worden?
 !  Ja, das kann ich bestätigen.

 ?  Ist die Commando-961-Reihe für die EU homologiert, besitzt sie das Certificate of Conformity?
 !  Die Commando wurde zunächst unter IVA (eine Art Einzelabnahme; die Red.) abgenommen und durchläuft derzeit die Euro-3-Homologation. Wir erwarten, dass diese in den nächsten Wochen, vielleicht Monaten, abgeschlossen wird.

 ?  In welche Länder wollen Sie die Motorräder exportieren?
 !  Für die USA und Kanada haben wir bereits einen Importeur gefunden, Frankreich, Spanien, Italien Belgien und Deutschland werden in den kommenden Monaten folgen.

 ?  Wenn die Commandos nach Deutschland kommen, was werden sie kosten?
 !  Mitte des Jahres sollen die Motorräder in Deutschland verfügbar sein. Sobald ein Importeur gefunden ist, wird er den Preis nennen. Grundsätzlich wird der Preis auf dem Niveau der Pound-Sterling-Preise liegen, umgerechnet in Euro.

 ?  Wenn ich jetzt in Donington wäre, um das Norton-Werk zu besichtigen, was würde ich auf dem Produktionsband sehen?
 !  Im Moment montieren wir auf unseren Werkbänken diverse Baugruppen vor, auf den CNC-Maschinen werden fleißig Teile gefertigt und unsere Lager füllen sich mit Zulieferteilen. In ein bis zwei Wochen beginnt die Auslieferung an die einheimischen Kunden.

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023