Fahrbericht Yamaha BT 1100 Bulldog
Der beste Freund...

...des Menschen ist angeblich der Hund. MOTORRAD versuchte zu erfahren, ob Yamahas 1100er-Roadster an diese Tradition anknüpfen und mit seinem dicken V2 in die Herzen der Naked-Bike-Fans brummen kann.

Bulldog – die einen assoziieren damit stämmige, zähnefletschende Vierbeiner, andere denken sofort an die legendären, einzylindrigen Lanz-Traktoren. Jetzt heißt es umdenken, denn ab Oktober steht die Yamaha BT 1100 Bulldog bei den Händlern. Im Gegensatz zu ihren Namensvettern gibt sich der Japan-Roadster made by Belgarda in Italien jedoch weder besonders martialisch noch rekordverdächtig hubraumstark. Für Vortrieb sorgt der luftgekühlte 72-Grad-V2 mit 1063 cm3 Hubraum, der bereits vor 20 Jahren in der TR1 debütierte, damals noch mit 981 Kubikzentimetern und Kettenantrieb. Seither cruist und choppert das inzwischen mit einem Kardanantrieb versehene ohc-Aggregat an Bord von XV 1100 Virago und XVS 1100 Drag Star durch die Gegend. Und macht seine Sache nach Meinung von Yamaha dort so ordentlich, dass der Zweiventiler nach Applikation einer großvolumigeren Airbox und einer schräglagenfreundlichen Zwei-in-zwei-Auspuffanlage aus Edelstahl in den neuentwickelten Stahlrohr-Alurahmen des Roadsters schlüpfen durfte. Ein Sekundärluftsystem ist für die Abgasreinigung zuständig, und 65 PS bei 5500/min sowie 88 Newtonmeter Drehmoment bei 4500/min, bedeuten zudem einen klitzekleinen Kraftzuwachs, dafür liegt das maximale Drehmoment 2000 Touren später an als bisher.
In der Praxis schiebt der V-Twin die trocken immerhin 230 Kilogramm schwere Yamaha bereits ab 1500/min sanft, aber bestimmt vorwärts. Jenseits der 4500er-Marke wirkt er etwas bemüht, Vibrationen in Lenker und Tank sowie mechanische Geräusche nehmen zu und fordern zum Gangwechsel im sauber schaltbaren Fünfganggetriebe auf. Sicher, wer«s braucht, kann die Nadel des - in den Tacho integrierten - Drehzahlmessers Richtung roter Bereich schnalzen lassen, allerdings läßt der Elan des dicken Potts spürbar nach. Viel netter ist«s, mit etwa 3000 Touren artgerecht durch die Gegend zu swingen – die lange Übersetzung hilft, das Drehzahlniveau angenehm niedrig zu halten. Relaxtes »Torque Surfing« statt hektisches Gasgriffmelken, lautet die Devise im Bulldog-Sattel. Und das ist auch angeraten, denn auf plötzliches Gasaufreißen reagiert der von zwei Vergasern versorgte V2 etwas verzögert und mit spürbaren Lastwechseln. Außerdem hält die soft abgestimmte Gabel bei zügiger Fahrweise keine allzu großen Dämpfungsreserven parat. Also bitte mit Gefühl, dann ist von den dank der langen Aluschwinge ohnehin geringen Reaktionen des Kardanantriebs praktisch nichts mehr zu spüren und Kehrenfahren wird zum uneingeschränkten Vergnügen. Kinderleicht und zielgenau pirscht die BT 1100 auf ihrem 120er Pneu vorn und dem 170er hinten um die Ecken, die sanfte Leistungsentfaltung tut ein Übriges, der Griff zur leichtgängigen Kupplung ist selbst in Haarnadelkurven nicht nötig.
Der Griff zum – einstellbaren – Bremshebel hin und wieder schon, exakt dosierbar haben die einteiligen Vierkolbensättel im Verbund mit den beiden 298er-Scheiben die Bulldog fest im Griff, wobei der hintere Stopper bei Bedarf unauffällig mitwirkt. Auch die Schräglagenfreiheit steht zügigem Kurvenspaß nicht im Weg, irgendwann touchieren die Fußrastennippel zwar zart den Asphalt, dramatisch ist das jedoch nicht, zumal die entspannte Sitzposition hinter dem breiten, Lenker wie geschaffen ist, um selbst verzwickte Passagen zu meistern. Sogar für relaxten Passagierbetrieb ist die Bulldog zu haben, ihre moderate Rastenposition sowie das mit einer Wölbung gegen ungewolltes Nachvornrutschen gerüstete, hintere Polster laden zum Zweipersonen-Trip. Leider muss die Feder des - ebenso wie die Gabel in der Dämpfung nicht verstellbaren - Zentralfederbeins hierzu umständlich mit einem Hakenschlüssel vorgespannt werden. Schade, daß eine trickreiche Mechanik mit zwei getrennten Federn, wie sie etwa die TDM 850 oder die FJR 1300 bieten, nicht zum Einsatz kommt.
Solche technischen Features fielen anscheinend dem Rotstift zum Opfer, dafür ist die 16000 Mark teure BT 1100 solide verarbeitet und wartet mit liebevollen Details, wie etwa der Tacho-/Drehzahlmesser-Kombination auf. Gute Voraussetzungen also, zum besten Freund klassisch orientierter Roadster-Fans zu avancieren.

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MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023