Hondas dicke Dinger

Hondas dicke Dinger Nachtgewalten

Im grellen Licht der Nacht zählen archaische Werte. Dazu gehört vor allem eins: ein großes Herz. Mit deutlich über einem Liter Hubraum. Und Kraft bis zum Abwinken.

Namen sind Schall und Rauch. Hier und jetzt, zwischen Tag und Tag, sind andere Dinge wichtig. X-Eleven, X-4, F 6 C, CB 1300. Nichtsagende Buchstaben-Zahlen-Kombinationen. Völlig uninteressant. Weil hier und jetzt nur eine Tatsache zählt, und die heißt Hubraum: 1100 Kubikzentimeter beim leistungsstärksten Naked Bike überhaupt, der X-Eleven, 1300 Kubik bei den identischen Motoren der X-4 und CB 1300 und über 1500 Kubik aus sechs im Boxerprinzip angeordneten Zylindern des F 6-Triebwerks. Große herzen eben. Ihr gemeinsamer Viertakt wummert durch die Nacht, auch wenn ihre Wege andere sind.
Und es auch schon vor diesem Treffen waren. Denn X-4 und CB 1300 haben keine offizielle Aufenthaltserlaubnis von Honda Deutschland, sind praktisch über die grüne Grenze gekommen, im Morgen-Grauen. Weitere Gemeinsamkeit: ihr Motor, dieser Protz von Kraft, der aus seinem schier unerschöpflichen Hubraumreservoir Drehmoment so füllhornmäßig aus- wie ein routinierter Trinker seine Halbe an der Theke wegschüttet. Auf Ex nämlich, ohne lang zu fackeln. Das macht Eindruck.
Auf der X-4 noch mehr. Weil sie eher fertig ist. 130 Newtonmeter bei 4200/min sind ein hauchdünner Vorsprung gegenüber den 128 Nm der CB rund 100 Kurbelwellenumdrehungen später. Reine Prestigesache, klar, denn die Wirkung ist hier wie da die gleiche. Gas weit auf, der Rausch kommt bestimmt. Am besten nach dem Vierten, im Fünften. Dabei sollte es dann auch bleiben, weil der letzte Gang so nachhaltig wirkt, dass es immer und überall reicht. Die Arme lang zieht. Den Kopf in den Nacken zwingt. Immer voll einschenkt. Einfach so, aus dem Stand. Kein Wunder, weil rund 30 PS bei 2000 /min reichen und 70 (CB 1300) oder gar 73 Pferdestärken (X-4) nur 2000 Umdrehungen später allemal. Für die geringen Leistungsunterschiede der Motoren sind die unterschiedlichen Vergaser – CB: 34er-, X-4: 36er-Keihin – ebenso wie die unterschiedlichen Auspuffanlagen verantwortlich.
Bei der X-Eleven ist alles anders – weil sie Leistungsfähigkeit anders interpretiert. Der Youngster im Feld setzt auf Stehvermögen. Macht unter 6000/min kräftig mit, um die Schlagzahl nachdrücklich zu erhöhen, wenn die anderen nicht mehr können. Ab 6500/min liegen über 100 PS an– und es geht gerade erst los. Was dann bis knapp über 9000/min folgt, ist absolut hochprozentig. Nichts für empfindliche Mägen. Leistung, Leistung, Leistung. Bis zum Abwinken.
Um diese Leistung voll auskosten zu können, hat Honda um den 1100er ein Fahrwerk geschnitzt, das nicht nur moderner ist, sondern sich auch so fährt. Denn obwohl CB 1300 und X-4 auf dem Nachhauseweg nicht wanken und ebenfalls stramm geradeaus marschieren, ist die Gangart der X-Eleven anders. Gieriger, agiler, direkter. Lebendiger. Lässt trotz der späten Stunde keine Kurve aus, wirft sich rein, als sei es ihre letzte. Pure Lebensfreude, auch wenn der große Abstand zum Lenker und die unglücklichen Tankausbuchtungen kleinen wie großen Reitern wenig Spaß bereiten und die Federelemente feinfühliger ansprechen könnten.
Die CB 1300 gibt sich gesetzter, weicher. Schon mal ein Bogen hier, einer da, aber ein bisschen Zureden muss sein vom Fahrer in entspannter Herrenreiterposition, während die X-4 zunächst stur geradeaus läuft. Klar, sie kann auch Bögen. Richtig gut sogar, stabil sogar, auch wenn der Schräglagenfreiheit deutlich eher Grenzen gesetzt sind als bei den der Kumpanen. Aber mühseliger ist es schon, mit dem geraden, jedoch sehr schmalen Lenker und dem geringen Abstand von Sitzbank und Fußrasten. Die X-4 kann ihren Hang zur sündigen Viertelmeile nicht leugnen.
Die F 6 wohl, und zwar glaubhaft. Derartige Eskapaden traut man ihr einfach nicht zu. Genauso wenig wie übermütiges Herumtoben. Kein Wunder, bei knapp 1,70 Metern Radstand und einem Gewicht von 335 Kilogramm. Selbst der Chromprotz von Motor, der jedes andere Fahrwerk zum Anhängsel degradieren würde, wirkt in diesem Umfeld einfach nur angemessen. Und er ist es auch. So angemessen wie bei keinem Cruiser davor oder danach. Einzigartig, einfach einmalig. Weil er die Quadratur des Kreises schafft. Gelassen ist und doch immer auf dem Sprung. Klar, bei diesem Sound hätte man ahnen können, dass er mitzieht bis zum Schluss. Nicht angespornt werden muss, sondern immer und überall freigiebig nachschenkt. Weil er es sich leisten kann, mit einem Drehmoment, das praktisch ab Standgas über der magischen 100-Nm-Grenze liegt und zu Spitzenzeiten selbst die 1300er-Bären mit 134 Nm eindost.
Und weil der Sechszylinder-Boxer trotz allem nichts an Drehfreudigkeit einbüßt, bei Bedarf ruckzuck bis 7000/min dreht. Das muss aber nicht sein, denn seine Maximalleistung von 99 PS produziert der Sechser schon bei 5600/min. Einfach souverän, die F 6. Zumal sie sich auch hinsichtlich ihres Fahrwerks keine grobe Schwäche leistet. Jedenfalls nicht unter Cruiser-Maßstäben. Der Motor wirft den konstruktiven Vorteil der längslaufenden Kurbelwelle in die Waagschale, der der Dicken ein erstaunliches Handling ermöglicht. Kaum zu glauben, dass die F 6 vorne unter dem voluminösen Kotflügel einen Reifen spazierenfährt, der mit 150 Millimetern nur unwesentlich schmaler ist als das hintere 180er-Pendant. Kaum zu glauben auch, dass ausgerechnet dieser Brocken so gar nichts hat vom cruisertypischen Wankelmut, die Doppelschleife die gewaltige Distanz zwischen den beiden Rädern stabil überbrückt, die Upside-down-Gabel und die beiden Federbeine genreuntypisch straff ausgelegt sind, die Doppelscheibenbremse mit Doppelkolbensätteln richtig bremst, die Bodenfreiheit erstaunlich groß ist, kurz: die F 6 keine Probleme hat mitzuhalten, wenn die drei vor ihr das Tempo forcieren.
Im Gegenteil, es macht richtig Spaß. Einfach unspektakulär rollen lassen und dafür diesen spektakulären Schub genießen. Zurückfallen lassen, Gas aufziehen und – bruuum. Nicht, dass die F 6 in Sachen Fahrleistungen ebenbürtig wäre. Beim Topspeed verliert sie zehn km/h auf die X-4 und das Doppelte auf die CB 1300, und auch die Beschleunigungs- und Durchzugswerte liegen unter denen der beiden 1300er. Aber mit 198 km/h Höchstgeschwindigkeit und dem Spurt von null auf Hundert in 3,9 Sekunden doch deutlich über dem, was man gemeinhin von so viel Motorrad erwartet.
Von der X-Eleven erwartet man mehr. Logisch, bei einer nominellen Mehrleistung von über 40 PS und dem mit 257 Kilogramm geringsten Gewicht. Tatsächlich distanziert die Hubraumschwächste im Feld ihre Mitstreiterinnen im Spurt und in der Endgeschwindigkeit deutlich, rast hemmungslos davon. Die Boliden können nur beim Durchzug annähernd mithalten. Doch das ist – bei so einem richtigen Zug um die Häuser – wichtiger als alles andere. Weil es auf Dauer keinen Spaß macht, wie ein Großsegel im Wind zu hängen. Bei Windstärke 244 genauso wenig wie bei 198. Im ersten Fall hilft selbst die X-Eleven-Cockpitverschalung kaum noch, die bis zu 200 k/mh ihrer Aufgabe erstaunlich effektiv nachkommt.
Nicht erstaunlich ist, dass das Kombibremssystem (CBS) der X-Eleven gute Dienste leistet. Auf das automatisch mitbremsende Hinterrad muss man sich erst einstellen, dosieren lernen. Aber an der Effizienz, mit der sich die Beläge mittels dreier Kolben in die 310-Millimeter-Scheiben verbeißen, ist genauso wenig auszusetzen wie an der X 4-Anlage. Es sei denn, man kennt die Sechskolbenzangen an der CB 1300. Satte Wirkung, perfekte Dosierbarkeit. Da schrecken selbst die 276 Kilo nicht mehr. Oder das zusätzliche Gewicht eines Beifahrers. Der fühlt sich auf der CB übrigens pudelwohl. Wenn er nicht vorher auf der F 6 gesessen hat. Platz lang, eine treffliche Polsterung, genügend Beinfreiheit – und bei Bedarf eine Rückenlehne. Das passt. Ganz im Gegenteil zur X-4, die dem Sozius weder Platz für die Beine und Füße – da sind die Riesen von Schalldämpfer im Weg – noch für den . . . .Ach, lassen wir das. Der Beifahrer steigt lieber gleich auf die X-Eleven um, die in dieser Hinsicht zwar hinter F 6 und CB 1300, aber vor der X-4 liegt.
Und im Verbrauch deutlich darunter. Im Schnitt 6,3 Liter genehmigte sich der 1100er mit Einspritzung, der mit G-Kat und Sekundärluftsystem auch der sauberste ist. Die beiden 1300er liegen mit 7,2 Litern exakt gleichauf und scheren sich ebenso wenig um die Umwelt wie die F 6, die sich 7,9 Liter genehmigt. Frei nach dem alten Kneipenmotto: Wer viel Spaß will, muss viel Tanken. Hoch lebe der Hubraum. Prost.

3. Platz - Honda X-4

Das Muscle Bike unter den Kraftprotzen. Sieht schon im Stand verdammt stark aus. Allein die riesigen Schalldämpfer sind ein Genuss. Dass die X-4 mit dieser Bodybuilder-Statur kein Kurvenwiesel ist, dürfte klar sein. Dass sie trotzdem richtig gut fährt, ist umso erstaunlicher. Und dass sie immer und überall Durchzug parat hält, beinahe selbstverständlich. Also Gaaas auf – und durch.

4. Platz - Honda F-6 C

Man, wer hätte das gedacht. Da tritt ein Sumo-Ringer zum Balett an – und alle sind begeistert. Klar, in Sachen Fahrleistungen kann die Dickste unter den Dicken nicht mithalten. Aber wenn es um Ausdrucksstärke geht, liegt sie ganz weit vorn. Dieser Motor – einfach genial. Da kommt wirklich was rüber. Und obendrein funktioniert die F 6 C auch noch. Was nicht jeder Cruiser von sich behaupten darf.

1. Platz - Honda X-Eleven

Sie kam, um die Konkurrenz das Fürchten zu lehren. Und schlägt sich auch in den eigenen Reihen trefflich. Weil ihr Motor nicht nur durchzieht, sondern auch Leistung ohne Ende hat. Und ihre Fahrwerk so stabil ist. Sie lässt nichts anbrennen. Außer dieser Sitzgelegenheit. Da sollten die Honda-Ergonomen noch einmal in sich gehen. Oder sich auf alte Tugenden besinnen. Bei der CB 1300 hat es ja auch geklappt.

2. Platz - Honda CB 1300

Klasse, klasse, dieser Klassiker. Für Traditionalisten sicher die erste Wahl. Weil früher sowieso alles besser war. Und weil der Motor mit seinem satten Punch nach wie vor begeistert. Klar, er hat nicht die Leistung einer X-Eleven. Und das Fahrwerk hat auch nicht die Reserven der jungen Schwester. Aber Charakter hat die CB 1300 jede Menge. Damit zieht man gern um die Häuser.

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