Kawasaki Z 1000 im Fahrbericht
Wahnsinnsschub aus jeder Ecke

Dreckig, brutal, extrem? Das ist nichts für Leute, die selbst Omas Wackelpudding kauen. Wer das Diktat des Gewöhnlichen satt hat, sollte dringend weiterlesen: Die neue Kawasaki Z 1000 trägt das Böse im Blick.

Wahnsinnsschub aus jeder Ecke
Foto: Kawasaki

Mannomann, schon wieder so ein extravagantes Aussehen! Wenn die neue Kawasaki Z 1000 ums Eck knallt, fragt man sich zu Recht, ob der 34-jährige Chefdesigner Yu Shibuta zu viele japanische Anime-Comics geguckt hat. Die extrem tief sitzende, sehr nah an der neuen Big-Piston-Gabel angebrachte flache Lampenmaske in Kombina­tion mit dem hoch aufragenden, nun 17 ­Liter schluckenden Benzintank könnte das Ergebnis eines Unfalls mit einem Lkw sein. Das zumindest vermutet Test-Kollege Henniges und befindet sich damit in guter Gesellschaft.

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Wahnsinnsschub aus jeder Ecke
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Andererseits weiß man spätestens seit Nietzsche: Konformität ermüdet auf Dauer den Geist, lässt das Gespür für die Vielfalt sinken und die Entzückung über das Sonderbare absterben. Insofern vorab: Danke, Kawa! Diese neue Kawasaki Z 1000 geht selbstbewusst ans Werk, will kein Alltagsbike sein, das den Kanon des harmonischen Alles­könners anstrebt. Die grüne Nackte will auffallen, ein Fiesling sein, will die Konkurrenz mit dem bösesten aller Blicke niederwalzen, eine Kurve nach der anderen fressen.

Fat-Bar-Alu-Lenker liegt super in der Hand

Allerdings lässt das hohe Auftürmen des Spritfasses eine gewisse Behäbigkeit bei schnellen Richtungswechseln vermuten. Dabei war die Vorgängerin schon kein Handlingprofi. Kann die neue Kawasaki Z 1000 also überhaupt halten, was das aggressive Design suggeriert? Ein kurzer Blick auf die technischen Daten liefert Anhaltspunkte: Die Sechs-Speichen-Felgen sparen in der neuesten Generation 1,5 Kilo Gewicht ein, der Nachlauf verknappt sich um zwei, der Radstand um fünf Millimeter. Mit 65,5 Grad bleibt der Lenkkopfwinkel auf dem Niveau der Alten. Dass die Z mit 221 Kilogramm weiterhin nicht zur athletischen Spitzengruppe gehört, war zu erwarten. Denn sowohl das Chassis als auch der Motor basieren auf der Vorgängerin.

Die Sonne scheint bereits im spanischen Sevilla, und das Thermometer soll im Laufe des Tages die 17-Grad-Marke knacken. Beste Bedingungen also um loszulegen. Das erste Platznehmen überrascht, ist gar nicht so extrem, wie zunächst vermutet. Der neue Fat-Bar-Alu-Lenker liegt super in der Hand, baut weder übertrieben breit noch zu schmal. Die Füße finden im akzeptablen Kniewinkel auf den geriffelten Rasten Platz, der Hintern bettet sich auf eine recht straffe, aber keineswegs unbequeme Sitzbank in 815 Millimeter Höhe. Prima integriert und fahraktiv hockt man so auf derKawasaki Z 1000, schaut auf das hell leuchtende LCD-Cockpit und den grellen LED-Drehzahlmesser und fragt sich sofort, was die sich wohl noch alles haben einfallen lassen? Warum fungiert bis zu einer Drehzahl von 4000 Umdrehungen das LCD-Panel als Drehzahlmesser und von da an erst das LED-Laufband? Sieht stylish aus, klar. Aber macht es auch Sinn? Immerhin lassen sich beide Elemente aufgrund ihrer hohen Leuchtkraft gut ablesen.

Schon im Stand grummelt die Kawasaki Z 1000 herrlich

Der Druck aufs Knöpfchen erweckt den um 4 PS und einen Newtonmeter erstarkten Reihenvierzylinder der Kawasaki Z 1000 zum Leben. Schon im Stand grummelt es herrlich sonor und heiser aus der nur geringfügig veränderten Abgasanlage, die im rechten Endtopf eine Auspuffklappe beherbergt. Leicht lässt sich der Kupplungshebel ziehen, sachte und begleitet von einem leisen „Klack“ der erste Gang einlegen. Dann beginnt die Reise. Und zwar mit einem Eiertanz. Auf den ersten Metern über grobes Kopfsteinpflaster geht man derart unbeholfen an die Arbeit, dass man sich schämen möchte. Wie ein blutiger Anfänger macht man spontan einen Satz vorwärts, um dann erschrocken das Gas zuzudrehen und vom Motorbremsmoment eingestaucht zu werden.

Testride-Video

Mein ­lieber Scholli, hängt die Fuhre gierig am ­Kabel. Trotz der doppelt ausgeführten Drosselklappen spricht die Kawasaki Z 1000 zwar nicht hart, aber sehr direkt an. Eine Stunde be­nötigt es, bis die rechte Hand ausreichend sensibilisiert ist. Doch von da an kriegt man das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht. Dieser Wahnsinnsschub aus jeder Ecke und das gute Gefühl für den kernigen Motor lösen einen Endorphinsturm nach dem anderen aus. Damit die Synapsen ­fortwährend beglückt werden, muss der Dompteur allerdings richtig schuften.

Mit der Kawasaki Z 1000 auf Kaffeefahrt gehen, das haut nicht hin. Sie will kräftig an beiden Hörnern angefasst werden, um der vorgegebenen Linie zu folgen. Lenkt sie auf den ersten etwa 20 Grad Schräglage neutral, ja sogar spielerisch ein, wird sie ab diesem Punkt widerspenstig. Jetzt muss der Fahrer beherzt am Lenkerende drücken, damit die Flanken der Dunlops D 214, hinten im 190/50er-Format, auf Temperatur kommen. Wer nicht engagiert bei der Sache bleibt, den wuchtet die Kawa selbsttätig wieder aus der Schräglage auf. Sie ist eben ein ­Fiesling: Die Z gehorcht nicht, wenn du sie streichelst. Du musst sie biegen und brechen, ihr keine Möglichkeit bieten, dich zu kontrollieren. Das kostet zwar Aufmerksamkeit und Kraft, macht aber gehörig Spaß. Wer sich darauf einstellt, der erntet dank des Antriebs richtig flotte und dynamische Fortbewegung.

Was für ein Feuerwerk!

Der nur geringfügig modifizierte Motor der Kawasaki Z 1000 (er besitzt nun zusätzliche Verbindungskanäle zwischen den Zylindern, um Pumpverluste zu minimieren und die Drehfreude bei hohen Drehzahlen zu steigern) überzeugt bereits ab 1500 Umdrehungen mit seidenweicher Laufkultur, schiebt ab 3000 Touren bärig an und hört dann, untermalt von einem knurrigen Sound aus der neuen Airbox, einfach nicht mehr auf zu drücken und dem Fahrer die Arme lang zu ziehen. Im Gegenteil: Überschreitet der Drehzahlmesser die Grenze von 6500 Touren, werden noch mal ein paar Kohlen nachgelegt, dass man vor Freude auf die Lederjacke sabbert. Was für ein Feuerwerk, das spürbar von der kürzeren Übersetzung der ersten fünf Gänge profitiert! Dass das gesamte Motorrad ab mittleren Drehzahlen vibriert: verzeihlich!

Kawasaki
Am rechten Gabelholm der Kawasaki Z 1000 lassen sich Zug- und Druckstufendämpfung justieren.

Im spanischen Hinterland reiht sich jetzt Kurve an Kurve und leider auch Bodenwelle an Bodenwelle. Die neue voll einstellbare Big-Piston-Gabel und das Federbein sprechen wunderbar an und bewahren den Fahrer vor harten Schlägen. Dennoch bieten die Federelemente bereits im Standard-Setup eine straffe Dämpfung, was viele Reserven bei der flotten Landstraßenhatz schafft und die Kiste stabil durchs ­Geläuf zirkeln lässt.

Nur unter extremen Bedingungen neigt das Chassis bei aufeinanderfolgenden Bodenwellen zur Nervosität. Durch die straffe Dämpfung federn die Fahrwerkselemente mitunter zu langsam aus und hängen somit noch tief in der Progression, wenn die nächste Bodenwelle folgt. Mit etwas Feintuning lässt sich diese Eigenheit aber sicherlich minimieren oder gar abstellen.

Anerkennung verdienen sich wiederum die Festkolben-Sättel der vorderen Bremsen und das neue Bosch-ABS. Satte Verzögerung trifft hier auf feine Regelintervalle. Nur eine Stoppie-Neigung lässt sich nicht ganz leugnen. Aber böse Buben können damit sicher umgehen. Für 12.195 Euro steht die neue Kawasaki Z 1000 ab Januar beim Händler.

Technische Daten

Kawasaki
Kawasaki Z 1000.

Motor: Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine Ausgleichswelle, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 38 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine, Batterie 12 V, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 43:15. Bohrung x Hub 77,0 x 56,0 mm, Hubraum 1043 cm³, Verdichtungsverhältnis 11,8:1, Nennleistung 104,5 kW (142 PS) bei 10.000/min, Max. Drehmoment 111 Nm bei 7300/min

Fahrwerk: Rückgratrahmen aus Aluminium, Motor mittragend, Upside-down-Gabel, Ø 41 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein, liegend, mit Hebelsystem, verstellbare Feder­basis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 310 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 250 mm, Einkolben-Schwimmsattel, ABS, Alu-Gussräder3.50 x 17; 6.00 x 17, Reifen 120/70 ZR 17; 190/50 ZR 17

Maße+Gewichte: Radstand 1435 mm, Lenkkopfwinkel 65,5 Grad, Nachlauf 101 mm, Federweg v/h 120/122 mm, Sitzhöhe 815 mm, Leergewicht 221 kg, Tank­inhalt 17,0 Liter.

Garantie: zwei Jahre

Farben: Schwarz, Orange/Schwarz, Grün/Grau*

Preis: 12.195 Euro, Nebenkosten: zirka 180 Euro

Was ist neu?

  • Der Motor drückt dank neuen Mappings, Reduzierung von Pumpverlusten, ovaler Interferenzrohre zwischen den Krümmern und veränderter Einlassnocken 4 PS und 1 Nm mehr.
  • Modifizierte Airbox und vergrößerte Kanalführung der Frischluftzufuhr.
  • Die ersten fünf Gänge sind kürzer übersetzt, der sechste blieb gleich.
  • Die Big-Piston-Fork ist komplett neu
  • Der Tankinhalt wuchs um zwei auf 17 Liter.
  • Monoblock-Bremszangen, größere Bremsscheiben, aktuelles Bosch-ABS.
  • Die Felgen sind 1,5 Kilo leichter.
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MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023