Für Kawasaki läuft es gerade ziemlich rund. Von Januar bis Oktober dieses Jahres setzten die Grünen aus Akashi in Deutschland 12.615 Motorräder ab, womit man aktuell Honda als nach Stückzahlen erfolgreichsten japanischen Hersteller ablöste. Garanten des Erfolgs? Hinter der weiterhin sehr gefragten Z 900 sowie ihren zwischenzeitlich vergriffenen RS-Retroschwestern zwei starke 650er-Mittelklässler. 2.786 Kawasaki Z 650 rollten im genannten Zeitraum von den Höfen der Händler, dazu addieren sich noch einmal 1.111 Stück der eng verwandten Sporttourer-Schwester Ninja 650. Das kleine Sugomi-Naked ist das viertbestverkaufte Motorrad Deutschlands – hinter R 1200 GS, MT-07 (3.105 Stück), Z 900 (3.026 Stück), noch vor Africa Twin, KTM 790 Duke und Yamaha MT-09. Hätten Sie’s geahnt? Anlass, die Z 650 im zweiten Produktionsjahr noch einmal zu begutachten. Warum mag gerade ein solches Motorrad so viel Anklang finden? Nach einer Woche „Leben mit Z 650“ – keine Pylonen, aber viel Alltag, viel Landstraße – schälen sich drei Thesen zur Erklärung heraus.
Drei Thesen für den Erfolg der Z 650
Erstens: Die Z 650 bietet absolut reellen Gegenwert. Für erschwingliche 6.695 Euro erhält König Kunde einen solide gemachten schnörkellosen Zweizylinder-Roadster, bei dem die Eckdaten durchweg stimmen. Mit 68 PS Leistung und 66 Newtonmeter Drehmoment wirbt Kawasaki, und genau diese Werte bestätigt der Prüfstand. Dank des ansehnlich filigranen Stahl-Gitterrohrrahmens, der den Brückenrahmen der ER-6 ersetzt, und weiterer Diätmaßnahmen vornehmlich an Schwinge und Rädern, sparte man zur Vorgängerin zudem erhebliche 20 Kilo Gewicht ein. 188 Kilo fahrfertig sind in dieser Klasse ein erfreulicher Wert. Schließlich verfügt die Z 650 mit 300-mm-Doppelscheiben-Bremsanlage, Umlenkhebel zwischen Federbein und Schwinge und modernem Bosch-ABS über eine in dieser Klasse gute Ausstattung.

Zweitens: Die Z 650 gibt sich in jeglicher Hinsicht zugänglich. Das bezieht sich in erster Linie auf ihre Ergonomie, umfasst aber einige weitere Posten. Zunächst wäre da die einsteigerfreundliche Sitzhöhe von gerade einmal 785 Millimetern, welche zudem mit einer schön schmalen Taille einhergeht. So ergibt sich eine äußerst kurze Schrittbogenlänge – gut für Kleinere, Kleinste, (Wieder-)Einsteiger oder einfach alle, die unter allen Umständen festen Stand schätzen. Dann baut die Z 650 insgesamt kompakt und eher niedrig, integriert Fahrer und -innen aber angenehm hinter einem kurzen, etwas höher aufragenden Tank, auf straffem, doch bequemem Polster. Der Lenker fällt nicht besonders breit aus, dirigiert mit seiner moderat sportiven Kröpfung in eine unverkrampft fahraktive Haltung. Dank breitem Lenkeinschlag gelingt Schieben, Rangieren und zähes Stadtgeschlängel mit größter Leichtigkeit, gar Vergnüglichkeit. Ausreichend große Spiegel bieten gute Rundumsicht, einstellbare Hebel für Kupplung und Bremse komplettieren das Bild. Keine der Schnittstellen zwischen Fahrer und Motorrad hält Stolperfallen parat: Die servounterstützte Kupplung ist leichtgängig und präzise, die Zahnräder im Sechsganggetriebe finden butterweich und in kurzen Schaltwegen zueinander. Spontan, aber wohlgesonnen, geschmeidig und mit dem richtigen Maß an Schwungmasse versehen, setzt der Antrieb Gasbefehle um. Ein weiteres von zahlreichen kleinen Indizien: Der Tank der Z 650 lässt sich ohne Sudelei und ohne Engelsgeduld zur Gänze mit Kraftstoff füllen. Ein Randaspekt im doppelten Wortsinn, zugegeben, und spätestens an dieser Stelle mag der eine oder andere schmunzeln. Andererseits ist so etwas leider keine Selbstverständlichkeit, wie die Fahrer manch exotischen Geräts an dieser Stelle eingestehen werden. Menschenfreundlichkeit als konsequent durchgezogenes Grundprinzip mag weniger sexy sein als ein Feuer spuckender V4 mit 215 PS – doch es macht die Z 650 auf ihre Art ausnehmend sympathisch.

Drittens, nicht letztens: Die Z 650 findet eine große Schnittmenge zwischen Alltag und Fahrspaß. Dass ein solches Motorrad aufgrund der genannten Eigenschaften auf dem Weg ins Büro/zur Uni/in den Biergarten keine Fragezeichen aufwirft, leuchtet unmittelbar ein. So finden sich im Leben mit einer Z 650 mehr und mehr Gelegenheiten, für die man einfach mal schnell das Motorrad nimmt – statt sonst, Gott bewahre, das Fahrrad. Dieser Befund sei um den Verbrauch ergänzt: Im Normalbetrieb begnügt sich der Reihenzweizylinder mit rund vier Litern pro 100 Kilometer, sodass bei einem Spritvorrat von 15 Litern immer mindestens 300 Kilometer machbar sind, in der Regel mehr. Überdies wählten die Kawasaki-Ingenieure eine komfortbetonte Abstimmung für Gabel und Federbein, dank derer die Z 650 selbst auf Kopfsteinpflaster einen angenehmen Grundkomfort behält.
Stärken der Kawasaki Z 650
Was dann schon eher überrascht und worin die eigentliche Stärke der Allzweck-Zett liegt: Diese allgemeine Gutmütigkeit, die sich eben auch auf das Fahrwerk erstreckt, tut dem Fahrvergnügen im Spaßbetrieb auf der Landstraße keinen Abbruch. Ursächlich hierfür sind ein gelungener Fahrwerkskompromiss, im besten Sinne klaglose Funktion sämtlicher Komponenten, das drastisch gesunkene Fahrzeuggewicht und schließlich eine angenehm kurze Gesamtübersetzung. Zunächst offenbart der Blick auf die Eckdaten des Chassis wenig Außergewöhnliches; 1.410 Millimeter Radstand, 100 Millimeter Nachlauf, 65,5 Grad Lenkkopfwinkel. Knackig, aber nicht extrem. So klassenüblich wie die Tatsache, dass außer der Federvorspannung keinerlei Einstellmöglichkeiten existieren. Schön, dass die Z 650 dennoch den flotten Strich verträgt. Weich zwar, vorne wie hinten leicht unterdämpft, aber keinesfalls überfordert fahrwerkt die Zett. Wippt zwar merklich über Wellen, bleibt aber insgesamt bis in hohe Tempi gefasst.

Flink, doch nicht nervös gibt sie sich am Kurveneingang, gleitet mit verlässlicher Neutralität in Schräglagen, wo sie recht stabil liegt und wo die Reserven dank der weit oben liegenden Rasten schier endlos sind. Aufstellmoment? Kaum auffindbar. Nicht nur bestens dosierbar, sondern auch hinreichend kräftig packt die Bremse, das ABS regelt fein und ausschließlich dann, wenn es wirklich nötig ist. Natürlich könnte ein Heißsporn eine Z 650 gegen ihren erklärten Willen überfahren – dafür müsste er aber ganz arg fest am Kabel zupfen.
Auch reicht die Kraft des Motors für vergnügliche bis fixe Überlandpartien allemal. Verglichen mit der ER-6 steigt der Reihentwin mit seiner bewusst gewählten Unten-Mitte-Abstimmung schon ab 3.000 Umdrehungen präsent ein, entfaltet sich nicht nur geschmeidig, sondern höchst linear. Nur auf den sprudelnden Eifer der Klassenbesten bleibt der konventionell aufgebaute 180-Grad-Gegenläufer ein Quäntchen schuldig. Womöglich auch auf deren Charakter, wobei Letzteres als Geschmacksfrage subjektiv zu verbuchen ist. Geht es um die reine Sause, fehlt dem 650er jedenfalls ganz oben, ab 8.000 Umdrehungen, ein wenig die Lust. Hier zahlt er den Preis der drehmomentorientierten Auslegung mittels kleinerer Drosselklappendurchmesser und zahmerer Steuerzeiten. Das allerdings kaschiert eine kurze Sekundärübersetzung recht geschickt. Die stört prinzipiell nicht, ermöglicht im Gegenzug aber beachtliche Beschleunigungs- und Durchzugswerte. Insgesamt und unterm Strich sei es so zusammengefasst: Die Z 650 vollbringt einen gekonnten Spagat zwischen mackenfreier, leichter Beherrschbarkeit, großer Sicherheit und beachtlichem Vergnügungspotenzial. Und das ausdrücklich für alle – nicht nur Einsteiger.
Welche Schwächen hat die Kawa?
Kritikwürdiges? Findet sich natürlich, allerdings eher in den Randbezirken. Etwa fällt der Soziuskomfort wirklich mau aus, selbst für eine Maschine dieser Klasse. Kurz baut die Sitzbank, fällt steil nach vorne ab, zu hoch ruhen die Füße in Reihe zwei. Dann wird wegen der speziellen Ergonomie mit niedriger Sitzhöhe, aber hohen Rasten längeren Fahrern der Kniewinkel auf Dauer etwas spitz ausfallen. Ein Manko, welches mit einer hohen Sitzbank aus dem Kawasaki-Zubehör (160 Euro) schnell behoben wäre. Der Motor läuft sich nach dem Kaltstart lange mit erhöhter Leerlaufdrehzahl warm.

Ein Kawasaki-Phänomen, wie die etwas kurzen 6000er-Serviceintervalle. Im Übrigen vibriert er. Nicht überbordend hochfrequent oder nervig, aber eben ausgeprägt, besonders im Schiebebetrieb. Schließlich die Erstbereifung: Der aufgezogene Dunlop D 214 geht in Ordnung, mehr aber nicht. Achtbar haftet der Pneu im Trockenen, meldet akzeptabel zurück, fühlt sich insgesamt jedoch wenig frisch an. Und genießt in Sachen Nassgrip zudem keinen überragenden Ruf. Andersherum betrachtet, wäre die Z 650 nur einen Satz richtig schöner Gummis weit entfernt von noch mehr Fahrspaß. Das wär’s auch schon. Überschaubare Kritikpunkte, auch keine allzu handfesten. Erst recht, wenn man sich noch einmal den Einstandspreis in Erinnerung ruft: 6.695 Euro. Und schon wurde klar, warum die Z 650 nicht zufällig zu den bestverkauften Motorrädern der Republik gehört.
Fazit: eine Z für alle und für alle Fälle
Gern spricht man an dieser Stelle über exotische Maschinen das Urteil vom guten Zweit-, Dritt- oder gar Viertmotorrad. Diesmal ist es anders: Bei der Z 650 handelt es sich um ein prima Erstmotorrad. Praktisch und genügsam im Alltag, vergnüglich auf der Landstraße. Zugänglich für Neulinge, fetzig für Fortgeschrittene. Schließlich erschwinglich. Eben eine Z für alle und für alle Fälle.