Kawasaki Z H2 im Fahrbericht: Nackte Gewalt

Kawasaki Z H2 im Fahrbericht Nackt und gewaltig

Kawasaki und Kompressor, das steht für Motorpower pur. Nach dem Speedbike H2 und dem Sporttourer H2 SX folgt nun das erste Naked-Bike von Kawasaki mit einem aufgeladenen, 200 PS starken Antrieb – die Z H2. Was so viele Pferde mit einem Naked-Bike machen? Motorrad hat es rund um Las Vegas ausprobiert.

Kawasaki Z H2 Fahrbericht Kawasaki
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Kawasaki Z H2 Fahrbericht 7 Bilder

Ja, diese Leistungsangabe. 200 Pferdestärken. In einem Naked-Bike mit breiter Lenkstange. Das klingt schon auf dem Papier nach schierem Wahnsinn. Klar mobilisieren mittlerweile auch einige andere Power-Nakeds eine ähnliche Urgewalt, bei den H2-Modellen von Kawasaki entwickelt sie sich aber anders, weil der direkt angetriebene Kompressor eben immer jede Menge Luft für die Verbrennung im 998 Kubik großen Motor zur Verfügung stellt. So muss der trotz Aufladung mit 11,2 zu 1 gar nicht so niedrig verdichtete Vierzylinder nur mit 11.000 Touren drehen, um seinen Leistungszenit von 200 PS zu erreichen. Die ebenfalls beachtlichen 137 Nm liegen sogar schon bei 8.500 Umdrehungen an.

Im Großen und Ganzen hat Kawasaki dabei bei der neuen Z H2 auf die Motorbasis der H2 SX zurückgegriffen, die Übersetzung der einzelnen Gänge fällt komplett gleich aus. Nur bei der Sekundärübersetzung hat man dem Naked-Bike mit 46 Zähnen ein um zwei Zähne größeres Kettenblatt als dem Sporttourer spendiert, die Spurt- und Durchzugspotenz also noch einmal nachgeschärft.

Erstkontakt auf der Rennstrecke

Ob das bei einem Motorrad mit hohem Lenker und aufrechter Sitzposition ohne allzu große Last auf dem Vorderrad eine gute Idee oder einfach nur gaga ist? Die Motoren der Bikes bei der Präsentation in Las Vegas laufen schon, es wird Zeit, genau das herauszufinden.

Kawasaki Z H2 Fahrbericht
Kawasaki

Für den ersten Kontakt hat Kawasaki dazu den „Outside Race Course“ gewählt, eine 3,9 Kilometer lange Rennstrecke direkt neben dem Las Vegas Speedway Oval. Schon beim Einrollen fällt auf, wie handzahm und vibrationsfrei der Motor bei niedrigen Drehzahlen am Gas hängt. Das bleibt in allen Fahrmodi, von den es vier gibt – Sport, Road, Rain und Rider – sowie in den beiden Powermodi full und low so. Schon vermeldet das gut ablesbare TFT-Cockpit die passende Kühlwasser-Temperatur, Zeit, die Drehzahlen zu steigern. Dabei wird der Inline-Four zwar nicht von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde, sein Temperament ändert sich aber maßgeblich. Beim vollen Beschleunigen will selbst im dritten Gang das Vorderrad gen Himmel steigen. Dieser Druck imponiert. Allerdings reagiert der Motor beim vollen Ausquetschen des Drehzahlbands zumindest in den unteren Gängen nun auch spürbar nervöser auf Gasbefehle. Gerade, wenn vor einer Kurve per Blipper die Gänge ohne Griff zum Kupplungshebel nach unten gesteppt werden, der Motor für den passenden Kurvenspeed mitbremsen soll, und das Wastegate zwitschernd den Überdruck ins Freie entlässt, ruckt es beim erneuten Öffnen der 40er-Drosselklappen schon mal leicht.

Eher sportlicher Tourer als Racer

Dann lieber einen Gang höher durch die Kurven stechen. Das bringt weniger Unruhe in die Gasannahme, ohne wirklich langsamer zu sein. Zudem baut der Kompressor-Motor schon ab mittleren Drehzahlen immer noch mehr als genug Druck auf. Und mal ganz ehrlich: Ein Racebike will die Z H2 gar nicht sein. Eher ein sehr potentes, für Sport und Tour ausgelegtes Naked Bike. Gerade letzteren Aspekt unterstützt die Sitzposition wirkungsvoll. Der Abstand zwischen der bequemen Bank und den Fußrasten taugt selbst Großgewachsenen problemlos. Hinzu kommt, dass sich der vor den Holmen der Showa Big Piston-Gabel angebaute Lenker hoch und weit nach hinten streckt. In Summe sorgt das für ein sehr lässiges, kommodes Sitzarrangement.

So werden auch Rumpeläcker, die sie in den USA Straße getauft haben, und die nach der Rennstrecke auf dem Programm standen, lässig gemeistert. Was auch daran liegt, dass die voll einstellbare Showa-Gabel der Bikes bei der Pressevorstellung ohne Losbrechmoment arbeitet, kleine Unebenheiten wirkungsvoll vom Fahrer fernhält. Der hintere Dämpfer – ebenfalls von Showa und voll einstellbar – bekommt das nicht ganz so fein hin.

Stabiles Fahrwerk

Wie auf der Rennstrecke sorgt bei der Z H2 auch auf den Straßen von Nevada eine Bosch-IMU als elektronisches Hirn der Fahrassistenzsysteme dafür, dass ABS und TC immer möglichst nah am Optimum arbeiten. Bei der Traktionskontrolle kann der Z H2-Pilot im Rider-Mode noch selbst bestimmen, in welcher Stufe von eins bis drei er unterwegs sein möchte. Auch das komplette Deaktivieren der TC ist möglich. Fürs ABS gilt das nicht, Einstell-Option gibt es nicht. Dank 6-Achsen-Sensorik arbeiten beide Systeme schräglagenabhängig.

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Während die Kombination aus Nissin-Radialpumpe und Brembo-Radialzangen bei der Landstraßenrunde nicht gefordert werden konnte, drängten sich die Stopper in den beiden härtesten Bremszonen des Racetracks, die mit Wellen gespickt waren, schon das ein oder andere Mal in den Vordergrund. Gefühlt recht früh schritt das ABS ein, kappte die Bremsleistung und irritierte mit recht langen Regelintervallen, wodurch der Einlenkpunkt schon mal verpasst wurde. Ob das beim Landstraßensurfen auch auftritt oder nur dem Test auf der Rennstrecke geschuldet ist, muss ein späterer Test mit der Z H2 klären. Positiv dabei: Trotz Ankern am Limit lag die Kompressor-Nackte stabil auf der Bahn, blieb das Hinterrad immer unten.

Gewicht gut kaschiert

Wobei die Z H2 ansonsten auf dem Track sowie auf der Landstraße eine gute Figur abgegeben hat. Obwohl laut Kawasaki vollgetankt 239 Kilogramm schwer, biegt sie lässig auf ihren Pirelli Rosso 3 in Sonderspezifikation in Ecken ein, gibt sich ausgewogen und handlich. Auf der Rennstrecke kann die Kompressor-Kawa ihr Gewicht zwar nicht ganz verstecken – sie drängt in ganz engen Kurven schon ein wenig nach außen, braucht Engagement, damit der Radius passt – auf der Landstraße fällt das aber weit weniger auf.

Wobei all diese Eigenschaften jetzt sowieso zweitrangig werden. Nun geht’s nur noch ums volle Durchladen, um Mut, Verwegenheit: Das Las Vergas Speedway Oval steht auf dem Programm. Dessen Steilkurven recken sich mit einer Fahrbahnneigung von 20 Grad Richtung Himmel. Hier, wo sonst Nascars um Pokale fighten, darf der Kompressor der Z H2 noch einmal richtig viel Luft in den Motor pumpen. Mit guter Geradeauslaufstabilität fliegt die Z H2 um den triangelförmigen Kurs. Vollkommen gaga, aber leider auch ziemlich geil, diese Kompressor-Nackte!

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