Eins muss man den KTM-Modellplanern lassen: ihr Gespür, Nischen mit passgenauen Modellen zu besetzen. Gutes Beispiel: die Duke. Seit 22 Jahren feilen die Modellplaner nun an der ungewöhnlichen Mixtur aus Fun-, Supermoto- und Naked Bike, bliesen den Einzylinder in dieser Zeit von 620 auf 690 cm³ Hubraum auf, päppelten ihn von zunächst 50 auf zuletzt 70 PS hoch und verpassten dem Spaßmobil mit jedem Modellwechsel eine modifizierte, zeitgeistige Optik.
Und nun? Steht sie da, die neue KTM 690 Duke – und sieht genauso aus wie die alte. Oder fast. Nur die filigraneren Gussräder, das TFT-Display, die Bedienknöpfe für den Bordcomputer und die schmaler geschnittene Fahrersitzbank deuten auf die Arbeiten an der KTM 690 Duke 5 – wie das Spaßmobil nach der fünften Überarbeitung firmiert – schüchtern hin.
Dabei hätte die KTM 690 Duke allen Grund, stolz zu sein. Denn um die Laufkultur zu verbessern, erhielt der große Pott einen 4,5 Millimeter kürzeren Hub (bei drei Millimeter erhöhter Bohrung und auf 693 cm³ nur marginal vergrößertem Hubraum) sowie eine zweite Ausgleichswelle. Ganz einfach zu lösen war vor allem letztere Aufgabe nicht. Denn der Platz im kompakt bauenden Motorgehäuse ist ausgereizt. Weshalb der vibrationsdämpfende Neuankömmling im Zylinderkopf Unterschlupf fand. Dort wanderte die Nockenwelle aus der Mitte über die Einlassventile, betätigt diese nun über Schlepphebel direkt und die Auslassventile über einen Gabelkipphebel. Das schafft Platz für die von der Steuerkette angetriebene Ausgleichswelle (siehe Foto). Die Integration des neuen Mitbewohners gelang so raumsparend, dass das Ensemble unter den vom bisherigen Modell unverändert übernommenen Zylinderkopfdeckel passt. Nebenbei bemerkt: Honda verwendet diese kompakt bauende Technik – allerdings ohne die Ausgleichswelle – unter der Bezeichnung Unicam bei der VFR 1200 F, den Motocrossern und nun auch in der neuen Africa Twin.
Neuer Zylinderkopf der KTM 690 Duke

Bereits auf den ersten Metern mit der neuen KTM 690 Duke wird klar: Im Herzogtum ist eine neue Ära angebrochen. Hackte der Single bislang unter 3000 Touren immer noch unwirsch auf die Kette ein, glättet nun eine imaginäre Hand das Gezupfe, lässt den dicken Pott im Bummeltempo so kultiviert drehen wie noch nie zuvor. Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Den grundsätzlich unrunden Lauf eines derart mächtigen Eintopfs können weder die bereits beim 2012er-Modell eingeführte Doppelzündung und elektronische Motorsteuerung (Ride-by-Wire) noch der nun reduzierte Hub und die Ausgleichswelle eliminieren. Doch drängt er sich in der Gefühlswelt des Duke-Treibers nicht mehr in den Vordergrund, sondern wird von dem Auftritt, den der neu konfigurierte Single oberhalb der 3000er-Marke inszeniert, überlagert.
Als hätte der Eintopf der KTM 690 Duke bei der Überarbeitung kiloweise Schwungmasse von sich geworfen, legt er los. Spontan spricht er auf den kleinsten Dreh am Gasgriff an, schnalzt so forsch und mechanisch frei laufend durchs Drehzahlband, als hätten die Ingenieure eine Kanne Teflon ins Motorgehäuse gekippt. Keine Sekunde erinnert man sich an die Zeit, als die Vibrationen schon bei 6000 Touren penetrant ans Hochschalten erinnerten. Diese Marke lässt der – auch durch den von 46 auf 50 Millimeter vergrößerten Ansaugquerschnitt – drehzahlorientierter ausgelegte Neue achtlos links liegen, ja animiert förmlich dazu, ihn drehen zu lassen. Wer will, kann den nun vergleichsweise moderat kribbelnden Eintopf bis zur von 8400 auf 9000 Touren angehobenen Drehzahlgrenze hochjubeln, den zusätzlichen Punch (73 PS statt 70 PS) goutieren. Muss er aber nicht. Der satte Druck, die beschwingte Spritzigkeit, die verbesserten Manieren, mit all dem brilliert der Treibsatz nun permanent und toppt das Ganze mit dem in der Praxis nahezu doppelt so breiten nutzbaren Drehzahlband. Respekt.
Erst recht, weil es die Österreicher obendrein schafften, diesen formidablen Auftritt trotz Euro-4-Homologation mit einer satten, nicht zu lauten Klangkulisse zu unterlegen. Das frühere blecherne Scheppern aus dem Edelstahlschalldämpfer der KTM 690 Duke ist jedenfalls passé.
Je enger der Slalom, desto besser
Insofern ist es für den euphorisierten Treiber der neuen KTM 690 Duke nicht einfach, die Sinne wieder auf das Profane im Landstraßen-Dasein zu lenken. Denn auch vom neuen TFT-Display wird er begeistert sein. Glatt geschliffene Tablet-Oberfläche, Tag- und Nachtmodus, bei allen Lichtverhältnissen gut ablesbar und noch vom Lenker aus zu bedienen – prima. Gehobenes Mäusekino gibt’s allerdings nur gegen Aufpreis: 299 Euro kostet das Track Pack, das zwei zusätzliche Fahrmodi (Rain, Sport), die Traktionskontrolle sowie eine Motorschleppmoment-Regelung (MSR) aktiviert. Während die Standgasanhebung, zumindest im Schiebebetrieb, die guten Manieren des Motors wohl mitverantwortet, befriedigen die Fahrmodi der neuen KTM 690 Duke eher den Spieltrieb. Schnell wechselt man vom arg verhaltenen Antritt in der Rain-Abstimmung in die Street- oder Sport-Fahrstufe, die sich wiederum nur wenig voneinander unterscheiden. Zur Traktionskontrolle: praxisnah abgestimmter Eingriff, sanfte Regelung, klasse. Das ABS ebenfalls. Selbst auf abschüssiger und holpriger Landstraße bleibt das Heck bei der beherzten Gewaltbremsung sicher am Boden. Wer möchte – und kann –, darf für den artgerechten Auftritt das Hinterrad-ABS sogar deaktivieren und die Kehren in Supermoto-Manier quer anbremsen.
Stichwort Supermoto. 149 Kilogramm trocken gibt KTM an, fluffige 164 Kilo vollgetankt wog MOTORRAD beim letztjährigen, in etwa gleich schweren Modell. Noch Fragen? Zusammenbremsen, abwinkeln und wieder aufrichten. Kaum gedacht, schon gemacht. Je enger der Slalom, desto mehr wirft die neue KTM 690 Duke diese für einen Single typische Leichtigkeit des Seins in die Waagschale – um beim Highspeed-Eckenwetz letztlich doch an ihre Grenzen zu stoßen. Während der nur in der Federvorspannung justierbare Monoshock noch akzeptabel abgestimmt ist, taucht die Gabel beim sportlichen Bremsen viel zu tief ein, bringt Unruhe in die Front, verhagelt regelmäßig die Linie. Nachjustieren ist an der nicht einstellbaren Gabel mit Bordmitteln nicht möglich. Im direkten Vergleich mit der immerhin 1900 Euro teureren KTM 690 Duke R (siehe letzte Seite) trennen die Federelemente jedenfalls Welten. Wie auch die Vorderradbremse. Vergleichsweise matschiger Druckpunkt und recht hohe Handkraft – wieder wird der Blick neidvoll zur mit Monoblock-Stoppern ausgestatteten R-Version wandern.
Subtile Verkaufsförderung oder nicht, die Laune muss sich der Duke-Pilot dadurch sicher nicht verderben lassen. Denn allein mit dem in allen Aspekten so brillant weiterentwickelten Motor hat die neue KTM 690 Duke einen der größten Entwicklungsschritte in ihrer Historie gemacht. Die Einzylinder-Fangemeinde sollte in ihrer Nische schon mal Platz schaffen. Wahrscheinlich wird es bald neue Single-Fans geben.
Was ist neu?

Motor
●4,5 mm geringerer Hub (Bohrung/Hub 105 x 80 mm statt 102 x 84,5 mm)
●Spitzenleistung von 70 auf 73 PS erhöht
●Zweite Ausgleichswelle
●Ventiltrieb geändert (die Nockenwelle betätigt die Einlassventile über Schlepphebel direkt und die Auslassventile über einen Gabelkipphebel)
●Resonanzkammer im Ansaugtrakt für homogeneren Gasfluss
●Ansaugquerschnitt von 46 auf 50 mm vergrößert
●Drehzahllimit von 8400/min auf 9000/min erhöht
●Sekundärluftsystem
Fahrwerk
●Gabeloffset von 32 auf 28 mm reduziert
●Nachlauf von 115 auf 122 mm erhöht
Sonstiges
●TFT-Display
●Schaltereinheit links beleuchtet
●Sitzbank schmaler
●Drei Fahrmodi, Motorschleppmoment-Regelung und Traktionskontrolle (nur als Sonderausstattung)
●Preis: 8395 Euro (bisher: 7895 Euro)
690 Duke R vs. 690 Duke


Eine Blindverkostung würde die R-Version der 690 Duke auf Anhieb bestehen. Mit flacherem Lenker und 60 mm nach hinten sowie 45 mm nach oben versetzten Fußrasten zeigt schon die Sitzprobe, wohin die Reise mit der KTM 690 Duke R geht: auf die Rennpiste oder zumindest zum verschärften Eckenwetz auf die Hausstrecke. Passend dazu: die voll einstellbaren Federelemente von WP Suspension mit 15 mm längeren Federwegen, die durch den Akrapovic-Schalldämpfer von 73 auf 75 PS gestiegene Leistung, Radialbremspumpe sowie Monoblock-Bremssattel und natürlich die volle Elektronik-Packung mit schräglagenabhängiger Traktionskontrolle, Kurven-ABS, Motorschleppmoment-Regelung und drei Fahrmodi.
Unterschied zwischen R und Basis ist enorm
Und was bringt’s? Machen wir’s kurz. Der Unterschied zwischen KTM 690 Duke und KTM 690 Duke R ist enorm. Am frappantesten fällt er bei der Federung aus. Vor allem die Gabel brilliert. Sie hält die Front fühlbar besser unter Kontrolle, verbessert die Lenkpräzision enorm. Insgesamt wirkt die R-Version durch die höherwertigen Federelemente besser ausbalanciert. Auch die vordere Bremsanlage zeigt sich um Längen überlegen, überzeugt mit definiertem Druckpunkt und reduzierter, wenn auch nicht extrem niedriger Handkraft. Die Sitzposition fällt trotz sportlichen Touchs noch kommod aus und taugt mit moderatem Kniewinkel auch für die Sonntagstour. Ob die aufwendige Elektronik die KTM 690 Duke R in Extremsituationen wirklich effizienter oder sicherer macht, wird demnächst ein Vergleichstest klären.
Fazit: Die KTM 690 Duke R ist der Standard-Duke in jeder Beziehung überlegen. Allerdings auch im Preis. Mit 10.295 Euro plus Nebenkosten liegt der Edel-Single stattliche 1900 Euro über dem Tarif der Basisversion der KTM 690 Duke. Trotzdem: Wer Duke sagt, sollte auch R sagen.
Technische Daten KTM 690 Duke
