Der Motor springt an. So sagt man bei uns, und jeder versteht es. Doch bei der KTM 790 Duke muss es heißen: Der Motor springt mich an. Dieser Satz ist selbstverständlich nicht wörtlich zu nehmen, beschreibt im übertragenen Sinn aber treffend, was passiert, wenn einem die ersten Zündungen in die Ohren ballern. Unwiderstehlich fordert, erhält und behält der neue Reihenzweizylinder von KTM die Aufmerksamkeit des Fahrers. Das ist zunächst ein rein akustisches Phänomen; Rhythmus und Auspuffton lassen keine anderen Eindrücke neben sich aufkommen. Dank eines Hubzapfenversatzes von 75 Grad klingt der Reihenmotor wie die großen V2 von KTM, entwickelt den gleichen betörenden „Groove“.
Motor der KTM 790 Duke eine Wucht
Hörgenuss bleibt nicht die einzige Attraktion, die der Antrieb der KTM 790 Duke zu bieten hat. Wie er beim Fahren anreißt, hochdreht, dem Leistungsgipfel entgegenschnalzt, begleitet von einer anschwellenden Klangwoge, hat etwas Elektrisierendes. Man möchte es wieder und wieder erleben und vergisst dabei völlig, dass es „nur“ ein Mittelklassemotor ist, der einen vorantreibt. Als weitere Zutaten zu diesem Erlebnispaket spielen die geringe Schwungmasse und die reaktionsschnelle Drosselklappensteuerung eine wichtige Rolle. Die Klappen werden von einem Stellmotor auf der linken Seite des Drosselklappenkörpers betätigt, doch es fühlt sich selbst im relativ zahm ansprechenden „Street“-Modus so an, als hingen sie direkt am Gasgriff. An einem sehr leichtgängigen Gasgriff.

In manchen Situationen können einem diese Leichtgängigkeit und die spontanen Reaktionen darauf lästig fallen. Zum Beispiel dann, wenn man nicht auf freier Strecke der Lust am sportlichen Fahren frönen kann, sondern genötigt ist, auf verstopften Straßen in eine Großstadt einzusickern. Hier kann der Antrieb der KTM 790 Duke ähnlich irritieren, wie jemand, den man leise beim Namen nennt, der aber dann sofort aufspringt und mit überlauter Stimme fragt: „Was?“
Restreichweitenanzeige keine große Hilfe
Erst ab etwa 3.500/min und nur mit großer Disziplin am Gasgriff gelingt es einigermaßen, ein ausgeprägtes Konstantfahrruckeln zu unterbinden. Und nur mit viel Umsicht und Entschlossenheit kann der Fahrer auf einer unbekannten, kurvenreichen Strecke überflüssige Lastwechsel vermeiden, die ihm seinen Rhythmus und eine flüssige Linie verderben. Das ist alles zu schaffen, keine Frage, und es ist ja auch nur die andere Seite eines faszinierenden Temperaments. Motorradfahrer, die sich für die KTM 790 Duke interessieren, sollten aber wissen, worauf sie sich einlassen, was sie einbringen müssen, um ihr Fahrspaßpotenzial auszuschöpfen, und wo sie kleine Lästigkeiten einfach hinnehmen müssen. Abgesehen vom hackenden Motorlauf bei niedrigen Drehzahlen und dem erwähnten Konstantfahrruckeln läuft der Reihentwin dank der beiden Ausgleichswellen sehr kultiviert. Wie hoch entwickelt er ist, lässt sich auch an seinem gemäßigten Benzindurst ablesen. Die Verbrauchsrunde absolvierte er mit genau vier Liter Super auf 100 Kilometer. Trotz des nicht gerade üppig bemessenen 14-Liter-Tanks kommt man theoretisch 350 Kilometer weit, und selbst wenn das Temperament des Fahrers und dasjenige des Motors sich gegenseitig hochschaukeln, reicht es immer noch für satt über 200 Kilometer.

Bei der Planung des nächsten Tankstopps ist die Restreichweitenanzeige keine Hilfe. Sie rechnet zu langsam und kennt kein Zurück. Nach rund 20 Kilometern Vollgas auf einer abendlich leeren Autobahn fiel die prognostizierte Restreichweite auf einen Schlag von 110 auf 70 Kilometer, zuvor hatte sie sich alle fünf Kilometer um zehn Kilometer reduziert. Und als es der tankfaule Fahrer langsamer angehen ließ, blieben die 70 Kilometer fast 40 Kilometer lang stehen. Man kann also mit dem Tanken warten, bis die Reserveanzeige der KTM 790 Duke ihren dramatischen Auftritt hat und alle anderen Informationen aus dem Anzeigeinstrument verdrängt – selbstverständlich mit Ausnahme der gesetzlich vorgeschriebenen Geschwindigkeitsanzeige.
Vollgetankt 187 Kilogramm leicht
Die erwähnte Vollgasfahrt diente nicht in erster Linie dazu, das Benzinmanagement des Bordcomputers zu testen, sondern die Fahrstabilität bei hohen Geschwindigkeiten. Auf dem entsprechenden Autobahnabschnitt, der mit deftigen Querfugen in schnellem Stakkato aufs Fahrwerk eindrischt, gerieten schon viele Motorräder in instabile Fahrzustände vom Pendeln um die Hochachse bis zum Lenkerschlagen. Nicht so die KTM 790 Duke. Sie gab die Stöße zwar kaum gemildert an den Fahrer weiter, hielt aber stabil den Kurs. Dabei helfen der relativ lange Radstand, der lange Nachlauf und der Lenkungsdämpfer. 140 Millimeter Federweg an der Gabel mit einem entsprechend hohen Negativanteil tun ein Übriges, trotz aerodynamischem Auftrieb an der Vorderachse das Vorderrad am Boden und damit bei seinen Führungsaufgaben zu halten.
Andererseits verhilft das geringe Gewicht von 187 Kilogramm mit vollem Tank der KTM 790 Duke zu einer angenehmen Handlichkeit. Der verhältnismäßig breite Lenker produziert mit geringen Kräften ein ordentliches Lenkmoment, die schmale und leichte Kurbelwelle lässt kein zu großes Trägheitsmoment aufkommen, und so lenkt die Duke willig ein. Auch bei höheren Geschwindigkeiten. Bei sehr sportlicher Fahrweise und im langsamen Slalom des Top-Test-Parcours fiel den Testern jedoch eine diffuse Rückmeldung vom Vorderrad auf, eine Unsicherheit bezüglich Führung und Reifenhaftung. Unwillkürlich reagierten sie, indem sie es in der ersten Phase bis zum Scheitelpunkt vorsichtiger angehen ließen. Dies ist kein Fahreindruck, der einem sofort bewusst wird, der sich aber in der Nachbereitung herauskristallisiert.
Verunsicherung durch rutschigen Sitzbankbezug
Besser als sein vorderer Partner setzte sich der Hinterreifen in Szene. Beim scharfen Beschleunigen in Schräglage bot er viel Grip und vermittelte ein sicheres Gefühl. Als die Testmaschine mit kaum 1.000 Kilometern auf dem Tacho in die Redaktion kam, war er in der Mitte schon sichtbar abgefahren. Die leicht kantige Lauffläche könnte ein Grund sein für ein spürbares Aufstellmoment, das die KTM 790 Duke in Schräglage bei niedrigen Geschwindigkeiten zeigt. Wie es um die Nasshaftung der Maxxis-Pneus bestellt ist, ließ sich im Rahmen dieses Tests nicht klären. Es regnete nur kurz während einer Fahrt im Feierabendverkehr.

Die ordentlichen, aber etwas unter den Erwartungen bleibenden Werte der Duke im langsamen Slalom des Top-Test-Parcours liegen nicht allein an der Rückmeldung des Vorderreifens. Für gehörige Verunsicherung sorgte beim Kurvenfahren der rutschige Sitzbankbezug. Wer die KTM 790 Duke in der Lederkombi fährt, kommt sich in Schräglage vor wie ein Wassertropfen, der von einer Lotusblüte abgleitet. Beim Beschleunigen und Bremsen muss sich der Fahrer mit aller Kraft und allen Tricks abstützen, um nicht haltlos vor- und zurückzurutschen. Die raueren Sitzflächen von Textilhosen bieten besseren Halt; diese zu tragen, sollte jedoch kein Zwang sein.
Bremse fein dosierbar
Von ihrem langen Radstand profitiert die KTM 790 Duke nicht nur in Sachen Geradeauslauf, sondern auch beim Bremsen. Im Zusammenspiel mit dem gut abgestimmten ABS zeigte sie eine hohe Bremsstabilität. Obwohl die Referenz, die Ducati 821, noch schneller langsam wird, sind 9,6 m/s² als mittlere Verzögerung aus 100 km/h ein ausgezeichneter Wert. Nach mehreren Messungen und auch nur einmal stieg das Hinterrad jedoch schlagartig und geriet aus der Spur. Das ABS konnte die Situation nicht mehr entschärfen, und Tester Georg Jelicic musste die Bremse lösen, um einen Überschlag zu vermeiden. Ob er auf der glatten Sitzbank plötzlich nach vorne gerutscht war oder die hohen Temperaturen im Bremssystem oder beides zusammen diesen Ausreißer ausgelöst haben, ließ sich nicht klären. Die homogene Asphaltfläche auf dem Bosch-Testgelände in Boxberg kann jedenfalls nicht der Grund sein.

Diesseits der Vollbremsungen auf dem Testgelände gefiel die Bremse der Duke mit spontanem Biss und Standfestigkeit. Sie ist auch fein dosierbar, verlangt dafür aber etwas Gewöhnung. Wer von einem Motorrad mit stumpferen Bremsen umsteigt, wird anfangs viel zu stark am Hebel ziehen und abrupt verzögern. Von den nahezu ungefiltert weitergeleiteten Bodenwellen war schon im Zusammenhang mit der Hochgeschwindigkeitsstabilität die Rede. Dazu muss ergänzt werden, dass die KTM 790 Duke auch sonst wenig Federungskomfort zu bieten hat, trotz langen Federwegen von 140 Millimetern vorn und 150 Millimetern hinten. Der Grund dafür ist weniger in der Abstimmung von Gabel und Federbein zu suchen, sondern in ihrem unsensiblen Ansprechen. Bei der WP-Gabel addieren sich Reibung und hydraulische Dämpfung dergestalt, dass sie in einem Bereich von mehreren Zentimetern um die Nulllage festgesteckt werden kann, egal ob man die Front nun anhebt oder herunterdrückt. Feines Ansprechen geht anders.
Volles Programm in Sachen Elektronik und Fahrhilfen
Während das Federwerk der KTM 790 Duke also eher einfach gehalten wurde, bietet sie in Sachen Elektronik und Fahrhilfen das volle Programm. Angesichts des moderaten Preises eine angenehme Überraschung. Vier Fahrmodi, ABS, ergänzt um die schräglagentaugliche MSC-Regelung, Traktionskontrolle, Schleppmomentenregelung, Schaltassistent, Schaltblitz, Rennstartassistent und sogar einen Reifendrucksensor – da gibt es viel zu lernen und einzustellen fürs Geld. In der Praxis kann man sich getrost auf die Fahrmodi „Street“, „Sport“ und „Rain“ beschränken, und selbst bei sportlicher Fahrweise bleiben im „Street“-Modus kaum Wünsche nach schärferer Gasannahme oder späterem Eingreifen der Traktionskontrolle offen. Wer dennoch den frei konfigurierbaren „Track“-Modus nutzen will, braucht die Stufen acht bis sechs der Traktionskontrolle bei trockener Fahrbahn gar nicht erst auszuprobieren, sondern kann sich gleich in Richtung fünf bis zwei orientieren. Der ABS-Modus „Supermoto“ deaktiviert das Hinterrad-ABS und offensichtlich auch die Überschlagserkennung, denn bei einigen Versuchen ließen sich hohe Stoppies reproduzieren. Dabei schnappt die Hinterhand so rasch nach oben, dass man diesen Modus besser nicht im öffentlichen Verkehr nutzt.

Die KTM 790 Duke ist sachlich, aber sorgfältig verarbeitet, Oberflächen, Schweißnähte und die Elektroinstallation machen einen wertigen Eindruck. Viele Details sind clever gelöst, zum Beispiel die Tankverkleidung aus Plastik. Bei einem Sturz oder falls die Maschine einmal umfällt, schützt sie den Tank. Wird sie beschädigt, ist sie relativ leicht auszutauschen und würde dann sogar eventuelle Dellen im Tank freundlich kaschieren. Wenn der Tank auf der exponierten und sichtbaren Oberseite getroffen wird, hat man ohnehin meist größere Probleme als einen Blechschaden.
MOTORRAD-Fazit
Nein, die KTM 790 Duke will es nicht allen recht machen. Sie erwartet von ihrem Fahrer eine sportliche Fahrweise, körperlichen Einsatz und viel Gefühl im Umgang mit Gasgriff und Bremshebel. Dafür bietet sie einen äußerst temperamentvollen Motor, ein straff abgestimmtes, wenig komfortables Fahrwerk, sorgfältige Verarbeitung und reichhaltige Ausstattung zu einem akzeptablen Preis.
Die Konkurrenz
Ducati Monster 821
Zweizylinder-V-Motor, 109 PS, Gewicht 213 kg, 0–100 km/h 3,3 sek, Vmax 225 km/h, Verbrauch 5,1 Liter, 11.795 Euro
Suzuki GSX-S 750
Vierzylinder-Reihenmotor, 114 PS, Gewicht 214 kg, 0–100 km/h 3,4 sek, Vmax 225 km/h, Verbrauch 4,7 Liter, 8.319 Euro (Aktionspreis)
Yamaha MT-09
Dreizylinder-Reihenmotor, 115 PS, Gewicht195 kg, 0–100 km/h 3,4 sek, Vmax 210 km/h, Verbrauch 4,4 Liter, ABS, 10-375 Euro