Mangelnde Authentizität muss sich eine Moto Guzzi V7 sicher nicht vorwerfen lassen. Das gilt auch für die erst vor Kurzem gründlich überarbeitete Variante, die Moto Guzzi V7 "Due" Special.
Mangelnde Authentizität muss sich eine Moto Guzzi V7 sicher nicht vorwerfen lassen. Das gilt auch für die erst vor Kurzem gründlich überarbeitete Variante, die Moto Guzzi V7 "Due" Special.
Niemand hat mich dazu gezwungen. Weder der Cheffe noch ein enger Zeitplan sind schuld an meinen klammen Fingern und der triefenden Nase hinterm Visier. Dennoch sitze ich bei Temperaturen von knapp über null auf dem Motorrad statt am heimeligen Kaffeetisch. Weil ich es wollte. Und mich sogar seit Tagen auf den Ausritt mit der „neuen“ Moto Guzzi V7 II gefreut hatte. Irgendwas muss doch dran sein am meistverkauften V2 aus Mandello, dass ich ihn immer wieder in den Garagen selbst eingeschworener Altmetall-Reiter antreffe.
Nun, den ersten – und vielleicht wichtigsten – Grund offenbart die Moto Guzzi V7 II Special schon auf den ersten Blick: Sie sieht vor allem als „Special“ einfach klasse aus. Und sehr authentisch, was sie ja auch ist. Denn noch immer bollert im gerade erst gründlich modifizierten Rahmen der V7 „Due“ jener „kleine“ Guzzi-Antrieb, der bereits ab dem Jahr 1977 die Modelle V35/V50 befeuert hatte.
Das unterscheidet die tief in der Vergangenheit verwurzelte Moto Guzzi V7 II von den meisten heutigen Retro-Bikes. Obwohl die aktuelle V7 bis auf die Bezeichnung und des Designs von Tank und Sitzbank natürlich nichts mit den legendären Ahnen aus den frühen 70er-Jahren zu tun hat. Egal, das Gesamtpaket ist stimmig. Und passt bei der „Due“ nun auch größer gewachsenen Guzzisti. Weil die Fußrasten infolge der veränderten Einbaulage des Motors 25 Millimeter tiefer platziert werden konnten. Der V2 sitzt jetzt nicht mehr leicht nach hinten geneigt, sondern praktisch horizontal und einen Zentimeter tiefer im neu gestalteten Chassis mit den ab dem Lenkkopf verlängerten Unterzügen. Zusammen mit dem komplett neuen Sechsganggetriebe, dessen Getriebeausgang um fünf Zentimeter abgesenkt wurde, wirkt die V7 II noch etwas gefälliger.
Mehr Spielraum im Kniebereich und eine entspanntere Sitzposition sind das Resultat dieser Veränderungen. Selbst mit meinen 1,89 Metern komme mir auf der zierlichen Maschine nicht deplatziert vor. Allerdings hätte ich die Fußrasten gern zehn Zentimeter weiter hinten angebracht, um mich besser gegen den Winddruck abstützen zu können. Immerhin, Platz ist auf der Moto Guzzi V7 II Special ausreichend vorhanden, und im umfangreichen Zubehörprogramm finden sich auch sportlichere Rasten. Deren Anbau dürfte jedoch mehr Aufwand als bisher erfordern, weil dabei auch die Bremsleitungen des neuen ABS verlängert werden müssen. Den nunmehr vorhandenen Blockierverhinderer wird die angepeilte Klientel der Neu- und Wiedereinsteiger sicher genauso begrüßen wie die nochmals um einige Millimeter abgesenkte Sitzhöhe. Für meinen Geschmack fehlen dem durchaus bequemen Sitzmöbel in ästhetischer Hinsicht jedoch einige Zentimeter Polster-Volumen, um besser mit dem bulligen Tank und dem wuchtigen hinteren Kotflügel zu harmonieren.
Fehlende Harmonie kann man dem Antrieb der Moto Guzzi V7 II dagegen nicht vorwerfen. Im Gegenteil. Ein kurzer Knopfdruck genügt, und der V2 pröttelt dank Einspritzung sofort kernig und mit stabilem Standgas aus den beiden verchromten Schalldämpfern. Das war auch schon bisher so. Ungewohnt ist dagegen, wie leicht und präzise sich die Gänge auf kurzen Wegen sortieren lassen. In dieser Hinsicht ist die neue Schaltbox tatsächlich ein großer Fortschritt. Etwas merkwürdig mutet höchstens die Stufung der sechs Gänge an, weil die letzten beiden sehr eng beieinander liegen, obwohl die Gesamtübersetzung im Vergleich zum Vorgänger nahezu identisch ist. Die Frage nach Sinn oder Unsinn dieser Auslegung stellt sich mir schon nach zweimaligem Durchsteppen nicht mehr. Tatsache ist nämlich, dass noch kein Guzzi-Getriebe so viel Spaß gemacht hat wie dieses hier. Der könnte künftig sogar noch gesteigert werden, weil die Guzzi-Entwickler ihre Entscheidung zur Neukonstruktion auch mit einer deutlich verbesserten Standfestigkeit bei höheren Motorleistungen begründen. Weshalb dieses Getriebe in absehbarer Zeit in weiteren Modellen zum Einsatz kommen soll – hoffentlich irgendwann auch einmal in einer modernen 850er-Le Mans!
Bis dahin müssen 48 PS für die Moto Guzzi V7 II Special genügen. Mit dieser Zurückhaltung kommen jedoch nicht nur Einsteiger prima klar, sondern auch alte Hasen. Ich bin dem kultivierten Charme des V2 bereits nach ein paar Kilometern über verwinkelte Landstraßen erlegen. Weil er schon im Drehzahlkeller so viel Druck macht, dass trotz des überschaubaren Leistungsangebots auf solchen Strecken nie das Gefühl der Untermotorisierung aufkommt.
So lasse ich mich über kleinste Fiktionalsträßchen treiben, schalte bei 3000 Touren und genieße den bulligen Charakter der Moto Guzzi V7 II Special. Deren Wohlfühlbereich erstreckt sich bis etwa 5500/min, mehr müssen es selbst beim flotten Kurvenswingen nicht sein. Leichtes Pulsieren unter Last und das dezente Bollern wärmen mein Gemüt, obwohl die Trommelfell-Massage nicht ganz so intensiv ausfällt wie erhofft, weil die Chromtüten den Bass ziemlich effektiv herausfiltern. Dafür entschädigen die prima abgestimmte Einspritzelektronik mit sanfter Gasannahme und ein mustergültiger Massenausgleich im oft genutzten Bereich des Landstraßen-Limits. Bei Tempo 100 und konstanten 4000/min im sechsten Gang schnurrt der Guzzi-Zweiventiler nahezu vibrationslos dahin. Schon beachtlich, was sich durch ständigen Feinschliff aus so einer betagten Konstruktion holen lässt. Zumal der Guzzi-V2 in seiner aktuellen Ausbaustufe trotz der feinen Manieren nichts von seinem eigenständigen Charakter verloren hat.
Dass ihm bei hohen Drehzahlen die Luft ausgeht, verzeihe ich dem Motoren-Methusalem daher gerne. Wer hetzt schon freiwillig längere Zeit über eintönige Bundesstraßen oder Autobahnen? Eben. Einmal hab ich die Tachonadel der Moto Guzzi V7 II Special dennoch bis an die 160er-Marke getrieben – als Tester will man halt schon wissen, wie es um die Fahrstabilität bestellt ist. Mit Ausnahme meiner blau angelaufenen Lippen und den kaum mehr zu spürenden Frost-Fingern konnte ich dabei aber nichts Negatives feststellen.
Also schnell wieder zurück ins Winkelwerk, dem eigentlichen Revier der V7. Trotz des um acht auf gemessene 207 Kilogramm angewachsenen Gewichts hat die Neue nichts von ihrem quirligen Wesen verloren. Je enger und kurviger die Strecken, desto wohler fühlt sie sich. Ein kurzer, entschlossener Impuls genügt, schon klappt die Moto Guzzi V7 II Special willig ab, bleibt dabei aber stets berechenbar und wunderbar neutral. Diese Harmonie freut Einsteiger und macht Erfahrene schnell, die mit geringem Kraftaufwand genau die angepeilten Linien treffen – herrlich!
Die Bremsen der neuen Moto Guzzi V7 II gehen die flotte Gangart nunmehr mit, überzeugen mit gesteigerter Vehemenz und Transparenz. Das ABS ist dabei ein verlässlicher Partner, der erst dann fein regelnd eingreift, wenn es wirklich eng wird. Schade nur, dass die Federung nicht ganz dieses Niveau hält. Während die nicht einstellbare Gabel trotz der niedrigen Temperaturen noch ganz ordentlich anspricht und ausreichend Reserven besitzt, hauen mir die nur in der Vorspannung justierbaren Federbeine Asphaltverwerfungen trocken ins Kreuz.
Vielleicht wurde die straffe Abstimmung gewählt, um Kardanreaktionen zu minimieren. Das wäre bei der neuen Moto Guzzi V7 II Special nicht nötig gewesen, denn der Wellentrieb arbeitet im besten Sinne unauffällig. Auch deswegen bleibt mir die V7 „Due“ als kleines Highlight in Erinnerung. Ich hatte so viel Spaß mit der flinken Guzzi und ihrem bulligen V2, dass ich mich bei angenehmeren Temperaturen jederzeit wieder auf ein Date mit ihr einlassen würde – ganz zwanglos natürlich!
Es ist kein Zufall, dass bei der Moto Guzzi V7 II sogar Klassik-Liebhaber schwach werden, die sonst nur authentisches Material bewegen. Sie ist eben kein Marketing-Produkt der grassierenden Retro-Welle, sondern im Grunde ihres V2 immer noch ganz die Alte. Nach fast 40 Jahren rollt mit der „Due“ eine prima verarbeitete und gut funktionierende Guzzi von den Bändern, die trotz des umfassenden Feinschliffs ihren Charakter bewahrt hat.
Motor: Zweizylinder-Viertakt-V-Motor, längs eingebaut, je zwei über eine untenliegende Nockenwelle, Stoßstangen und Kipphebel betätigte Ventile pro Brennraum, Bohrung x Hub 80 x 74 mm, Verdichtung 10,5 : 1, Hubraum 744 cm³, Leistung 48 PS (35 kW) bei 6250/min.
Kraftübertragung: Einscheiben-Trockenkupplung, Sechsganggetriebe, Kardanantrieb
Fahrwerk: Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen, Telegabel vorn, Ø 40 mm, Zweiarmschwinge mit zwei Federbeinen hinten, Drahtspeichenräder mit Alufelgen, Reifen vorn 100/90-18, hinten 130/80-17, Scheibenbremse mit Doppelkolbenzange vorn, Ø 320 mm, Scheibenbremse hinten, Ø 260 mm.
Maße und Gewichte: Radstand 1450 mm, Gewicht 207 kg (vollgetankt), Sitzhöhe 790 mm, Tankinhalt 21 Liter
Beschleunigung 0–100 km/h: 6,0 sek
Durchzug 60–100 km/h: 5,6 sek
Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h
Preis: 8935 Euro (inklusive Nebenkosten)
Internet: www.motoguzzi.it