Burnout, Wheelie, fette schwarze Striche auf dem Asphalt – das Präsentationsvideo der brandaktuellen MV Agusta Brutale 800 Dragster zeigt, wie der italienische Hersteller seine jüngste Schöpfung am liebsten sieht: als ultraböses Macho-Bike. Dabei verlief die Mutation der diskreteren Basismaschine Brutale 800 zum Fiesling überraschend simpel.
Die Italiener schnitzten ein superkurzes Heck und schraubten dazu die knappe Spritzschutz-/Kennzeichenhalter-Kombination der Rivale an die Schwinge. Das Superbike F4 stiftete die Sechs-Zoll-Felge, die von einer fetten 200er-Walze umspannt wird. Last but not least montierten die Vareser einen zweiteiligen Lenker mit an dessen Enden angeschraubten Spiegeln – fertig ist die MV Agusta Brutale 800 Dragster.
Ab 6000/min bricht die Hölle los
Am Motor und dessen Peripherie blieb die MV Agusta Brutale 800 Dragster unverändert, die Triebwerke und die Anbauteile sind absolut identisch. Fahrwerksseitig erhöhten die Italiener lediglich die Federbasis („Vorspannung“) des Mono-shocks, sonst entsprechen die Federelemente exakt jenen des Basis-Bikes. Für beide Brutale-Varianten neu ist das ABS, außerdem programmierten die Elektroniker das Motor-Mapping frisch.
Das war auch dringend nötig, denn Gasannahme und Leistungsentfaltung gaben in früheren Tests Anlass zu massiver Kritik: zu giftig, zu unberechenbar, zu schwer zu kontrollieren. Und nun? Starterknopf drücken und los! Tatsächlich benimmt sich der Motor der MV Agusta Brutale 800 Dragster deutlich zivilisierter, nimmt vor allem im Fahrmodus „N“ („Normal“) sanft Gas an und schiebt gleichmäßig und mit atemberaubendem Punch durchs Drehzahlband. Ab zirka 6000/min bricht die Hölle los und katapultiert Mensch und Maschine in den Kosmos – absoluter Wahnsinn!
Mustergültiges Benehmen ist anders
Merkwürdigerweise gibt sich die herkömmliche MV Agusta Brutale 800 im direkten Vergleich unzivilisierter, erinnert gar an früheres Verhalten. Zwar beißt sie längst nicht mehr so hinterhältig zu, doch mustergültiges Benehmen ist anders. Die Unterschiede zwischen den beiden eigentlich deckungsgleichen Motoren bleiben während der kurzen Zeit der Präsentation ein Rätsel, diese Eigentümlichkeit sollte MV nochmals überprüfen. Klar ist heute schon: Kunden können sich jedes neue Mapping für ihre Maschine kostenfrei beim Händler aufspielen lassen.
Eindeutig sind auch die Unterschiede bei der Sitzposition. Das Drag-Bike spannt seinen Piloten weiter über den Tank Richtung Vorderrad. Verantwortlich dafür ist der etwas weiter vorn montierte Lenker, der außerdem satte 60 Millimeter schmaler ausfällt als die Lenkstange der normalen Brutale (695 zu 755 mm). Nettes Feature: Die Lenkerhälften der MV Agusta Brutale 800 Dragster lassen sich um 40 mm (entspricht sieben Grad) nach vorn oder hinten neigen. Unabänderlich fixiert dagegen die kurze, mit tiefer Mulde versehene Sitzbank den Dragster-Treiber in eine feste Position. Insgesamt sieht dieser zwar ziemlich cool aus auf seinem Gefährt, braucht aufgrund der ungünstigen Haltung aber erhöhten Körpereinsatz beim Kurvenräubern.
Wozu freilich auch der breite Hinterreifen beiträgt. Außerdem stellt sich die MV Agusta 800 Dragster bei Bodenwellen in Schräglage spürbar auf. Erstaunlich: Trotz angeblich identischer Dämpfungsabstimmung gleitet die Dragster viel sensibler über grobe Asphaltverwerfungen hinweg als die herkömmliche Brutale. Sollte das wirklich nur an den unterschiedlich stark vorgespannten Federn liegen? Auch diese Frage muss vorerst leider offen bleiben.
Klarheit herrscht dagegen beim (abschaltbaren) ABS. Das jüngste Bosch-System fängt Brutale wie Dragster zuverlässig ein. Dass das System scharf abgestimmt wurde, verdeutlicht die Stoppie-Neigung bei Vollbremsungen. Doch obwohl die Bikes dabei ihr Hinterrad frech heben, neigen sie zumindest auf ebener Strecke nicht zum Überschlag. Das zeugt selbst bei der MV Agusta Brutale 800 Dragster von einer gewissen Freundlichkeit – trotz ihres martialischen Auftretens.
Technische Daten

MV Agusta Brutale 800 Dragster
Antrieb
Dreizylinder-Reihenmotor, vier Ventile/Zylinder, 92 kW (125 PS) bei 11.600/min*, 81 Nm bei 8600/min*, 798 cm³, Bohrung/Hub: 79,0/54,3 mm, Verdichtung: 13,3:1, Zünd-/Einspritzanlage, 47-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Kette
Fahrwerk
Stahl-Gitterrohrrahmen, Lenkkopfwinkel: 66,0 Grad, Nachlauf: 95 mm, Radstand: 1380 mm, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm, Federweg v./h.: 125/125 mm
Räder und Bremsen:
Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17/6.00 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 200/50 ZR 17, 320-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 220-mm-Einzelscheibe mit Zweikolben-Festsattel hinten, ABS
Gewicht:
(vollgetankt) 186 kg*,
Tankinhalt: 16,6 Liter Super
Grundpreis:
13.390 Euro (zzgl. NK)*
* Herstellerangabe
PS-Urteil

Die MV Agusta Brutale 800 Dragster beherrscht nicht nur die Show, sondern überzeugt auch mit ordentlichen Fahreigenschaften. Außerdem werten das ABS und das neue Motor-Mapping den Brutale-Ableger zusätzlich auf. Gewöhnungsbedürftig ist dagegen die zwar lässige, aber sportliche Ambitionen beeinträchtigende Sitzposition. Nach wie vor der Hammer ist der bärenstarke, fesselnde Antrieb.
Die F3-Modelle
Im Rahmen der Dragster-Präsentation testeten wir die mit überarbeiteten Motor-Mappings und neuerdings ebenfalls mit ABS ausgestatteten F3-Modelle auf der Rennstrecke. Im Normalmodus des zweifach einstellbaren sowie abschaltbaren Systems regelt die Elektronik bei heftigem Ankern etwas früh.Geeigneter für sehr schnelle Runden ist der Race-Modus, in dem wir den Blockierverhinderer nicht zum Regeln brachten.
In dieser Einstellung heben bei extremen Bremsattacken allerdings sowohl die F3 675 als auch die 800er keck ihr Hinterrad. Gasannahme und Leistungsentfaltung passen für die Renne dagegen wunderbar. Wie sich das Mapping in öffentlichem Gefilde benimmt, konnten wir leider nicht testen. Spürbar nachgebessert hat MV bei der Traktionskontrolle. Allerdings bietet diese weiterhin nicht das feine Regelverhalten und die Transparenz von Top-Systemen anderer Hersteller.