Fällt man mit der Tür ins Haus, dreht sich natürlich erst einmal alles um den überarbeiteten Dreizylinder der MV Agusta Brutale 800. Es ist ziemlich ungewöhnlich, dass ein neuer Motor schwächer ist als sein Vorgänger. Und neun PS weniger klingt schon etwas ernüchternd. Aber das wird in der Umstellungsphase auf die neuen Euro 4-Vorschriften sicher in naher Zukunft noch öfter geschehen.
Doch bleiben wir bei dem Bild der ins Haus gefallenen Tür und geben gleich Entwarnung: Die neue MV Agusta Brutale 800 ist besser als die Vorgängerin und, nein, man vermisst die verlorenen neun PS nicht wirklich. Wie kommt das? Nun, der Grundcharakter des Triples ist erst einmal geblieben. Darüber dürften sich sportlich eingestellte Fans von Naked Bikes freuen. Der Dreizylinder ist knurrig, faucht, läuft aggressiv rau und dreht gierig bis zur maximalen Leistung von nun 116 PS. Das ist für einen sportlichen Landstraßenfeger absolut gelungen. Ihren Anteil daran haben neue Kolben, Nockenprofile und Steuerzeiten. Das maximale Drehmoment von 83 Nm liegt jetzt schon 400/min früher an als bisher, was beim Herausschnalzen aus den Kurven sicher kein Nachteil ist.
Bessere Motorabstimmung
Damit man das rundum genießen kann – und hier kommt die erste klare Verbesserung zur Vorgängerin –, ist die neue Motorabstimmung um Längen besser geworden. In den drei festgelegten Mappings Rain, Normal und Sport geht die MV Agusta Brutale 800 jetzt viel geschmeidiger ans Gas. Im Normal-Modus sogar so gut, dass man damit auch Bummeln kann. In diesem Modus ist die maximale Leistung außerdem auf 90 PS beschränkt.
Für Hetzjagden über die Hausstrecke reißt dann der Sport-Modus sehr direkt an und liefert die vollen 116 PS bei 11.500/min. Außerdem kann der Brutale-Pilot sein eigenes Wunschmapping zusammenstellen und unter „Custom“ fest abspeichern. ABS-Regelverhalten, Gasannahme, maximale Leistung, Motorbremsmoment, Drehmomentverlauf und Drehzahllimit lassen sich so nach Gusto bestimmen.
Separat lässt sich die Traktionskontrolle der neuen MV Agusta Brutale 800 in acht Stufen regeln. Gelungen sind die Einstellknöpfe für Mapping, Traktionskontrolle sowie die Bedienung des Displays. Alles geht jetzt sehr einfach über Druckknöpfe links und rechts am Lenker – auch während der Fahrt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass auch bei MV jetzt solche bisher eher stiefmütterlich behandelten Details mehr beachtet werden.
Keine Einbußen bei Handlichkeit
Die zweite markante Verbesserung betrifft das Fahrverhalten der MV Agusta Brutale 800 und ist dem neuen Rahmen geschuldet. Der Lenkkopf am Gitterrohrrahmen wurde so verändert, dass der Nachlauf von 95 auf 103,5 Millimeter anwuchs. Insgesamt beträgt der Radstand jetzt 1400 Millimeter, ein Plus von 20 Millimetern zur Vorgängerin.
Dadurch wurde erreicht, dass die neue MV Agusta Brutale 800 in langen, schnellen Kurven selbst in tiefer Schräglage nicht mehr um den Lenkkopf herum rührt. Jetzt lässt sich mit der MV supersportlich abwinkeln und mit festem Zug am Gas bis zum Kurvenausgang genau die gewünschte Linie ziehen. Von ihrer schon fast legendären Handlichkeit hat sie dennoch nichts eingebüßt. Die Brutale reagiert wunderbar direkt auf den Einlenkimpuls und geht mit dem neuen Pirelli Rosso III völlig widerstandslos in Schräglage.
Bessere Ergonomie
Besser gelungen ist auch die Ergonomie. Sehr aktiv sitzt der Pilot nah am und sportlich über dem Lenkkopf. Alles fällt wie von selbst in die Hände, und der engagierte Kniewinkel piesackt weniger, als dass er engagiertes Motorradfahren fördert. Der Sitz mit dem jetzt markanten Hohlraum darunter ist knackig, aber nicht zu hart gepolstert. äußerst genussvoll kann man so die herrlichen und schier endlos sich dahinschlängelnden Kurven von Marbella hinauf nach Ronda abfahren und sich neben dem schönen Fahrverhalten der MV Agusta Brutale 800 auch am heiser röchelnden Sound des Dreizylinders erfreuen. Denn klar ist die Brutale mit der Euro 4-Homologation auch leiser geworden, aber von diesem betörenden Fauchen aus dem jetzt etwas wuchtigeren Dreiender gibt die MV noch genug ans Fahrerohr weiter. Auch die Airbox wurde für weniger Geräuschkulisse zugunsten der Umwelt geändert. Vermissen muss man klanglich also nichts an der Brutale.
Neue MV Agusta Brutale 800 ist kein Lamm
Auch die Fahrwerksabstimmung wurde optimiert. Geblieben ist das grundsätzlich straffe Setup, das ebenfalls die Sportlichkeit der MV Agusta Brutale 800 unterstreicht. Das Ansprechverhalten der voll einstellbaren Marzocchi-Gabel gefällt und bietet auf welligem Untergrund noch ausreichend Komfort. Hinten operiert das ebenfalls voll einstellbare Sachs-Federbein genauso sportlich straff. Wenn der Belag arg riffelig wird, mag es zart besaiteten Fahrern ein wenig unkomfortabel vorkommen, die MV ist eben immer noch kein Lamm geworden.
Das zeigt auch die Brembo-Bremse an der neuen MV Agusta Brutale 800. Sie verzögert wunderbar exakt dosierbar und äußerst entschlossen. Einen brutalen initialen Biss hat sie indes nicht, sodass man die Beläge sehr sanft anlegen und dann progressiv verzögern kann.
Alles also Friede, Freude, Eierkuchen? Beinahe. Noch immer nervt selbst einen sehr sportiv eingestellten Fahrer das deutlich spürbare Konstantfahrruckeln im Teillastbereich, wenn die Verkehrssituation heftiges Angasen einmal nicht zulässt. Trotzdem bedeutet die aktuelle Überarbeitung für die Dreizylinder-Brutale erneut einen deutlichen Schritt nach vorn zu besseren Umgangsformen und gesteigerter Alltagstauglichkeit.
Was ist neu?

Motor
- Kolben mit reibungsoptimierten
- Kolbenringen und -bolzen
- Doppelzündung
- Zehn-Loch-Einspritzdüsen (früher Vier-Loch-Düsen)
Fahrwerk
- 3,0 Kilogramm schwerere Auspuffanlage durch Euro-4-Norm
- Länger übersetzter sechster Gang (15 Prozent)
- Kupplung hydraulisch (früher mit Seilzug)
Daten MV Agusta Brutale 800




