Die Reminiszenz an den guten alten Titel der Rolling Stones drängt sich einfach auf, wenn man Design und Technik der neuen Ducati Diavel genauer unter die Lupe nimmt. Pleased to meet it - sehr erfreut, sie kennenzulernen.
Die Reminiszenz an den guten alten Titel der Rolling Stones drängt sich einfach auf, wenn man Design und Technik der neuen Ducati Diavel genauer unter die Lupe nimmt. Pleased to meet it - sehr erfreut, sie kennenzulernen.
Den Begriff gab es lange vor der Diavel und doch scheint es, dass er erst durch sie überzeugend verkörpert wird: Muscle Bike. Mit Motorleistung hat das zunächst gar nichts zu tun, obgleich die Diavel kräftige 162 PS mobilisiert. Es ist ihre schnörkellose Mächtigkeit, durch die sie wirkt, wie ein austrainierter Boxer mit geringstem Körperfettanteil. Typisch Ducati: Selbst ein Motorrad von cruiserähnlicher Länge mit 1590 Millimetern Radstand gerät ihnen sportlich.
Es gibt zwei Hinweise darauf, dass diese Sportlichkeit nicht nur äußerlich ist. Zum einen das Gewicht: 207 Kilogramm trocken. Vollgetankt sowie mit Wasser, allen Schmierstoffen, ABS und Traktionskontrolle dürfte sie auf 230 Kilogramm kommen. Noch leichter, aber 3300 Euro teurer wird die Diavel Carbon, die Kohlefaserteile und leichtere Räder erhält - das Basismodell kostet bereits 16690 Euro.
Dass es Ducati ernst ist in Sachen Sportlichkeit, verdeutlicht zum zweiten die Wahl des Hinterreifens. Breit sollte er sein und trotzdem für gute Lenkeigenschaften sorgen. Die Fahrwerksentwicklung begann mit einem handelsüblichen 240/40 R 18, doch bald schon wurde klar, dass die gewünschten Handling- und Komfortqualitäten mit der flachen Kontur dieser Reifen nicht zu bekommen waren. Zusammen mit Pirelli entwickelten die Ducati-Ingenieure deshalb einen 240/45 ZR 17. Ein Schaubild, das MOTORRAD während der Präsentation in Mailand von der Videoleinwand abfilmte und nach dieser Vorlage neu zeichnete, macht deutlich, dass dieser 17-Zöller auf einer acht Zoll breiten Felge etwa den gleichen Abrollumfang hat, wie ein 18-Zöller. Die Flanken des Diablo Rosso II, so heißt der Diavel-Pneu, sind dagegen deutlich weiter herunter gezogen. Seine Kontur ist im Ruhezustand spitzer, sein Verformungsverhalten in Schräglage so gestaltet, dass die Diavel trotz ihrer Länge recht flink durch Wechselkurven wedeln und deutlich weniger Eigenlenkverhalten auf Bodenwellen zeigen soll. Außerdem besitzt der Rosso II dank seines höheren Querschnitts mehr Eigendämpfung und ein besseres Komfortverhalten. "Zentraler Punkt war der mächtige Hinterreifen, das Motorrad wurde sozusagen um ihn herum gebaut", sagte Projektleiter Giulio Malagoli, und das scheint angesichts des Aufwands nur leicht übertrieben.
Dieser Aufwand umfasst auch die Gestaltung der Schwinge, die mit einem breiten Hinterrad und entsprechendem Reifen bestückt, größere Kräfte aufnehmen muss als mit einer schmaleren Kombination, weil die Kette weiter außen am Reifen vorbei läuft, die Kettenzugkräfte folglich über einen längeren Hebelarm einwirken. Die Skizze der Einarmschwinge zeigt dann auch eine komplexe technische Skulptur, in der jede Fläche, jede Kante als Gegenspieler einer Kraftlinie fungiert.
Wie Ducati-Tester versichern und Fahraufnahmen glaubhaft machen, verfügt die Diavel über deutlich mehr Schräglagenfreiheit als Powercruiser von Harley-Davidson, Victory oder Suzuki. Einer der Schlüssel dafür ist die mit 770 Millimetern zwar niedrig, im Vergleich zum amerikanischen U-700-Ideal aber immer noch vernünftig hoch angeordnete Sitzbank. Ihr ist es zu verdanken, dass Diavel-Fahrer mit bequemem Kniewinkel sitzen können, ohne dass die Fußrasten weit vorn angebracht werden müssten. Auch dieser Umstand trägt zur höheren Dynamik bei, weil der Fahrer bessere Möglichkeiten erhält, sein Körpergewicht flexibler einzusetzen.
Das CAD-Abbild des Diavel-Rahmens erzählt eine Menge über den konstruktiven Weg, den Ducati beim Fahrwerksbau derzeit geht. Erstmals bei der Erneuerung der Monster eingesetzt, wurde das Prinzip des Hybridrahmens mit Stahl-Gitterrohrstruktur vorn und Alugussteil hinten bei der Multistrada 1200 deutlich verfeinert und bei der Diavel um den Einsatz von Elementen aus polymerem Kunststoff beim Heckrahmen erweitert. Mit allen Möglichkeiten, Ablage- und Batteriefächer, Kabelkanäle und Haltepunkte, ja sogar die vollständig wegklappbaren Soziusfußrasten mitsamt Haltern ohne zusätzlichen Aufwand an Teilen zu integrieren. Ein Vergleich der Rahmenkonstruktionen von Diavel und 848, beziehungsweise 1198 entlarvt diejenigen der Supersportler als altmodisch. Zugleich wird offenbar, wie nahe mittlerweile eine Konstruktion liegt, die je ein Alugussteil als Lenkkopfträger und Heckrahmen mit einem voll tragenden Motor verbindet (siehe MOTORRAD 1/2011). Nur der geeignete Motor fehlt noch. Im Lauf dieses Jahres wird darüber mehr zu erfahren sein.
Die Multistrada 1200 hat auch vorgemacht, wie vielfältig Ducati Elektronik einsetzt, und die Diavel macht ihr gegenüber nur geringe, angesichts ihres engeren Einsatzspektrums auch sinnvolle Abstriche. Es gibt keine elektronische Einstellung der Federelemente, anfangs waren gar keine Einstellmöglichkeiten vorgesehen. Stattdessen werden mit den drei verschiedenen Fahrmodi unterschiedliche Leistungskurven und Stufen der Traktionskontrolle aktiviert. Im Stadtmodus etwa leistet der von der Multistrada abgeleitete Motor nur 100 PS, im Touringmodus bringt er zwar die volle Leistung, dafür greift aber die Traktionskontrolle früher ein als im Sportmodus. Der Elektronik trägt die üppige zweifache Instrumentierung Rechnung. Weil die Front der Diavel hoch aufragt, erfreut sogar die Anzeige auf der Tankabdeckung mit guter Ablesbarkeit.
Hier geht's zur Präsentations-Video der Eicma 2010:
Ein Motorrad wie die Diavel gab es bislang noch nicht, das steht außer Frage. Unstrittig ist freilich auch, dass die Diavel nicht voraussetzungslos entstehen konnte, ohne Vorbilder und Einflüsse, die ihre Schöpfer studiert und aufgenommen haben. Eine überraschende Verbindung zwischen Produkt und Anregung legt eine Skizze aus der Ducati-Designabteilung offen, die den Redakteur spontan an die Core erinnerte. Diese Studie, im Frühjahr 2009 vom amerikanischen Hersteller Victory präsentiert, sollte zeigen, wie ein Motorrad aussehen kann, das konsequent auf die zum Fahren nötigen Elemente reduziert wird. Der Name steht im Englischen für Kern, es geht also um das innerste Wesen des Motorradfahrens.
Offensichtlich dienten die Proportionen der Core den Diavel-Designern als Ausgangspunkt. Möglicherweise lagen ihnen die Entwürfe aber schon vor deren Präsentation vor. Schließlich hat Greg C. Brew, der zusammen mit Michael Song die Core gestaltete, "bei einem italienischen Motorradhersteller aus Bologna gearbeitet", bevor er Designchef bei Victory wurde.