Porträt Suzuki GSF 1200 Bandit
Das Geheimnis ihres Erfolges

Hä, wieso Geheimnis? Ist doch klar, dass die 1200er-Suzuki Bandit ihres Preises wegen so gut ankommt. Oder?

Das Geheimnis ihres Erfolges
Foto: fact

Ja. Nein. Also Jein. Vielleicht. Vielleicht nicht. Denn keiner bestellt – beim Chinesen etwa – Hühnerbrust süß-sauer, nur weil die zwei Euro billiger kommt als Pekingente, wenn er Hühnerbrust nicht mag. Genauso wird sich niemand eine Bandit bestellen, wenn er keine Bandit will, günstig hin, günstig her. Heißt: Trifft die Ware nicht den Geschmack, reißt auch der Preis nix raus. Ein Beispiel? Die GSX 1100 G, ebenfalls von Suzuki. Gleiche Kategorie, gleicher Motor, gleiche Preisklasse, sogar mit Kardan. Und, mal ehrlich, ein echter Flopp. Anziehend an diesem Gebilde war halt allenfalls der Preis – 1996 rund 15000 Mark. Die große Bandit hingegen, sie zieht den Leuten seit just jenem Jahr so oft wie kaum eine andere das Geld aus der Tasche, anfänglich knapp 14500 Mark, mittlerweile 7850 Euro. Da passt sogar der Name.
Allein in Deutschland haben GSF 1200 N und GSF 1200 S die Suzuki-Kassen 30000-mal klingeln lassen. 30000. Davon ist die Konkurrenz – sogar die hauseigene – so weit weg wie der Fußballverein Haueneberstein von der Champions-League. Zum Vergleich: Für eine Kawasaki ZRX 1100/1200 fanden sich seit 1997 gerade mal 6600 Käufer. Die Yamaha XJR 1200/1300 bringt’s seit 1995 immerhin auf rund 8500 Exemplare, und mit Hondas CB 1000 wollten sich zwischen 1993 und 1996 gar nur 1100 Kunden anfreunden.
Aber die kosteten und kosten ja auch mehr, mindestens einen Tausender. Also doch der Preis? Hühnerbrust süß-sauer! Und: Madonna und Stockhausen. Wieso kann die Popflöte ihre Platten nicht schnell genug besingen, während der Ahnherr der elektronischen Musik von den Charts noch weiter weg ist als der Fußballverein Haueneberstein vom Champions-League-Finale? Es liegt nicht daran, dass die Tonträger der Sängerin billiger wären als die des Komponisten. Doch dessen Klangwerke verwechselt die Masse mit Krach. Mit Madonnas Hits geht die Masse anders um. Sie kann sie mitträllern. Et voilà, das Erfolgsgeheimnis der Bandit: Wer einen Hit landen will, darf nicht polarisieren, der muss gefällig komponieren. Und Suzuki hat gefällig komponiert. Getreu dem Swinger-Motto »alles kann, nichts muss« ist die Bandit offen für alles und offen für alle.
Die Zubehörkataloge für sie sind dicker als New Yorks Telefonbücher. Fängt an bei A wie Antiblockiersystem-Attrappen-Aufkleber, geht über H wie Hinterradbeleuchtung, farbig, und schließt mit Z wie Zylinderrippen-Polierbürste. Ergo verspricht mit der Bandit Erfolg, was bei anderen Partnern selten so funktioniert: Jeder kann sie sich zurechtbiegen, wie er sie gerne hätte.
1,96 Meter, Teilzeitkassiererin mit Fernweh? Prima, die Bandit passt. Gehüllt in Vollverkleidung und behängt mit Koffersystem samt rückenbelehntem Topcase rollt sie ebenso problemlos zum Nordkap wie nach Haueneberstein.
1,58 Meter, Philosophieprofessor, zwei linke Hände und Streetfighter-Allüren? Prima, die Bandit passt. Heck kürzer und höher, ein Paar edler Fußrasten angeschraubt und einen Teufelskopfaufkleber auf den Tank. Dann noch Lampenmaske mit bösem Blick, und die Bandit, dieses Motorrad ohne Kanten, kommt Furcht erregender einher als »Die Kritik der reinen Vernunft«.
1,78 Meter, Angestellter, zwei Kinder, Fertighaus und nur am Wochenende so richtig ausbrechen? Prima, die Bandit passt. Einfach so lassen, wie sie ist, draufhocken und fahren. Funktioniert.
Funktioniert zuverlässig, unauffällig, ohne echte Schwäche. Oder eindrucksvoll, spektakulär, mit echter Stärke. Denn je nach Belieben schabt sich der luft-/ölgekühlte Vierzylinder sanft und ruckelfrei auf Halbgas durch den Drehzahlkeller. Oder der Muskel, der allemal ein paar PS mehr drückt als die angegebenen 98, haut dem Piloten beim heftigen Beschleunigen das Instrumentarium vors Visier. Und wer sich die schnörkellosen Runduhren so richtig feste gegen den Kopf schlagen möchte, bitte schön: Tuner, die dem Aggregat, das zwischen 1986 und 1991 die GSX-R 1100 anheizte, garantiert 150 PS und mehr entlocken, finden sich vermutlich sogar im Telefonbuch von Haueneberstein.
Hinzu kommt: Der Bandit-Motor ist kein glatter Klotz im Wassermantel mit dem Liebreiz eines Plattenbaus. Nein, dieser Motor hat nicht nur Druck, er hat Charme, mit Kühlrippen (ganz wichtig!) und ist einfach schön. Nicht anders als der Rest. Klassisch, aber nicht altbacken. Zeitlos, das trifft die Linie der Bandit, und die trifft den Geschmack der meisten. Denn selbst wer keine hat, hat zumindest nichts gegen sie.
Aber es stimmt vermutlich auch, dass sich zu einem Preis von 10500 Euro kein Mensch für die Bandit interessieren würde.

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Erscheinungsdatum 15.09.2023