Test: Aprilia RSV4 Carbonero und Bimota DB9 Brivio SC

Test: Aprilia RSV4 Carbonero und Bimota DB9 Brivio SC Radikaler Supersportler und sportliches Naked Bike

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Die Bikes eint der ultraleichte Stoff, aus dem rabenschwarze Träume wachsen. Ansonsten schlagen sich ein radikaler Sportler und ein sportlicher Naked-Sonderling. Einsatzort: das Beste aus zwei Welten - die Nordschleife.

Radikaler Supersportler und sportliches Naked Bike fact

Auf so einen Test freut man sich einfach. Zwei völlig abgefahrene Motorräder, die keinen hyperanalytischen Vergleichstest brauchen. Die alle Blicke auf sich ziehen, vor allem zum Genuss einladen, zum Schwärmen und zur puren Lust am unvernünftigen Angasen. So muss das sein, wenn man den Familienbomber in die Garage stellt und einen Lamborghini ausführt. Was sind da schon unliebsame Härten der Exklusivität? Denn unbestritten: So oder so zahlt der geneigte Gaskranke seinen Preis für solch feines Spielzeug.

Und da ist nicht nur der pekuniäre Wert gemeint, wenngleich das Bild mit der Autowelt auch hier passt. Die Bimota kostet exklusive 28510 Euro, die von Höly getunte Aprilia 28890 Euro. Scheiße, Alter! Genau, und schon deshalb freut man sich auf so einen Test: Mal -sehen, was mit knapp 60 Mille auf vier Rädern geht.

Die Aprilia RSV4 Carbonero verblüfft schon durch ihr Kampfgewicht. 182 Kilogramm vollgetankt - satte 20 Kilo weniger als die Serie! Kein Wunder, denn neben der Karbon-Vollverkleidung lauert der edle Kohlenstoff überall. Die Lenkerstummel sind ebenso aus Karbon wie die BST-Felgen. Und wenn man hineinkriecht, ist auch die auf 14 Liter vergrößerte Airbox karbonisiert. Zusätzlich Gewicht machte Tuner Dieter Briese, indem er dem Factory-Motor die komplette längenvariable Ansaugtrichteranlage ausriss. Dafür kamen größere fixierte Ansaugtrichter rein. Gewicht, aber auch Platz schafft der komplett neue Kabelbaum, der ohne Regelelektronikstränge auskommt, denn in der Höly-RSV4 gibt es keine Traktionskontrolle. Das Steuergerät, die Batterie, alles aus dem Heck wanderte in den vorderen Teil der RSV4 unter den Spezialtank mit 24 Liter Fassungsvermögen.

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Außerdem ist der Motor komplett gemacht. Kurbelwelle und Kolben sind gewichtsoptimiert und feingewuchtet, die Ventile poliert, die Nockenwellen schärfer gemacht und in England speziell angefertigte Arrow-Pleuel eingebaut. Die Verdichtung ist auf satte 14,4:1 erhöht und das Ganze per Steuergerät mit Racing-Kennfeld abgestimmt worden. Da die Teile alle neu sind, bekamen wir ein etwas ab-geschwächtes Mapping aufgespielt, damit einem der teure Kram nicht gleich um die Ohren fliegt. Mit anderen Kennfeldern, so verspricht es der Tuner, sind 200 PS realistisch. Aber die Aprilia suggeriert eben auch Alltag, denn die Akrapovic-Karbonanlage besitzt einen db-Killer und das Bike ist mit Blinkern, Lampen, Kennzeichenhalter und allem anderen TÜV-konform ausgestattet.

Das ist die Bimota von Haus aus. Die DB9 ist der neue Roadster aus der kleinen Manufaktur in Rimini. Wilder Look, aber kaum der Racer, den die Aprilia gibt, eher etwas für exklusiven Spaß auf der Landstraße. Dafür bringt sie eine Menge guter Gene mit. Das Herz bildet der Ducati-Testastretta aus der Diavel, in der er 162 PS leistet. Unsere Test-Bimota machte -daraus mit der Abstimmung aus Rimini 151 PS. Auf der Waage markiert die DB9 mit vollgetankten 195 Kilo absolute Top-Klasse in der Kategorie PS-protzender Allrounder-Bikes. Soweit, so trocken. Auf der Nordschleife dürfen die beiden edlen -Damen jetzt zeigen, was das an Fahrrausch bedeutet.

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Höly-Aprilia RSV4 Carbonero.

Zunächst bedeutet es erst einmal Arbeit, denn schnell wird klar, dass die feinen Probanten einer feinen Abstimmung bedürfen. Die Aprilia haben wir ja quasi taufrisch aus der Werkstatt abgegriffen. Das ist die richtige Entschuldigung für ihre erste Runde. So leicht das Motorrad ist und so spielerisch, wie es sich auf dem Parkplatz schieben ließ, so unhandlich und garstig gab sie sich am Anfang auf der Strecke. Die RSV wollte partout nicht einbiegen und schob in Kurven gewaltig nach außen. Außerdem war die Dämpfung besonders an der Gabel einfach bockelhart. Das kann doch nicht sein, wo die Serie schon so überzeugt?

Mit weniger Druck- und Zugstufe wurde es schon besser, stellte sich etwas mehr Gefühl fürs Vorderrad ein, aber spielerisch? Die RSV bedurfte einer Grundabstimmung. Schließlich gingen wir das Fahrwerk komplett neu an, nahmen die Vorspannung an der Gabel heraus und stimmten auch das Federbein neu ab. Und schon ging es mit dem von HH-Racetec überarbeiteten Öhlins-Fahrwerk aus dem Serienbike viel besser. Ein etwas agilerer Reifen als der aufgezogene Michelin Power One würde sicher noch sein Übriges tun. Aber die Grundabstimmung der Dämpfer ist aus unserer Sicht für etwas Komfortanspruch auf der Landstraße zu nahe an einem waschechten Racer. Eben wie ein Lamborghini auf der Landstraße.

Der Motor klingt nach fettem Auftritt. Das Airboxröcheln kommt da noch dazu. Aber was dieser V4 wirklich vorbildlich macht, ist die Gasannahme. Ganz fein werden die Drehbewegungen aus dem Handgelenk in Vortrieb umgesetzt. Und der ist vehement - oben heraus. Der drehfreudige, charakterstarke Vierzylinder-V-Motor hat in der für uns verfügbaren Abstimmung knapp zehn PS mehr als unsere zuletzt gemessene Aprilia Factory. Aber dieses Power-Plus liegt jenseits der 12 000/min und das umfangreiche Tuning peitscht erst ab 10 000/min so richtig. Damit ist die Carbonero nicht nur beim Fahrwerk, sondern auch mit diesem Motor näher an einer Rennmaschine als an einem Landstraßen-Freund.

Und diese Gesinnung verschleiert das Bike auch nicht. Da kann die Sitzbank auch aus Alcantara sein, das dünne Polster kennt keine Gnade. Und auch die sehr sportlich ausgerichteten Fußrasten und Stummel sind keine Accessoires eines Erholungsmöbels. Das deckte die Nordschleife genauso gnadenlos auf wie die Vorliebe der Höly-Aprilia für schnelle, feinasphaltierte Pisten, in die hart hineingebremst werden kann. Besonders aufgrund der Motorcharakteristik mit dem geringeren Drehmoment im mittleren Bereich fährt sich die RSV4 besser da, wo man die Ecken in und auswendig kennt - was auf der Nordschleife nicht allzu viele von sich behaupten können.

Ganz anders die Bimota, die zwar den Anschein eines Naked Bikes hat, aber mit viel Karbon-Chic der Minimalverkleidung und ihrem radikalen Styling die Blicke auf sich zieht. Glänzen lässt die DB9 höchstens die wunderschön gefrästen Alu-Teile und das rot eloxierte Fahrwerk (43er-Marzocchi-Gabel und Extreme-Tec-Federbein).

Die Bimota hat wie die RSV4 auch ihr Problem mit der Nordschleife. Aber im Gegensatz zum Höly-Racer eher, weil sie zu sehr auf Landstraße getrimmt ist. Zwar ist das Fahrwerk auch bei ihr von der straffen Art, das jedoch auf normalen  Straßen noch genügend Komfort bereit- hält, aber bei den Geschwindigkeiten in der grünen Hölle am Nürburgring offenbart die DB9 eine grundsätzliche Schwäche: ihre Instabilität bei hohem Tempo. Da beginnt sie bei kleinsten Impulsen im breiten Lenker um die Längsachse zu pendeln. Und es macht auch keinen -großen Spaß, in den schnellen Bergab-Kurven mit viel Druck auf dem Vorderrad abzuwinkeln, denn an den Hand-flächen oben am Lenker kommen einfach nicht genug Informationen dazu an.

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Bimota DB9 Brivido SC.

Dafür ist die Bimota DB9 sehr handlich, was auch am steilen Lenkkopfwinkel von 64,5 Grad, aber auch den leichten OZ-Schmiederädern liegen dürfte. Echt merkwürdig dagegen ist die Bremse unseres Test-Bikes, hinter dessen Endkürzel SC sich die einzelne Felgenrand-Bremsscheibe mit innen umfassender Bremszange verbirgt. Die kostet 3150 Euro Aufpreis gegenüber je zwei Brembo-Vierkolbenzangen und 320er-Scheiben für die „normale“ Ausführung. Die Stopper der Testkandidatin entpuppten sich jedenfalls als etwas stumpf und nebulös bei der Dosierbarkeit.

Aber für den Landstraßenritt dürfte es genügen. Und für den Einsatz genau dort hat die Bimota in dem Ducati-Testastretta das perfekte Argument. Die Drehmomentwellen, die dieser potente Twin nach etwas ruppiger Gasannahme am Hinterrad ausschüttet, sind einfach eine Freude. Damit lässt sich zügig fahren, auch wenn man mal nach der Richtung schauen muss und das Gas lieber etwas früher schließt. Die kommode Sitzhaltung, der enge Knieschluss und das brave Sitzkissen untermauern das Konzept.

Und so steht auch der praktische Preis fest, den Liebhaber solcher exklusiven Teile bezahlen: den Kompromiss. Die Höly-Aprilia kann man auf die Straße mitnehmen - zum Schaulaufen und Krawall machen. Aber eigentlich sollte man damit auf die Rennstrecke. Die Bimota besitzt ebenfalls hohe Exklusivität, ist aber eher ein grundsolides Landstraßenbike zum moderaten Angasen als der scharfe Hüpfer, dessen Kleid sie trägt.

Technische Daten

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Bimota DB9 Brivio SC und Aprilia RSV4 Carbonero.

Höly-Aprilia RSV4 Carbonero

Antrieb 
Vierzylinder-V-Motor, vier Ventile/Zylinder, 132 kW (180 PS) bei 12 200/min, 109 Nm bei 11 300/min*, 1000 cm³, Bohrung/Hub: 78,0/52,3 mm, Verdichtungsverhältnis: 14,4:1, Zünd-/Einspritzanlage, XX-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Anti-Hopping-Kupplung, Sechsganggetriebe, G-Kat, Kette

Fahrwerk 
Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 65,5 Grad, Nachlauf: 105 mm, Radstand: 1420 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Federweg vorn/hinten: 120/130 mm

Räder und Bremsen 
Karbonräder, 3.50 x 17/6.00 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 190/55 ZR 17, Testbereifung:  Michelin Power One, 320-mm-Doppelscheibenbremse mit radial angeschlagenen Vierkolben-Fest-sätteln vorn, 220-mm-Einzelscheibe mit Zweikolben-Festsattel hinten

Maße und Gewicht 
Länge/Breite/Höhe: 2050/750/1130 mm *, Sitz-/Lenkerhöhe: 845/865 mm, Lenkerbreite: 660 mm, 182 kg vollgetankt, v./h.: 52,5/47,5 %

Hinterradleistung im letzten Gang 
124 kW (168,9 PS) bei 264 km/h

Kraftstoff 
Super Plus

Grundpreis 
28 890 Euro (zzgl. Nebenkosten)

Bimota DB9 Brivido SC

Antrieb 
Zweizylinder-V-Motor, vier Ventile/Zylinder, 119 kW (162 PS) bei 9500/min*, 128 Nm bei 8000/min*, 1198 cm³, Bohrung/Hub: 106,0/67,9 mm, Verdichtungsverhältnis: 11,5:1, Zünd-/Einspritzanlage, 56-mm-Drosselklappen, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Anti-Hopping-Kupplung, Sechsganggetriebe, G-Kat, Kette

Fahrwerk 
Leichtmetall-Gitterrohrrahmen mit Alu-Frästeilen, Lenkkopfwinkel: 64,5 Grad, Nachlauf: k. A., Radstand: 1435 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Zentralfederbein mit Hebelsystem, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Federweg vorn/hinten: 125/130 mm

Räder und Bremsen 
Leichtmetall-Schmiederäder, 3.50 x 17/6.00 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 190/55 ZR 17, Testbereifung: Michelin Power Pure, 340-mm-Einzelscheibenbremse mit innen umfassendem Sechskolben-Festsattel vorn, 220-mm-Einzelscheibe mit Zweikolben-Festsattel hinten

Maße und Gewicht 
Länge/Breite/Höhe: 2040/830/1150 mm *, Sitz-/Lenkerhöhe: 800/890 mm, Lenkerbreite: 745  mm, 195 kg vollgetankt, v./h.: 50,0/50,0 %

Hinterradleistung im letzten Gang 
106 kW (143,8 PS) bei 245 km/h

Kraftstoff 
Super bleifrei

Grundpreis 
28 510 Euro (zzgl. Nebenkosten)

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