Test Bimota Mantra

Test Bimota Mantra Das Rad des Lebens

In Indien gilt das Leben nur als Bewährung im ewigen Kreis von Werden und Vergehen. Wenn die Mantra sich bewährt, wird auch Bimota in Rimini wieder werden.

Welch ein Land, in dem die Lebenslust Religion ist. Nein, nicht von Italien, von Indien ist die Rede, der Heimat des Tantrismus, in dem Fisch und Fleisch, Wein und Weib Leib und Seele zusammen halten. Das und ein paar Mantras - religiöse Verse - auf den Lippen: Mehr braucht der Inder nicht für sein Paradies - Verzeihung: Nirvana - auf Erden. Logisch, daß kein Italiener so was auf sich sitzen lassen kann. Denn das Nirvana - Verzeihung: Paradies - auf Erden kann natürlich nur zwischen Apulien und Piemont, Venezien und der Toscana liegen. Auch an Fisch und Fleisch, Wein und Weib herrscht in Italien kein Mangel. Fehlten eigentlich bisher nur noch die Mantras. Aber auch das haben sie jetzt hinbekommen. Zwar nicht als tantrisch-religiöse Verse. Da sei der Papst vor. Doch hat nun Bimota in Rimini - klar: Venetien - ein Motorrad gebaut, das auf den Namen »Mantra« hört.

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Die mythische Beschwörungsformel hat guten Grund. Es gilt, der im Angesicht der übermotorisierten, überteuren und überunbequemen Bimotas der letzten Jahre versiegenden Kauflust der Kunden neues Leben einzuhauchen mit der frohen Botschaft: Es gibt auch Fahrspaß unterhalb von 300 km/h. Und außerdem: Wir werden schließlich alle nicht jünger - oder?

Der Antrieb der 900 Supersport, der sich schon in der db2 bewährte, treibt auch die vollgetankt 198 Kilogramm leichte Mantra an. Der 904 Kubikzentimeter große V-Twin erwacht auch bei Minus-Graden polternd, aber zuverlässig aus dem Winterschlaf und benötigt den Choke nur kurz. Schön, daß die Trockenkupplung nicht kleben kann und auch kalt sauber trennt. Schlecht, daß man für ihre Betätigung Unterarme braucht wie Popeye. Auf Dauer geht die Kupplung schmerzhaft schwer. Sie vergällt dem Mantra-Fahrer sogar den größten Spaß: Ampelsprints. Die harten Kupplungsfedern machen die hydraulische Kupplung so schwer dosierbar, daß der schmale Grat zwischen rupfender Kupplung und steigendem Vorderrad kaum zu treffen ist. Das Sechsgang-Getriebe hat lange Schaltwege, arbeitet aber hinreichend exakt. Die Endübersetzung ist recht kurz geraten. Die Nenndrehzahl von 7000 Touren liegt im letzten Gang bei nur 175 km/h an. Jeder km/h darüber ist eine willkommene, aber eigentlich überflüssige Zugabe; denn fast 200 km/h auf einem unverkleideten Motorrad braucht kein Mensch.

Der vibrationsarme Motor entwickelt durch die knappe Endübersetzung immer Schub - egal, ob bei 3000 Touren oder hart am roten Bereich. Und wie: In 3,5 Sekunden ist die Mantra auf 100 km/h und, wenn alles paßt, in acht Sekunden von 60 auf 120 km/h. Das Erstaunliche: Die Ducati Monster 900 geht nach früheren MOTORRAD-Messungen sogar noch etwas besser. Aber der fetter abgestimmte Mantra-V-Twin hängt subjektiv gieriger am Gas und setzt jede Gasbewegung so spontan in Vortrieb um, daß man kein Hundertstel vermißt. Doch auf langen Strecken gehen der Mantra bald Saft und Kraft aus. Bei konstant 100 km/h werden 4,9 Liter Super verbrannt, im Stadtverkehr 5,9 Liter, im strammen Kurvensprint laufen 7,2 Liter durch die Düsen der 38er Mikunis und bei Schnitt 170 auf der Autobahn satte 12,3 Liter. So bleibt der Sprinter besser auf der Landstraße und nährt sich redlich aus seinem 16 Liter-Kunststofftank, der kunstvoll um den Lenkkopf geführt sogar zum Träger des Scheinwerfers mutiert.

Zwischen den Radachsen der Paioli-gefederten Cantilever-Dreieckschwinge und der konventionellen Telegabel mit 43 Millimeter-Standrohren erstreckt sich der aus ovalem Aluminiumrohr geschweißte Gitterrohrrahmen gerade 1370 Millimeter weit. Die Verkleidungslosigkeit der Mantra befreit den Fahrer vom Stummellenkerzwang und Rennrastenkrampf. Man sitzt sehr komfortabel, aber dennoch sportlich, mit schlankem Knieschluß, schmalem Lenker und trotz der tiefen Rasten mit guter Schräglagenfreiheit in einer gut ausgeformten, breiten Sitzkuhle. Dem Beifahrer allerdings sollte man mehr als die abendliche Spritztour in die Stadt wirklich nicht zumuten. Rasten zu hoch und zu breit, Sitzbank zu kurz und zu schmal - und wenn der Fahrer etwas schwerer sein sollte, wird die Mantra mit nur 142 Kilogramm Zuladung gar ganz zum Monoposto. Die Federung ist vorn und hinten recht straff, aber komfortabel genug. Die Dämpfung des Federbeins ist schon mit ganz aufgedrehter Zugstufe fast zu straff. Die acht Ziffern auf dem Stellkranz sind Blendwerk: das Paioli-Federbein bietet elf Dämpfungsstufen. Die Federbasis wird über Nutmuttern und Hakenschlüssel stufenlos eingestellt.

Über ein zusätzliches Gewinde läßt sich zudem die Höhe des Hecks verändern. Die Telegabel des getesteten Motorrades war nur in der Zugstufe einstellbar. Die Stellschrauben in den Holmkappen bieten 26 Stufen. Zehn Klicks hineingedreht, hielt die Dämpfung die Front gut unter Kontrolle. Bimota-Händler bieten für die Paioli-Gabel jedoch gegen Aufpreis einen Nachrüst-Kit an, der Druckstufen-Einstellschrauben und eine Verstellmöglichkeit für die Federbasis umfaßt. Aber merke: Ist dieser Kit nicht eingebaut, dienen die am unteren Gabelende nach vorn zeigenden Schrauben mit ovalen Zwölfer-Mutternköpfen nur als Ölablaßschrauben. Die Druckstufendämpfung wird stattdessen über darin eingelassene, messingfarbene Schlitzschrauben eingestellt.

Die 17zölligen Gußräder der Mantra mit 3,5 und hinten 5,5 Zoll breiten Felgenbetten akzeptieren Sportreifen in den Größen 120/70 ZR 17 vorn und 180/55 ZR 17 hinten. Serienmäßig mit Michelin Hi-Sport TX 15/TX 25 ausgerüstet, will der deutsche Bimota-Importeur Reinhold Kraft in Leutkirch auch für andere Reifenfabrikate und Typen Freigaben erstellen lassen. Eine kluge Entscheidung. Die Michelins haben nämlich keinen besonders positiven Einfluß auf das Fahrverhalten der Mantra. Man spürt, wie willig das leichte, kurze Motorrad auf Lenkbewegungen reagiert. Aber mit den Michelins folgt die Mantra in Kurven kaum dem gewählten Radius und richtet sich beim Bremsen stark auf. Jede kleine Unebenheit wirkt zudem auf den breiten Hinterreifen in Schräglage mit der Aufstellkraft eines Wagenhebers ein, und wenn sie sonst in Spurrillen und über Fahrbahnmarkierungen schon kippelt, schlägt die Mantra dort beim Bremsen Haken wie ein Hase.

Doch sollte sich eine passendere Reifenpaarung finden lassen. Immerhin liegt die Mantra auch bei hohem Tempo für ihre radikale Fahrwerksgeometrie erstaunlich stabil. Mit den paar Mantra-Kilogramm haben die schwimmenden 320er-Rotoren und Brembo-Vierkolbenzangen im Vorderrad keine Mühe. Die Hinterradbremse versieht unauffällig und deshalb gut ihren Dienst. Bei harten Bremsungen übertrug sich jedoch ein heftiges Rubbeln vom Vorderrad her auf die Maschine. Offenbar geraten die Gabelholme in Resonanzschwingungen. Doch das sollte abstellbar sein.

So weit, so gut: Aber wie schön? Muß man bei einem Test der Bimota Mantra nicht auch ihr extremes Design beurteilen? Das flache, breitbackige Heck - das von hinten fast so aussieht wie das Raumschiff Enterprise? Das Tank-Scheinwerfer-Monocoque mit Handschuhfach, Testarossa-Kiemen und Instrumenten auf einer imitierten Wurzelholz-Platte - als hätte Katana-Designer Hans A. Muth von einem Jaguar XJS geträumt? Den Scheinwerfer, die vier Endschalldämpfer und den Verkleidungskiel - eine Verbindung von Schwalbe, Vespa und Vmax? Nein, man muß nicht. Denn erlaubt ist, was gefällt. Oder, wie es schon der alte Fritz von Preußen klug entschied, als er einst über die richtige Religion in seinem Staate befinden sollte: »Bei mir soll ein jeder nach seiner Fasson selig werden.« Recht hat er

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