Test BMW R 1150 R Rockster

Test BMW R 1150 R Rockster Zeichen auf Sturm

Kaum zu glauben, aber wahr: Auch BMW surft ab sofort auf der Streetfighter-Welle mit. In Windeseile zauberten die Münchner die kernige Rockster aus dem Baukasten, die ein ganz neues R-Lebnis schafft.

Es sind genau 40 Millimeter. Nicht die Welt, aber genug, um einen Keil zu treiben zwischen Gut und Böse, zwischen zivile Roadster und extrovertierte Rockster? 40 Millimeter, die es in sich haben. Beinahe unendlich streckt sich das Rohr des Lenkers über 850 Millimeter Gesamtlänge, fordert den Fahrer von einem Ende zum anderen. Nicht nur körperlich, sondern auch psychisch. Schon im Stand. Immer das Vorderrad im Sinn, dazu das Kreuz breit und die Arme lang: In dieser Haltung visieren selbst bekennende Globetrotter schon bei der ersten Sitzprobe statt des fernen Horizonts ganz selbstverständlich den nächsten Kurvenscheitelpunkt an. Aktiv dabei sein - das ist die eine Botschaft, die eine BMW R 1150 R Rockster im Gegensatz zur normalen R vermittelt. Nur durch ein paar Millimeter mehr.
Die zweite Botschaft ist Beschränkung. In einer Welt, in der weniger eindeutig mehr ist, ist schon ein Soziusplatz zu viel. BMW setzt daher ab sofort aufs Kuchenblech. Solch ein Bauteil ziert bei der Rockster das hintere Rahmenheck. Genau dort, wo sich normalerweise der Soziussitz befindet. Ist einfach so da, gewissermaßen als Schutzhütte für das Bordwerkzeug. Weitere Funktion? Fehlanzeige.
Keine Frage, BMW goes crazy. Schürt Emotion, obgleich man eigentlich mit grundsolider Funktionalität gute Geschäfte macht. Kann das gut gehen?
Die vorläufige Antwort findet sich bei der Betrachtung der Rockster-Eckdaten. Breiter Lenker, klar, dazu der standesgemäßen 180er-Schlappen, wobei BMW angesichts der sportlichen Ausrichtung den griffigen Metzeler Sporttec M1 für angemessen hält. Die 5,50-Zoll-Felge dafür hat hat Schwester S spendiert. Das war es fahrwerksseitig auch schon, was die Rockster ausmacht. Der Rest ist Roadster pur. Und die funktioniert bekanntlich gut.
Stopp, da ist noch was. Auch im Maschinenraum gab es eine Änderung. Die Rockster fährt als erster Serien-Boxer mit der Kraft der zwei Zündfunken. Eine Neuerung, die künftig in alle Boxer mit Ausnahme der 1200 C-Modelle Einzug halten wird, in erster Linie aber nicht die Leistung steigern, sondern für deutlich geringeren Schadstoffausstoß sorgen soll.
So, jetzt aber, Druck aufs Knöpfchen. Mit bekannt dezentem, für ein böses Motorrad gar zu verhaltenem Sound brabbelt der 1150er vor sich hin, die Drehzahlerhöhung kommt nur bei kaltem Wetter zum Einsatz. Erster Gang – die BMW-Getriebe werden immer besser - ,und ab geht´s. Schon deutlich unterhalb von 2000/min schiebt der Boxer ruckfrei und geschmeidig vorwärts, um dann jenseits dieser Marke kerniger als bisher anzuziehen. Aha, Doppelzündung, das passt, so der erste Eindruck. Der sich im weiteren Verlauf des Drehzahlbands leider wieder relativiert. Jenseits von 3000/min ist nämlich Ende mit Vorsprung durch Twin-Spark. Jedenfalls, was Leistung und Drehmomentverlauf angeht. Da verliert der neue Motor gegenüber dem alten deutlich (siehe Diagramm), ist nicht nur auf der Prüfstandsrolle träger, sondern dokumentiert das im Vergleich zum R 1150 R-Top-Test auch mit geringfügig schlechteren Durchzugswerten, während er das altbekannte Laster, nämlich jenes unausgegorene Konstantfahrruckeln zwischen 2500 und 3000/min, abgelegt hat.
Das neue, agile Rockster-Gefühl ist also keine Sache des Motors. Hat nichts zu tun mit brachialem Anreißen, dem berühmten Tritt in den Allerwertesten. Es sind wirklich die anfangs erwähnten Millimeter, die entscheiden. Denn wenn auch im oberen Drehzahlbereich etwas mehr Punch nicht schaden würde, kommen vor allem auf kleinen und kleinsten Sträßchen trotzdem echte Rockster-Gefühle auf. Statt sich – wie auf der zivilen R – einfach treiben zu lassen, den unerreichten Komfort der Telelever-Vorderradführung zu genießen und praktisch ganz nebenbei fast allen anderen Verkehrsteilnehmern zu zeigen, wo der Hammer hängt, wird auf der Rockster die forcierte Gangart zum Selbstzweck. Jede Kurve aufs Neue genießt man dank des breiten Lenkers und der handlingfreundlichen Reifen das wunderbar leichte Einlenken, führt sich in voller Schräglage mit Genuss die satten Gripreserven vor Augen, ergötzt sich praktisch vom Scheitelpunkt an am gleichmäßigen Schub aus dem Drehzahlkeller. Die Qualitäten der eigenwilligen BMW-Konstruktion ins rechte Licht zu rücken – das ist die Stärke der Rockster.
Und sie kaschiert dabei auch gleich noch die eine oder andere leichte Schwäche. Wer mit Volldampf unterwegs ist, immer auf der letzten Rille bremst, nimmt kaum wahr, dass die Bremsdosierung bei Anpassungsbremsungen – also wenn die Geschwindigkeit behutsam abgebaut werden soll – nach wie vor nicht zu den Paradedisziplinen der BMW-Anlage mit Bremskraftverstärker gehört. Ins Bewusstsein rückt vielmehr der fulminante Biss und – natürlich auch bei der Rockster optional erhältlich – die Sicherheitsreserve, die das ABS in Kombination mit dem kaum abtauchenden Telelever bietet. Da wird der Regelbereich zum Hobbykeller, in dem man sich gerne und häufig aufhält. Genau wie in tiefsten Schräglagen. Oft kratzt vor lauter Übermut schon mal die Fußraste, obgleich die Schräglagenfreiheit für die Landstraße allemal ausreichend ist.
Ist die Rockster deshalb die bessere R? Nein, aber eine andere. Beim flotten Ritt auf der Hausstrecke oder dem Alpenpass vermittelt sie Geschwindigkeit klarer, hat dafür auf der großen Tour Nachteile, weil der Fahrer wegen des breiten Lenkers stärker im Wind hängt und die Sitzposition auch abseits der Autobahn wegen der merkwürdigen Kröpfung des Lenkers auf Dauer anstrengt. Positiv hingegen fällt der in allen Bereichen geringere Verbrauch des Twin-Spark-Motors auf. Zwischen fast einem Liter bei Tempo 130 und 0,3 Litern auf der Landstraße schwankt der Verbrauchsvorteil und spendiert so eine theoretische, für BMW-typische Reichweite von beachtlichen 357 Kilometern.
Und auch in einem anderen Punkt bleibt sich BMW selbst treu. Wer doch lieber zu zweit unterwegs ist, kann verschwiegen unter der Ladentheke für 140 Euro den Soziuskit erwerben. Der macht aus der Rockster ruck, zuck einen vollwertigen Zweisitzer. Damit die Zeichen wohl auf der Straße, nicht aber am heimischen Herd auf Sturm stehen.


So testet MOTORRAD - Schräglagenfreiheit

MOTORRAD erklärt die einzelnen Kriterien der 1000-Punkte-Wertung (Teil 11)

Wer früher am Bikertreff Eindruck schinden wollte, musste mit angeschliffenen Fußrasten, Schalldämpfern oder – im Fall von Boxermotoren – Zylinderkopfdeckeln aufkreuzen. Heute gelten in gewissen Kreisen noch ähnliche Gesetze, jedoch sind diese Insignien verwegener Fahrweise erheblich schwerer zu erlangen. Denn in der Regel muss man mit modernen Maschinen ziemlich schräg ums Eck wetzen, bis irgendein Bauteil aufsetzt. Gott sei Dank, denn schließlich geht es hier ja nicht um rennmäßige Kriterien, sondern um die Sicherheit. Wer sich im Kurvenradius verschätzt, braucht bei der Kurskorrektur Reserven, ohne dass es ihn gleich gen Grünstreifen hebelt. MOTORRAD überprüft die Schräglagenfreiheit zwar informationshalber auch auf der Kreisbahn, bewertet wird jedoch das Verhalten auf der Testrunde bei zivilisierter Fahrweise. Bewertet wird nicht nur, ob. sondern auch wie die Maschine aufsetzt. Läßt sich die Schräglage mit Spitzen an den Fußrasten ertasten? Werden Verkleidungsteile duchgeschliffen? Hebelt der Hauptständer die Maschine unvermittelt aus der Spur, weil das Hinterrad urplötzlich wegrutscht?

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