Ohne Witz: Triumphs Test- und Entwicklungsfahrer Felipe Lopez hält auf dem GP-Kurs von Barcelona den Streckenrekord. Mit einer Street Triple! Glaubt ihr nicht? Na gut. Ihm gehört nicht die absolute Bestzeit. Aber zumindest seit der kürzlichen Neuasphaltierung fuhr kein Motorrad mehr schneller um den Catalunya-Track [Stand März 2017; Anm. d. Red.]. Trotzdem gebührt der erbrachten fahrerischen Leistung Respekt. Am Fahrtag der Triumph Street Triple 765 RS-Präsentation kommt dem schnellen Spanier auf dem Rundkurs keiner so richtig hinterher. Auch TT-Racer Gary Johnson nicht, der sich gewissermaßen als Stargast im Sattel und an der Hotelbar die Ehre gibt. Andererseits, und das ist für uns alle der viel wichtigere Part der Geschichte, gehört dem Motorrad Lob und Anerkennung ausgesprochen.
Highend-Produkt Triumph Street Triple 765 RS
Zur Einordnung ein kurzer Exkurs in die Modellgeschichte der Triumph Street Triple: Seit seinem Erscheinen im Jahr 2007 scharte der quirlige Dreizylinder Fans um sich, und zwar viele. Zwei Dinge zeichnen dafür verantwortlich. Damals noch mit 106 PS aus 675 Kubikzentimeter Hubraum, überforderte der Triple niemanden mit überbordender Power, zudem glänzte die Maschine mit easy Handling. Gleichzeitig war das leichte Naked Bike in der R-Version mit seinem knackigen Fahrwerk sobald es kurvig wurde ein nicht zu unterschätzender Big Bike-Killer. Über 50.000 Einheiten will Triumph bis heute weltweit von der Maschine abgesetzt haben. Mit entsprechender Gewissenhaftigkeit ging der Hersteller das wichtige Projekt der Modellüberarbeitung an. Und siehe da: jetzt endlich bekommen die Performance-Hungrigen unter uns die Streety, von der sie seit zehn Jahren träumen. Mit 123 PS Spitzenleistung und Top-Ausstattung stellt die Triumph Street Triple 765 RS das Highend-Produkt der neuen Streety-Familie dar. Und es ist gut geworden, liebe PS-Gemeinde. Unfassbar gut sogar!
Power und Kontrolle halten sich exzellent die Waage
Der Morgen beginnt mit einer Landstraßenrunde in der Gegend um Barcelona. Kompakt sitzt man auf der schlanken Triumph Street Triple 765 RS, aber nicht unangenehm eingepfercht. Vielmehr befindet sich alles dort, wo man es intuitiv haben möchte. Die Lenkerbreite stimmt genau, um genügend Druck aufs Vorderrad zu bringen und gleichzeitig eine bequeme Haltung zu gewährleisten. Endlich der Druck aufs Anlasserknöpfchen: nichts geschieht. Alle modernen Triumphs verlangen zum Start eine gezogene Kupplung, sonst verweigert die Bordelektronik die Zündung. Apropos Kupplung: Diese geht leichtgängig, ist schön dosierbar und setzt der ganzen Sache mit ihrer ausgefeilten Anti-Hopping-Funktion die Krone auf, wie sich später auf der Rennstrecke herausstellt.
Die Landstraßenfahrt bis zum Mittag beweist, dass sich die Street Triple in ihren Kernkompetenzen treu geblieben ist. Allerdings verschiebt und verschärft die RS diese positiven Eigenschaften in eine Richtung, die wundervoll nach Racing schmeckt. An einer Bergaufpassage ähnlich einem kleinen Alpenpass geben wir dem Dreizylinder Feuer. Die RS fegt nur so die Piste hoch, folgt wie selbstverständlich dem kleinsten Lenkimpuls und hebt im zweiten Gang beim Herausbeschleunigen lustvoll und befreit das Vorderrad. Der aufgebohrte und stark überarbeitete Motor basiert übrigens auf dem Antrieb des Supersportlers Daytona. Jedenfalls steht der Triumph Street Triple 765 RS das Hubraumplus hervorragend. In mittleren Drehzahlen marschiert das Bike deutlich kräftiger als der Vorgänger, ohne dass die Drehfreudigkeit des Motors darunter leiden würde. Dazu dieser raspelnde und kehlige Dreizylindersound, der dich aus der Airbox heraus so unanständig anbrüllt. Phänomenal!
Fahrwerk und Bremsen
Das Fahrwerk funktioniert klasse, die Abstimmung der Federelemente ist echt gelungen. Trotz des scharfen Handlings liegt die Triumph Street Triple 765 RS selbst ohne Lenkungsdämpfer ruhig und ganz neutral. Am Kurveneingang lässt sich die RS jede Linienwahl gefallen und folgt den Lenkbefehlen des Piloten fast schon telepathisch. Der Engländer würde vielleicht sagen: Streetsurfing at it’s best! Ein weiteres Highlight bildet die Bremsanlage. Punktgenau und proportional zur Handkraft verbeißen sich die Brembos in die Bremsscheiben. Wie gut die Stopper funktinieren, zeigt sich auf der Rennstrecke. Am Ende der Geraden des Circuit Catalunya steht die Streety manchmal auf dem Vorderrad, ohne dass das Race-ABS störend eingreifen würde. Was uns wiederum zur Elektronik führt. Die RS verfügt über ein System mit E-Gas, fünf verschiedenen Riding-Modes (Rain, Road, Sport, Track, Rider) und Traktionskontrolle plus ABS. Je nach Modus geht die Maschine sanft bis sehr direkt ans Gas.
Auf der Rennstrecke sind wir im Track-Modus unterwegs und mit der Arbeitsweise der Traktionskontrolle zufrieden – sie interveniert spät und recht fein. Zudem funktioniert der Schaltautomat bestens. Auch hier glänzt das Fahrwerk. Offenbar verfügt es über einen weiten Einstellbereich und enorme Reserven, denn im Race-Setup pfeilt die Triumph Street Triple 765 RS bei Vollgas unbeirrbar sauber um die Kurven. Diese neue Street Triple mag vieles sein – nur ganz bestimmt nicht nur so ein Mittelding.