Vergleichstest Allrounder

Vergleichstest Allrounder Wo frohe Kräfte...

...sinnvoll walten, da lass dich ruhig nieder. Vier offenherzige Nippon-Persönlichkeiten versprechen Punch statt Pansch.

Wo frohe Kräfte... fact

Metallisch knisternd machen dicke Reihenvierer Rast unter südfranzösischer Sonne, lassen mit ihren knallheißen, mehr oder weniger kühlrippenverzierten Motoren die kühle Luft flirren. Stilleben neben der Autobahn irgendwo zwischen Orange und Avignon auf dem Weg Richtung Mittelmeer. Hondas jüngster Naked-Allrounder Hornet 900 stellt sich den traditionsreichen Kämpen Suzuki GSF Bandit 1200, Kawasaki ZRX 1200 sowie der für 2002 leicht retuschierten Yamaha XJR 1300.
Das Pflichtprogramm – Verbrauchs- und Autobahntestfahrt – ist im Kasten. Aber was heißt schon Pflicht, im Sattel der gelassen summenden hubraumstarken Vierzylinder gerät selbst eine schnöde Verbrauchsfahrt zur windumtosten Vorfrühjahrskur für die winterfröstelnde Bikerseele. An der Tanke erweist sich Yamahas XJR 1300 trotz neuer Vergaserbatterie mit 37 statt 36 Millimetern Durchlass, um sieben Kilogramm reduziertem Gewicht sowie verlängerter Sekundärübersetzung wie gehabt als Trunkenbold, Kawasaki ZRX 1200 und Suzuki Bandit 1200 sind etwas genügsamer - genaue Werte bis hinters Komma siehe Seite 31. Schade, dass die Hornet 900 ihre im Vergleichsfeld exklusive Gemischaufbereitung per Einspritzung sowie das geringste Gewicht – 219 Kilogramm gegenüber 245 (Kawa), 240 (Suzi) und 247 (Yamaha) – nicht in einen signifikanten Vorteil umsetzen kann. Jedenfalls nicht beim Spritverbrauch.
In Sachen Fahrspaß sieht die Sache anders aus, was sich bereits beim Zahlstations-Slalom, dem beliebten Spiel auf Wegzoll-pflichtigen Autobahnen beweist. Ziel dabei: das zeitraubende Prozedere möglichst schnell hinter sich zu bringen. Der Weg: die Gegner auf den Parallelspuren bis kurz vor der Wahl eines freien Mauthäuschen im Unklaren lassen, blitzartig einen Haken schlagen, rein in die Box, auf den Punkt stoppen, bezahlen und bei Grün volle Kanne rausbeschleunigen. Beim ersten Teil des Spielchens macht der Honda so schnell keiner was vor. Wenn’s pressiert, lenkt sie auf den letzten Drücker ein, verwirklicht selbst aberwitzige Linienideen ohne Federlesens und sichert ihrem Piloten ein ums andere Mal die Pole Position an der Zahlbude. Eine enorm handliche, hervorragend ausbalancierte Geometrie sowie toll dosierbare Stopper vorn und hinten, Ex-Fireblade-Material anno 1996, machen’s möglich.
Da guckt die Konkurrenz in die Röhre, oder besser aufs kecke Honda-Heck. Am nächsten dran ist der zweitbeste Spaßmacher des Quartetts, die Kawasaki ZRX 1200. Agil und neutral, bleibt sie der Hornet dicht auf den Fersen. Ihre kräftig zubeißenden Sechskolbenzangen vorn ermöglichen mit etwas Gefühl sogar noch herzerfrischendere Punkt-Stopps. Einen Hauch weniger quirlig geben sich Bandit und XJR. Zwar verschließt sich Suzukis Topseller dank kompakter Fahrposition hinterm schmalen Lenker nicht grundsätzlich sportlicher Attitüde, das weiche Sitzpolster und ein deutlicher auf Geradeauslauf denn flinke Richtungswechsel ausgelegtes Set-up lassen jedoch eher Jogging- statt Sprinter-Atmosphäre aufkommen. Gleiches gilt für die unauffällige, satt verzögernde Bremsanlage, mit der selbst Anfänger gut zurechtkommen.
Die langgestreckte XJR 1300 verschreibt sich noch deutlicher dem Thema Entspannung. Weich gepolstert, leider mit einem harten Knubbel vorn versehen, verhindert die neu gestylte XJR-Bank ein Vorrutschen zur Tankkante, so dass sich kleine Piloten etwas verloren und passiv hinterm weit entfernten, hoch positionierten Lenker vorkommen. Immerhin dürfen sie über eine fabelhafte Bremsanlage gebieten, denn sowohl vorn als auch hinten beweisen die Yamaha-typischen Stopper mit einteilig gegossenen Zangen, dass sich gute Dosierbarkeit und herzliche Wirkung locker unter einen Hut bringen lassen. Übrigens - Großgewachsene können sich mit dem generösen Platzangebot auf dem dicken Brummer prima arrangieren. Ist halt alles eine Charakterfrage.
Und davon haben unsere vier Vorzeige-Allrounder eine ganze Menge in petto. Etwa die Hornet 900. Sie scheint einen tiefen Hauch Feng-Shui-Philosophie inhaliert zu haben, entsprechend der Lao-Tse-Weisheit: »Bediene dich dessen, was ist, erkenne den Nutzen in dem, was nicht ist.« Luftig und klar fügt Honda nämlich die essentiellen Motorrad-Bestandteile zu einer mutigen Fahrmaschine auf der Basis des 600er-Hornet-Konzepts zusammen. Den optisch nahezu im Verborgenen wirkenden Rückgratrahmen etwas verstärkt, eine 43er- statt der 41er-Gabel eingepflanzt, einen zweiten hochgelegten Schalldämpfer installiert, fertig.
Na ja, fast. Im Zentrum steht nämlich der Fireblade-Antrieb Jahrgang 1998. Er büßte durch reduzierte Verdichtung, veränderte Steuerzeiten sowie die Einspritzanlage mit 36er-Drosselklappen in seinem neuen Domizil nominell 21 PS Spitzenleistung ein, erfreut statt dessen mit quicklebendigem Antritt knapp oberhalb Nenndrehzahl. Erstaunlich, wie willig die Hornisse in jedem Drehzahlbereich lossaust, ohne ihren Piloten bei spontanen Kommandos mit allzu hässlichen Lastwechseln zu piesacken.
Da ist der Kawasaki-Block aus anderem Holz geschnitzt. Holzfällertyp statt Feng-Shui-Lehre. Aus 1165 cm3 schöpft der wassergekühlte Reihenvierer in Kraftwerk-Optik satte 120 PS. Hemdsärmlig klettert er aus dem Drehzahlkeller, holt kehlig röhrend Luft und klotzt bereits ab 3000/min mit mehr als 100 Newtonmetern Drehmoment. Auf eine nervöse Gashand reagiert er allerdings mit Lastwechselspiel.
Mit solcher Unbill haben die Boliden aus dem Hause Suzuki und Yamaha weniger am Hut, dafür präsentieren sie offenherzigen Maschinenbau im Cinemascope-Format. Auf breiter Bühne halten ihre in wunderbar feine (GSF) respektive prominent wuchernde (XJR) Kühlrippen gewandeten Big Blocks ein flammendes Plädoyer pro Luft- beziehungsweise Luft-/Ölkühlung. Auch unter der schönen Schale lassen sich beide nicht lumpen. Druckvoll und kultviert stimmen sie das Hohelied vom Hubraum an. Im mittleren Bereich satt auf Drehmoment gebettet, lässt der Beschleunigungsdrang Richtung fünfstelligen Touren allerdings deutlich nach.
Genau deshalb kann sich die Hornet trotz Hubraum-Mankos – zur Yamaha etwa fehlen ihr genau 332 cm3 – beim zweiten Teil des Zahlstations-Spiels behaupten. Obenraus feuert der Ex-Blade-Motor nämlich grimmiger als der restliche Clan, so dass die 900er mit freundlicher Unterstützung der kurzen Übersetzung und des geringsten Gewichts Meter macht. Bis – natürlich nur auf unlimitierter Autobahn – 240 km/h auf der Uhr stehen, immerhin echte 228. ZRX und GSF können sogar noch schneller, genauer gesagt 241 und 234 km/h. Rein akademische Werte freilich, denn Tempi jenseits 160 sind mit den nackten Kanonen eher stressig denn spaßig. Vor allem wegen des Winddrucks, die Stabilität geht auch bei hohen Geschwindigkeiten noch in Ordnung.
Lediglich auf welligem Belag und entlastetem Vorderrad sollten insbesondere Honda-Treiber den Lenker fest im Griff behalten, denn die unerhörte Agilität fordert hin und wieder ihren Tribut in Form von leichtem Lenkerzucken – wohlgemerkt nur unter Extrembedingungen. Keine Extreme erwarten das Quartett beim genüsslichen Herumkurven auf mustergültigem Asphalt in bergigem Küstenrevier. Hier schenkt sich die Rasselbande nicht allzu viel, im Sekundentakt geht’s je nach Gusto die exakt schaltbaren Gangboxen rauf und runter. Einfach nur so. Just for fun, schließlich haben alle vier selbst in kniffligen Bergaufpassagen bereits bei zivilen Drehzahlen mehr als genug Schmalz an der Kette – Drehmomentberge mit ausgedehnten Hochplateaus machen gelassen. Speziell an Bord der drei über ein Liter großen Dickschiffe.
Andererseits erntet Hubraumbenjamin Hornet im verwinkelten Swingerparadies dank ihres quasi gedankengesteuerten Handlings erneut Sympathien. Das nur in der Federbasis einstellbare, direkt an der Schwinge angelenkte Federbeins bietet einen gelungenen Kompromiss aus ehrlicher Rückmeldung und angenehmen Komfort. Die nicht einstellbare Gabel spricht fein an, nur bei wilden Stopps auf schlechter Fahrbahn geht sie schon mal auf Block.
Voll einstellbar, ist das ZRX-Fahrwerk auf passabler Bahn stets Herr der Lage, die Gabel hält selbst ambitionierten Einsätzen der bissigen Stopper stand. Auf mieser Strecke wirkt die Front jedoch etwas hoppelig, wer nun noch brachial beschleunigt, erntet nervöse Zuckungen im Lenker. Eine ganze Ecke ruhiger durchpflügt die Suzuki Bandit straßenbauliche Unpässlichkeiten. Am Fahrwerk gibt’s nicht viel rumzustellen, es passt bereits ab Werk sehr gut. Unebenheiten werden meistenteils absorbiert, Lenkerschlagen ist kein Thema.
Yamaha wiederum hat sich die Kritik an der misslungenen, weil zu weichen Gabelabstimmung bisheriger XJR-Modelle zu Herzen genommen und die 2002er-Auflage einen Tick straffer abgestimmt. Noch immer feinfühlig ansprechend, vermittelt die XJR endlich ein besseres Gefühl fürs Vorderrad, und die härteren Gabelfedern stemmen sich den Massenkräften beim Bremsen angemessen entgegen. Backbord prangen die von den bisherigen SP-Versionen bekannten, gülden glänzenden Öhlins-Federbeine. Nur in der Federbasis einstellbar, kommen sie ihrer Aufgabe unwilliger nach, als das wichtige Äußere erhoffen lässt – auf schlechter Strecke ist’s hinten mit der Ruhe vorbei. Überdies bildet die dicke Yamaha solo wie zu zweit in puncto Schräglagenfreiheit gemeinsam mit der Bandit das Schlusslicht. ZRX- und Hornet-Rasten nehmen erst bei schärferer Gangart Bodenkontakt auf.
Im Gegenzug bringen vor allem Yamaha und Suzuki ideale Voraussetzungen für Kontaktpflege zwischenmenschlicher Art mit. Ausreichend bemessene, bequeme Polster samt passender Rastenposition ermöglichen ausgedehnte Trips ohne orthopädische Nachbehandlung. Nicht besonders gelenkige Kawasaki-Beifahrer über 1,70 Meter Körpergröße sollten dagegen vor Antritt längerer Fahrten Ausschau nach einem Physiotherapeuten halten, denn die Rasten sind arg hoch montiert. Schade bei der sofamäßigen Stufenbank. Wie’s besser geht, zeigt die Hornet. Schlank, aber wirkungsvoll gepolstert, lädt der Hornissensitz zum gemütlichen Beisammensein, auch wenn die Soziusrasten wegen der hochgelegten Schalldämpfer relativ weit auseinanderliegen.
Das dürfen auch die Reiseziele, denn zum einen hilft eine ausreichende Anzahl von Gepäckhaken – bei der Honda unter der Bankunterseite verborgen - beim Gütertransport, zum anderen ermöglichen Tankinhalte um 20 Liter Nonstop-Etappen jenseits von 300 Kilometern. Bis auf die reduziert ausgestattete Honda, bei er selbst der Choke statt am Lenker direkt an der Einspritzanlage sitzt – Feng-Shui lässt grüßen - liefern alle Spritstandinfos ins Cockpit, bieten dem guten alten Benzinhahn ein Refugium und schmeicheln mit beiderseitig einstellbaren Handhebeln.
Gibt’s sonst noch entscheidende Differenzen? Nun, eine Wegfahrsperre besitzt ausschließlich die Hornet, die ihre Abgase wie die Kawasaki per U-Kat plus Sekundärluftsystem reinigt, während Bandit und XJR per Sekundärluftsystem für frischen Atem sorgen – mit unterschiedlichem Erfolg, wie die Abgaswerte belegen. Fahrspaß allerdings lässt sich nicht messen, sondern nur erfahren. Also los, auf unseren vier Allroundern kann man sich bedenkenlos niederlassen.

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1. Platz - Honda Hornet 900

Die fernöstliche Feng-Shui-Philosophie besagt unter anderem, das leerer Raum dem Wohlbefinden höchst zuträglich ist. Honda bedient sich eben dieser Reduktion aufs Wesentliche und hat damit ein in der firmeneigenen Philosophie fast untypisches Spaßgerät kreiert. Aber nur fast, denn rundum gut funktionierend, kann die Hornet vier von sechs Testkategorien für sich entscheiden. Und ist trotz des günstigen Preises auch noch Honda-typisch sauber verarbeitet. Mit einer etwas straffer abgestimmten Gabel könnte die Nippon-Hornisse der Konkurrenz allerdings noch schmerzhaftere Stiche zufügen.

2. Platz - Suzuki GSF 1200 Bandit

Sie ist die Topsellerin unter den Naked-Bikes. Kein Wunder, die große Bandit macht’s allen recht und keinem Angst. Obwohl ihr mittlerweile als Klassiker geltender 1157-cm3-Brummer mächtig loslegt, vermittelt sie Novizen das nötige Maß Vertrauen, ohne Profis zu langweilen. Die gelungene Ergonomie sowie ein problemloses, stabiles Fahrverhalten tun ein Übriges, um den exzellenten Ruf der Bandit weiter zu festigen. Zum konkurrenzlos günstigen Preis bekommen Drehmomentfreaks und solche, die es werden wollen, einen erwachsenen, ausgereiften Alleskönner in bester Japan-Tradition.

3. Platz - Kawasaki ZRX 1200

In puncto Fahrleistungen macht ihr keine der Konkurrentinnen was vor. Ehrensache für die selbstbewusst auftretende Kawa. Auch wenn die ZRX 1200 gold statt grün lackiert ist, die Z 1000 R-Aura bleibt allgegenwärtig. Danke Kawasaki, dass es euch gelungen ist, technische Evolution und traditionell-klassische Optik so fein zu verbinden. Da sieht man dem Big Bike das auf miesem Geläuf etwas stuckerige Fahrverhalten gern nach. Solange es Stufensitzbänke, unterzugbewehrte Schwingen und Heckbürzel gibt, kann die 80er-Jahre-Superbike-Fangemeinde ruhig schlafen. Lang lebe die ZRX 1200!

4. Platz - Yamaha XJR 1300

Grund zu Freude im Lager der XJR-Fans Yamaha hat Hand an sein Naked-Bike-Denkmal gelegt. Mit Erfolg. Dank gestrafftem Gabel-Set-Up erfüllt die 1300er Handling-Ansprüche nunmehr wesentlich aufrichtiger, ein Sekundärluftsystem sorgt für saubere Abgase, respektive geringeren Schadstoffausstoß. Selbst wenn die renovierte Tank-Sitzbank-Kombination und die Öhlins-Federbeine nicht den ganz durchschlagenden Erfolg zeitigen, kann der Hubraumbolide punktemäßig zulegen. Und seine Position des in Ruhe gereiften, wunderschönen Klassikers im Reigen der dicken Allrounder weiter festigen.

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