Vergleichstest Cagiva Raptor gegen Ducati Monster M 900 gegen Triumph Speed Triple
Die Flitzer

Flitzer: Sie sind nackt, rennen flink umher, zeigen unverhüllt, was sie haben – und alle gucken hin. Erregen die drei Nackten Cagiva Raptor, Ducati Monster M 900 und Triumph Speed Triple ähnlich viel Aufsehen?

Dafür sind sie gemacht: für Freiheit und Abenteuer, fürs Fahren aufrecht am breiten Lenker, genussvoll den Kräften der Fahrdynamik ausgesetzt . Für den Ritt durch die Natur, ungefiltert durch Verkleidung oder hohe Scheiben. Nacktmotorräder oder anglizistisch wohlklingender: Naked Bikes. Motorräder, die alles herzeigen, für Fahrer, die möglichst viel sehen wollen. Motorräder für die große Fahrt auf den Pfaden Europas oder die kleine zur Arbeit. Motorräder, die gut aussehen, damit ihr Fahrer gut aussieht. Motorräder nach alter Väter Sitte: pur, aufs Wesentliche reduziert, fast schon postmodern.
Die Nackten - eine stark besetzte Szene, voller japanischer Protagonisten und schillernder Stars aus europäischen Zweiradschmieden, etwa Ducati Monster M 900 und Triumph Speed Triple. Aber aufgepasst! Eine Neue ist gekommen, um den bisherigen Publikumslieblingen einzuheizen: die Cagiva Raptor, Derivat aus japanischem Herz und italienischem Fahrwerks-Chic. Im Preis kann sie mit 18297 Mark die Monster einen Hunderter, die Speed Triple gar über 2000 Mark unterbieten. Dabei macht die Cagiva alles andere als eine schlechte Figur.
Im Design verkörpert sie ganz klar die Postmoderne, schwimmt ganz oben auf der Zeitgeistwelle. Interessant, interessant, wie sich das Auge an den vielen Ecken und Kanten festguckt, wie der Blick an den witzigen Details – der Klauensymbolik etwa – hängen bleibt. Letztlich stellt sich die eigentlich etwas zerklüftete Cagiva mit ihrem markanten, kantigen Kunststofftank doch als elegante, dynamische Erscheinung dar. Ein gelungener optischer Kniff, ähnlich einer Skizze, die aus ein paar Strichen ein ausgeklügelt-plastisches Ganzes zaubert.
Da wirkt die Monster, Jahre zuvor ebenfalls vom Argentinier Miguel Galluzzi gezeichnet, schon ein bisschen altbackener, erfreut indes nach wie vor durch ihre Formen. Sie fällt angesichts der augenscheinlich muskulöseren Raptor als äußerst zierliches Motorrad auf, erst recht neben der Speed Triple. Die wirkt wie ein maßstäblich vergrößertes Motorrad, strahlt ein klein bisschen den Eroberer-Nimbus des britischen Imperialismus aus. Die Triumph hat über die Jahre nichts von ihrem etwas brutalen Charme eingebüßt, schon gar nicht in diesem strahlenden Grün-Metallic, das die extravaganten Kurven der Triple so richtig in Szene setzt. Drei Nackte also, die für jeden Geschmack was bieten.
Persönliche Vorlieben sind natürlich bei emotional so stark besetzten Motorrädern fast so wichtig wie die Funktion. Glücklicherweise funktionieren unsere Kandidatinnen denn auch weitgehend wunschgemäß. Motorisch etwa. Ein Naked Bike lebt vom Charakter seines Triebwerks. Und dieser wird vom Sound, der Laufkultur und vor allem der Leistungsentfaltung geprägt. Wir vermerken satte Noten für den Neuzugang, der mit seinem eigentlich altbekannten L-Twin aus der Suzuki-TL 1000 S Kraft und Herrlichkeit zelebriert. Verführerisch, wie bissig die Raptor am Gas hängt, auch aus niedrigen Drehzahlen gierig vorwärts schnalzt, stets für reichlich Pferdestärken am Hinterrad sorgt, unterstützt von einem tollen Sechsganggetriebe und der kurzen Gesamtübersetzung. So knackig wie eine kurz übersetzte TL1000 eben.
Dagegen wirkt die Speed Triple, vor allem aus niedrigen Drehzahlen, erstaunlich verhalten. Erstaunlich deshalb, weil der fast ein Liter große Triumph-Drilling unter den Testern zu Recht Kultstatus genießt und auch diesmal wieder beeindruckende 117 PS auf die Prüfstandsrolle drückt. Vor allem im mittleren Drehzahlbereich begeistert er durch gewaltigen Bums, immer untermalt vom herrlichen Gesang des regelmäßig – innerhalb zweier Kurbelwellenumdrehungen alle 240 Grad – zündenden Reihendreizylinders.
Unterm Strich bringt die Speed Triple die besseren Fahrleistungen als die Raptor zustande. Dass sie trotzdem verhalten wirkt, liegt daran, dass die allesamt bei Volllast ermittelten Messwerte natürlich die Art und Weise verschweigen, wie sich die Leistung entwickelt. Und genau darin muss sich die sehr gute Triumph der noch besseren Cagiva beugen. Bestnoten kassiert die Britin dann wieder für ihr vorbildliches Lastwechselverhalten.
Die Ducati backt kleinere Brötchen, muss Drehzahlen setzen, um dran zu bleiben. Da hilft ihr die kurze Gesamtübersetzung sowie die fast rennmäßige Stufung des leicht knochigen Sechsganggetriebes, auch aus der 748 bekannt. Der altgediente, dank Motormanagement deutlich erstarkte Desmo-Twin drückt beachtlich, seine heißblütigen Pferde gallopieren spontan los. Somit folgt die leistungsmäßig deutlich unterlegene Duc den beiden anderen wacker, freilich mit stets höherer Drehzahl bei größerem Vollgasanteil. Das stresst Monster wie Reiter ein bisschen, während die anderen Nerven sparen. Dafür erweist sich ihr Zweizylinder als vergleichsweise sparsam, was angesichts von über zwei Mark für den Liter Super jeden Piloten freut. Und ist der Ducati-Fahrer allein auf Tour, merkt er schnell, dass der fast schon legendäre Desmo-Zweiventiler nichts von seinem hohen Unterhaltungswert eingebüßt hat.
Dafür hat das kleine Untier aus Bologna im 2000er-Jahrgang fahrwerksseitig zugelegt. Noch ein bisschen flinker – dank leichterer Felgen – jagt sie durchs Kurvenrevier, besitzt eine eindeutig verbesserte, viel sensibler ansprechende Gabel, bremst jetzt auch – modifiziert mit Stahlflexleitungen und günstigerer hydraulischer Übersetzung – angemessen knackig. Das ergonomische Feintuning – höherer Lenker, besserer Knieschluss, schmalere Sitzbank – zeigt positive Wirkung, die Monster M 900 ist bequem, bietet Spielraum für Fahraktivismus, bevorzugt allerdings kleinere Fahrer.
Da MOTORRAD bislang ein bisschen mit der Serienbereifung haderte, rollt diese Testmaschine auf Pirelli Dragon GTS. Gummis, die ausgezeichnet mit der Monster harmonieren. Und mit denen sie die Qualitäten ihres Fahrwerks – das Rahmenkonzept entstammt immerhin der ehrwürdigen 851/888-Modellreihe – leichtfüßig ausspielt, präzise und spielerisch selbst enge Kurvenkombinationen durcheilt.
Schrägfahrer müssen jedoch auch beim aktuellen Modell die eher mäßige Schräglagenfreiheit kalkulieren, hart setzen rechtsherum der Auspuff und linksherum der Seitenständer auf. Immerhin arretiert der ausgeklappte Ständer jetzt, das Gefummel mit der linken Stiefelspitze hat somit ein Ende. Werden die Kurven schneller oder geht’s ganz schnell geradeaus, wird die Monster zusehends nervöser – was bei einem Naked Bike schon mal vorkommen darf.
Und so zeigen auch die Kontrahentinnen kleine Geradeauslaufschlenker. Immer wieder erstaunlich, wie hilfreich da selbst kleine, rahmenfeste Verkleidungen wirken. Eine solche zierte die letzte Test-Speed Triple, und die donnerte bei Topspeeed stur geradeaus, während die gänzlich unverkleidete Triple schon mal über den breiten Lenker Impulse für ein leichtes Rühren um die Lenkachse aufnimmt. Nicht schlimm, aber spürbar.
Noch ein Unterschied zum letzten Speed-Triple-Test: Diesmal ist die Engländerin mit Pirelli Dragon-Evo bereift. Die bieten gegenüber den Bridgestone BT 56, mit denen die Triumph ebenfalls ausgeliefert wird, einerseits Vorteile. Sie beruhigen die Lenkung, verbessern die Fahrstabilität in Schräglage, vor allem auch auf welliger Straße, wo sich die Speed Triple mit dem hinteren BT 56 ein wenig den Strich verschaukelt. Andererseits sorgen die Bridgestone für bessere Rückmeldung und lenken präziser und agiler ein. Den Fahrspaß mit der Triple können aber keine der beiden Bereifungen verderben.
Immer wieder herrlich, das Inselross übers Geläuf galoppieren zu lassen, in typisch aufrechter Haltung am breiten Lenker durch schnelle Bögen zu segeln. Stabil bis in tiefste Schräglagen zieht die Triumph ihre Bahn, spielt die enge Verwandtschaft zur sportlichen Daytona durch tadellose Kurvenlage aus. Im Handling gibt sie sich träger als ihre Widersacher, biegt dennoch willig auch durch enge Wechselkurven, am liebsten per stetem Zug am Gas bei Laune gehalten. Auch die Federelemente spielen gut mit, wenngleich die Feder des Federbeins nach deutlich mehr Vorspannung verlangt und die Hinterhand auf kurz hintereinander folgenden Wellen schon mal ein wenig unwillig anspricht. Dies dürfte ein Tribut an die schicke Einarmschwinge sein, denn solche Schwingen wiegen schwer, weshalb die Hinterhand mit hohen ungefederten Massen kämpft. Trotzdem, die Triumph erlaubt eine der lässigsten Arten des Kurvensurfens überhaupt.
Und wird dennoch in diesem Vergleich übertrumpft: Die Cagiva Raptor fährt einfach noch ein bisschen lässiger. Die Monster ist handlich, die Cagiva noch handlicher, geradezu unglaublich spielerisch. Die Triple nagelt wie auf Schienen durch die Kurven, die Raptor noch einen Tick stabiler. Es scheint, als hätten sich die Cagiva-Ingenieure intensiv mit ihrer potentiellen Konkurrenz befasst, denn sogar die vordere Bremse, eigentlich bis auf die Beläge baugleich mit der der Monster, arbeitet wirkungsvoller als am Ducati-Pendant, auch wenn sie nicht so gewaltig bremst wie die Triumph-Anlage.
Geradeauslauf? Nicht perfekt, aber besser als bei den beiden anderen. Lenkpräzision? Vorbildlich, besser geht’s kaum noch. Wirklich ein tolles Fahrverhalten fast ohne störendes Gebaren. Die Raptor, ein gelungener Mix aus zwar nicht einstellbaren, dafür gut abgestimmten, sensibel ansprechenden Federelementen, einer gelungenen Fahrwerksgeometrie und den passend gewählten Reifen, hier Bridgestone BT 56, hinten wohlweislich in völlig ausreichender 180/55-Dimension auf einer heutzutage »schmalen« 5,50-Zoll-Felge. Eine endlose Freude, Asphaltbänder jeden Charakters unter die Räder zu nehmen, die Cagiva durch lange, glatte Bögen, über übelste Nebenstrecken, kurvige Bergsträßchen zu treiben. Na ja, der Lenker zuckt schon mal, was beim bärigen Antritt der Cagiva eigentlich kein Wunder ist. Der Fahrspaß stand jedenfalls ganz oben im Lastenheft der Raptoren-Entwickler.
Schade nur, dass die Cagiva-Ingenieure die ganz Großen vergessen haben. Denn dieses fast beispiellose Funbike mit diesem fantastischen Triebwerk passt eigentlich nur Leuten bis maximal 1,80 Meter Körpergröße. Noch extremer als auf der Monster muss sich der Raptor-Fahrer falten, wenn er mehr als besagte Grenze misst. Der anderen werden die niedrige Sitzposition dagegen als wahres Glück empfinden. Bedauerlich für die Langen. Aber Gott sei Dank gibt’s bei diesem Test ja nicht für jeden Geschmack, sondern auch für jede Größe etwas. Die Triumph passt selbst für 1,90-Meter-Menschen und bietet nebenbei auch noch die beste Mitfahrgelegenheit. Und die Ducati wählen die Puristen, denen die eine zu bombastisch, die andere zu japanisch geworden ist.

Unsere Highlights

Fazit: Cagiva Raptor 1000 - 1. Platz

Raptoren sind bissige Viecher, da verwundert’s wenig, dass die brandneue Cagiva ihre gestandenen Gegnerinnen eindost. Die im Aufwind befindliche italienische Zweiradschmiede schafft es, dem Suzuki TL 1000-Motor ein angemessenes Fahrwerk zu geben. Prompt entsteht ein Zweirad, wie es launiger kaum sein kann: stark, wendig, spurstabil, dazu gut verarbeitet und ein kultiges Design. Schade nur, dass die Raptor eher kleineren Leuten passt. Trotzdem: Gratulation, Cagiva.

Fazit: Ducati Monster - 3. Platz

Auch die schönsten Dinge kommen einmal in die Jahre. Dies gilt für den Kölner Dom genauso wie für das Kult-Monster von Ducati. Dabei haben die Bologneser ihrem Naked Bike erfolgreich Modellpflege angedeihen lassen. Der Motor kräftiger, die Bremsen bissiger, die Gabel sensibler, die Sitzposition entspannter – Pech eigentlich, dass bei den Kontrahentinnen das alles noch etwas besser ist als die Monster. Aber dunkle Quellen munkeln ja bereits von einem auf 996-Basis...

Fazit: Triumph Speed Triple - 2. Platz

Die Triumph Speed Triple verkörpert die britische Persönlichkeit mit stolz geschwellter Brust. Zwar erreicht die Hinckley-Sound-Machine nach Punkten »nur« den zweiten Platz, aber vor allem für große Fahrer ist sie die erste Wahl. Sportlich, knackig, direkt und stark, wurde sie nicht umsonst von den MOTORRAD-Lesern zum »Motorrad des Jahres« unter den Allroundern gewählt. Obendrein sieht die Speed Triple auch noch gut aus, da bleiben wenig Wünsche offen.

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023