Kaum auf dem Markt, mausert sich die SV 650 zu Everybodys Darling und lockt selbst die Monster Dark aus ihrem Versteck.
Kaum auf dem Markt, mausert sich die SV 650 zu Everybodys Darling und lockt selbst die Monster Dark aus ihrem Versteck.
Natürlich sind wir alle sehr froh darüber, daß Suzuki die SV 650 gebaut hat. Die Welt braucht solche Motorräder. Echte Fahrmaschinen zu christlichen Preisen ohne dieses vollkornmäßige »Hauptsache gesund«-Outfit, das häufig hingenommen werden muß, will man sich beim Zweiradkauf nicht bis in die dritte Generation verschulden. Ja, wir sind dankbar. Für den V-Zwei-Motor, für den Gitterrohrrahmen, für den stilvollen Auftritt. Dankbar, daß es so etwas für 11090 Mark gibt. Doch bei aller Begeisterung und allem Respekt: Das Rad wurde mit der SV nicht neu erfunden. Für 12 Riesen plus ein paar Kleine bietet Ducati ein ähnliches Naked Bike an: die Monster Dark.
Gehören Sie zu den Leuten, die so viel wie möglich Leistung für ihr Geld sehen wollen? Dann können Sie sich die Lektüre dieses Vergleichstests sparen. Ab in die Straßenbahn, rein zum Suzuki-Händler, rauf auf die SV, und das Glück wird Ihnen in Gestalt munterer 71 Pferdestärken zuteil. Das heißt: 156 Mark pro PS. Viel billiger gehts nimmer. Bei der Monster zahlt man fast einen Hunderter mehr. Ist eben nicht mehr ganz so frisch, der luftgekühlte Desmo. Aber ein Bild von einem V2. Und das Auge fährt ja bekanntlich mit vor allem bei unverkleideten Motorrädern.
Mit seinen 53 Cavalli reißt der italienische Zweiventiler freilich keine Löcher in den Asphalt. Gemessenen Schrittes setzt sich die Monster in Bewegung. Es ist regelrecht spürbar, wie sie ihre Kräfte sammelt, um gegen Ende des ersten Drehzahldrittels voll da zu sein. Das hat nichts Träges, nichts Langweiliges, sondern etwas sehr Wahrhaftiges. Sie läßt einen teilhaben, die Ducati. Ist trocken und ehrlich. Vom der überschwenglichen Leistungsgesellschaft distanziert sie sich weit. So lernt man zwischen 3000 und 8000 Touren jedes PS persönlich kennen. Eins nach dem anderen galloppieren sie auf, nie zwei oder drei aufeinmal. Wäre ja auch eine unsägliche Verschwendung. Untermalt wird dieses ausgesuchte Ereignis von einer schaurig schönen V2-Symphonie.
Wer war das, wer hat da gegähnt? Ach Sie. Entschuldigen Sie, ich wußte gar nicht, daß Sie noch hier sind. Dachte Sie seien längst auf SV-Probefahrt. Ob er jetzt geht, der Desmo, wollen Sie wissen. Klar geht er. Wenn auch bei weitem nicht so gut wie der Suzuki-Motor. Vor allem obenraus. Aber er dreht und zieht und macht alles mit. Muß eben sehr viel häufiger geschaltet werden. Na und? Mal ganz unter uns: Schalten an sich ist doch gar nicht so schlimm. Solange das Getriebe gut funktioniert. Falls es Sie interessiert: Ich schalte sogar recht gern. Gibt einem doch gleich ein ganz anderes Gefühl. So, na ja, so aktiv.
Ach so, Sie sind ein Schaltmuffel. Dann sei Ihnen abermals die SV ans Herz gelegt. Dem Vierventiler ist es völlig wurscht, ob Sie nun im zweiten oder sechsten Gang unterwegs sind. Ein echter Hecht, dieser Suzuki-Triebling. Wirft beim Beschleunigen den Asphalt in Falten, zieht durch wie ein gepflegter Joint, läuft weich, säuft nicht. Jeder Wunsch ist ihm Befehl: Im Dritten mit zehn km/h durch die Haarnadelkurve, im Fünften am Berg überholen, im Sechsten in den Drehzahlhimmel _ er machts. Fühlt sich sehr souverän an. Und beruhigend. Fette Leistung. Immer.
Bloß bei den Vergasern klemmts. Da ist iregendwas mit der Abstimmung schief gegangen. Spontanes Gasaufreißen in höheren Drehzahlregionen quittieren sie mit leicht verzögertem Ansprechverhalten. Hinzu kommen mittelschwere Lastwechselreaktionen, bedingt durch den abrupten Leistungseinsatz der unterdruckgesteuerten Gemischaufbereitungsanlage. An der SV 650 S (MOTORRAD 4/1999) traten die gleichen Symptome auf. Nur in umgekehrter Ausprägung. Doch egal wie: Es stört. Besonders das Geschuckel beim Lastwechsel. Vor allem, wenn man zu zweit unterwegs ist. Dieses ewige »Ditsch«, wenn Helm an Helm klatschen, ist doch irgendwie peinlich. Um es zu verhindern, müßte man das Gas mit der Pinzette aufziehen.
Auch die Monster hat so ihre Probleme mit der Vergaserabstimmung. Bei ihr wills untenrum nicht so recht klappen. Geben die Drosselklappen nur einen winzigen Spalt frei, beginnt die 600er zu ruckeln. Den gemütlichen Stadtbummel kann man sich also in die Haare schmieren. Für den Stop and go-Verkehr hat die kleine Schwarze wenig Talente und eine viel zu schwergängige Kupplung.
Stadtverkehr pah. Wer will das wissen? So ein Naked Bike will doch raus aufs Land. Luft! Licht! Frei sein! Um die Kurven tanzen, dem leichten Leben frönen. Durch taufrische Täler schlendern, die ersten milden Sonnenstrahlen einfangen. Stadtverkehr was für ein Alptraum. Nix wie weg.
Auf der Suzuki gelangen Sie absolut streßfrei ans Ziel Ihrer Begierde. Nicht, weil die SV schneller ist, das macht den Kohl nicht fett, sondern weil sie den höheren Komfort bietet: sehr entspannte Sitzposition, bequemes Polster, kommode Fahrwerksbstimmung, keine nennenswerten Motorvibrationen. Da rauschen die Kilometer nur so durch. Mit der Ducati verhält sich das ein bißchen anders. Zwar paßt sie ebenfalls wie ein guter Turnschuh, doch gestaltet sich der Umgang mit ihr auf langen Anreisen ermüdender. Am rauheren Charme von Motor und Fahrwerk liegts.
Aber genau das macht im Kurvengeschlängel der Alpen oder der Provence oder wo auch immer den Reiz aus: diese knochige Art. Monster fahren ist anders. Monster fahren ist Maßarbeit. Tief in die Maschine integriert die beste Linie anvisieren. Mit leichtem Druck am Lenker die Schräglage einleiten. Und dann einen sauberen Bogen schlagen. Monster fahren heißt fühlen. Alles. Jede Zündung, jeden Pickel auf dem Asphalt. Verglichen mit der SV wirkt die Ducati sehr direkt: angenehm straff abgestimmte Federelemente, extreme Fahrwerksgeometrie, knackige Sitzbank. Trotzdem wäre es falsch, die Italienerin als sportlicher zu bezeichnen. Knackiger ist sie. Prägnanter.
Bei der Suzuki geht viel Feedback im Auf und Ab der Federelemente unter. Sie vermittelt weniger Gefühl für die Straße, verlangt häufiger nach Kurskorrekturen, schirmt ihre Besatzung dafür vor nahezu allen Angriffen der Teerwelt ab. Vor allem die Gabel geht enorm in die Knie, schlägt allerdings nicht durch. Zumindest nicht bei 16 Grad Außentemperatur. Ob ihre Reserven bis in den Hochsommer reichen, bleibt abzuwarten.
Jetzt gilt es, die naßforsche Art zu genießen, mit der die 650er um die Ecken biegt. Sich mitreißen lassen von ihrer Fahrenslust. Bam, bam, bam. Eine Kurve nach der anderen. So leicht, so lebendig. Eine Mischung aus »laissez faire« und Power. Nur die Lenkung paßt nicht ganz ins Bild. Fühlt sich seltsam teigig an. Luftdruck checken. Der Metzeler ME Z4 reagiert bekanntlich sehr empfindlich. Einen Hauch zu wenig und er hat keine Lust mehr, den Handlichen zu mimen. Und? 2,3 bar. Das ist in Ordnung. Wir erhöhen trotzdem auf 2,5. Und siehe da: es geht. Allerdings wirkt die Frontpartie jetzt leicht nervös. Wie mans macht...
Der Versuch, dem Monster das Kippeln abzugewöhnen, verlief ähnlich. Wir dachten, der Lenker sei zu weit nach vorn gedreht, so daß beim Kurven fahren vielleicht etwas zu viel Gewicht auf ihm lastet. Also: Näher an den Körper mit dem breiten Ding, den verstellbaren Lenkanschlag justiert ja, die Ducati hat so etwas und... igitt, paßt überhaupt nicht mehr. Dann eben die Holme der Upside-down-Gabel durch die Brücken geschoben, stehen ja zwei Finger breit über, um die Fahrwerksgeometrie zu entschärfen... auch Essig. Fährt komisch. Soll sie halt weiter kipppeln. Ist eh nicht schlimm.
Und Sie: Haben Sie sich jetzt entschieden? Gar nicht so einfach, gell. Vielleicht noch eine kleine Hilfe: Wenn Sie gern mit Passagier unterwegs sind, ist die Suzuki die bessere Wahl. Zumindest vom Platzangebot her. Seitens der Fahrwerksqualität macht die Monster den Punkt, da merken Sie gar nicht, daß Sie jemanden an Bord haben. Außer beim harten Beschleunigen, wenn der Lenker leicht zu zucken beginnt. Aber das macht die Suzuki auch.
Weitere Gemeinsamkeiten teilen die beiden nicht. Trotz gleicher Zielrichtung haben wir es hier mit zwei völlig unterschiedlichen Motorrädern zu tun. Die Monster dient dem Wahren, Schönen, Guten, die Suzuki dem Spaß an der Freude. Gehen Sie in sich, versuchen Sie herauszufinden, welcher Typ Sie sind.
Hier noch ein paar wissenswerte Details: Die Monster verbraucht mehr Sprit, hat keinen Drehzahlmesser und keine Doppelscheibenbremse. Dafür geht einem das Herz auf, wenn man etwas für Verarbeitungsqualität übrig hat. Tadellos. Alles. Jede Schraube, jede Steckverbindung, nahezu jedes Detail. Bei Ducati hat sich echt etwas getan. Die SV 650 kommt aber auch nicht schlampig daher.
Ich möchte echt nicht in Ihrer Haut stecken. Aber ist doch gut, daß wir verglichen haben. Oder?
Sie haben also Gefallen an der Monster gefunden, aber 53 PS sind Ihnen doch ein bißchen zu wenig. Nun, Ihr freundlicher Ducati-Händler weiß da einen Rat: Nehmen Sie doch einfach eine 750er oder noch besser eine 900er. Die haben 62 beziehungsweise 67 PS. Das Spitzenmodell, die Monster 900 S, hat sogar 75 Pferdestärken. Der Haken an der Sache: Eine 750er kostet knapp 16000 Mark, für die 900er werden mindestens 17340 fällig, und das Topmodell schlägt mit lockeren 20000 zu Buche. Ganz schön happig, was. Die Preisgestaltung ist übrigens nach oben hin offen: Es gibt nämlich von jedem Monster jede Menge Ableger. Sie heißen City oder City Dark oder Cromo oder so, tragen Koffer oder Windschild oder Schwarz, machen aber auch in Chrom oder Karbon. Von der 600er gibt es ebenfalls vier verschiedene Ausführungen, leider keine, die günstiger wäre als die getestete Monster Dark.
Feedback ist, wenn es zwischen Mensch und Maschine keine Geheimnisse gibt. Und Feedback hat einen Namen: Monster Dark. So klar wie diese Ducati gezeichnet ist, so tranparent sind ihre Auskünfte. Man fühlt alles: jede Zündung, jedes PS, jedes Grad Schräglage, jeden Stein. Erlebnis pur. Durch und durch echt. Sehr schön: der Spritzschutz am Hinterrad. Nicht so gut: der Soziusplatz. Häßlich: nichts.
Ein Motorrad, mit dem Sie Ihre Oma zum Milch holen schicken können. Obacht nur beim Lastwechsel, sonst schwappt´s. Die abrupt ansprechenden Vergaser verlangen Gefühl. Ansonsten: alles lässig. Handling, Stabilität, Komfort, Druck die SV hats. Sie taugt als Kurvenfresser, Mitfahrgelegenheit und Big Bike-Schreck. Sehr schön: die Sitzposition. Nicht so gut: die weiche Gabel. Häßlich: der Seitenständer.
Die Ducati Monster 600 und die Suzuki SV 650 tragen beide einen V2-Motor mit 90 Grad Zylinderwinkel und querliegender Kurbelwelle. Auch die Eckdaten von Hub, Bohrung und Vergaserdurchmesser liegen sehr eng beeinander. Doch mit klassischer Verrippung outet sich der luftgekühlte Ducati-Antrieb als Kind der siebziger Jahre. Dabei hat die Ducati durchaus technische Leckerbissen zu bieten. Einen leichten Zahnriemenantrieb zur obenliegenden Nockenwelle, die via Desmodromik (Zwangssteuerung) aber nur zwei Ventile pro Zylinder betätigt.Wesentlich moderner und leistungsfähiger gibt sich die Ventilsteuerung der brandneuen Suzuki. Zwei obenliegende Nockenwellen betätigen über drehzahlfeste Tassenstößel je vier Ventile pro Zylinder. Das Ergebniss: mehr Leistung, ein höheres Drehmoment bei gleichzeitig geringerem Verbrauch.