Vergleichstest Nacked Bikes
Indivi-Duell

Buell oder Triple, Guzzi oder Buell. Drei extrovertierte Begleiterinnen stehen zur Debatte. Alles nur ein Fegefeuer der Eitelkeiten – oder wirklicher Grund zur Begierde?

Liebe auf den ersten Blick: Gibt es das wirklich? Was es auf jedem Fall gibt, ist Verlangen auf den ersten Blick – ausgelöst durch rein äußere Merkmale, die den Puls höher schlagen lassen, anmachen durch Körper- und Formensprache. Da werden Eigenschaften suggeriert, Qualitäten unterstellt, nur aufgrund des aufsehenerregenden und auch außergewöhnlichen Auftritts. An eine lebenslange Beziehung denkt in diesem Moment kein Mensch, an alles andere beinahe jeder.
Triumph Speed Triple, Buell X1 Lightning und Moto Guzzi V11 Sport gehören zweifellos zur Kategorie der »Hingucker«. Sie fallen auf, egal, in welcher Situation, polarisieren durch Design und Technik, garantieren so einen vielbeachteten Auftritt, kurz: Sie haben etwas Exotisches, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.
Zum Beispiel die Guzzi: Die Neue soll an alte Guzzi-Zeiten anknüpfen. Und vor allem an erfolgreichere. Damals gehörten die Twins aus Mandello del Lario zum Straßenbild, heute erregt die lichtgrüne V11 wenigstens soviel Aufsehen wie eine gut erhaltene V7 von 1971. Viel Motor damals wie heute, das verspricht Temperament. Der Rest: zurückhaltend, klassisch, ohne dabei die beachtlichen Proportionen zu kaschieren. So sitzt ein teures Kostüm vom Maßschneider.
Anders die Buell: Dieser riesen Milwaukee-Zweitopf nimmt sich im filigranen Rohrgeflecht aus wie Pamela Anderson im Badeanzug. Gewagte Proportionen, die auffallen, zumal die X1 in der Farbvariante Knallorange grell als Grundhaltung verkörpert, unterstrichen vom metallicblauen Lidschatten des Rahmens.
Zurückhaltung ist auch nicht das Metier der Speed Triple. Trotzdem ist sie wiederum anders. Ihr sitzt das kleine Schwarze wie ein enges Mieder, betont die antrainierte Fitness, macht jedes Muskelspiel sichtbar. Dazu der fesselnde Blick, der knackige Rahmen in metallischem Silber. Nichts für schüchterne Naturen, aber solche werden ohnehin keine der drei Kandidatinnen in die engere Wahl ziehen. Extrovertierte Biker hingegen schon. Allein deshalb, weil keines der drei Motorräder sich lediglich aufs Blenden verlegt. Anders aussehen heißt hier auch anders fahren.
Die Speed Triple zum Beispiel kommt so direkt zur Sache wie keine andere. Ohne langes Vorspiel, knallhart, unmittelbar – und immer dizipliniert. Sie duldet keine Schludrigkeit – weder bei sich, noch bei dem Fahrer. Aufsteigen, starten – der Dreizylinder ist beim ersten Knopfdruck da, weil die Einspritzung weiß, was sie tut – und Haltung annehmen. Mit aufrechtem Oberkörper, aber straff angewinkelten Beinen, nicht gezwungen, aber konzentriert, auch wenn die Tankkanten etwas zwicken. Zum richtig Ärgern bleibt keine Zeit, denn es gibt Vortrieb ohne Aufschub. Die Schwarze scheint jedes Zucken der Gashand vorrauszuahnen, so unmittelbar spricht ihr Motor unabhängig von der Drehzahl an. Dazu gesellt sich ein Antriebsstrang, der jedes Spiel schon im Keim erstickt, und ein knochentrockenes Getriebe mit kurzen Schaltwegen. So lassen sich in Kombination mit dem voll einstellbaren, aber selbst bei weit aufgedrehter Dämpfung noch straffen Federelementen ohne störende Lastwechsel oder Schaukelei glasklare Linien auf den Asphalt zirkeln. Oder auch nicht. Dann nämlich, wenn die Rechte statt am Draht am Hebel zieht. Oder besser sanft anlegt, denn genauso konsequent wie die Triumph in ihrer Gesamtheit, ist ihre Bremse im speziellen. Einfach messerscharf, und zwar in Wirkung und Dosierbarkeit. Nichts für übermütige Rohlinge, die mit der Pranke in den Hebel langen. Das lässt sie sich ebenso wenig bieten wie unbedarftes Gasaufreißen im ersten Gang. Ersteres wird mit Kopfstand bestraft, bei letzterem stellt sie sich auf die Hinterbeine.
Ganz im Gegensatz zur V11. Deren Umgangsformen entsprechen ihrem Äußeren. Unverbindlicher, distanzierter – auf Umwegen zum Ziel. Das gilt bedingt für den gut 100 Kubikzentimeter größeren V2, der auf dem Weg zur Höchstdrehzahl zwar auch spontan antritt, aber deutlich eher die Puste verliert. Und sich mit dem butterweichen Sechsganggetriebe über lange Wege exakt schalten läßt. Das gilt – gemessen an der Triumph – unbedingt für das Fahrwerk, zusammengehalten vom traditionellen Rückgrat aus Vierkant-Stahlprofilen. Wer hier den falschen Ton trifft, wird nicht glücklich. Weil die Guzzi Herumgezappel und hektisches Treiben an Gasgriff und Schalthebel mit ganz unaristokratischen Lastwechselreaktionen bestraft, die schnell den Strich versauen. Weil sie schnelle Kurven und höheres Autobahntempo für unter ihrer Würde hält und darauf durch sehr bestimmtes Pendeln aufmerksam macht. Weil sie selbst dem plötzlichen Verlassen dieser Geschwindigkeitsbereiche einen unklaren Druckpunkt der Brembo-Stopper gegenüberstellt. Keine Frage, diese Guzzi will verstanden sein. Wem das gelingt, wer sich an klare Absprachen hält, der kann mehr als eine amüsante Teatime mit ihr verbringen. Sauber fahren, in einem Strich ums Eck, der rechte Gang und die rechte Drehzahl vorher parat: Das konveniert, dann schnurrt die V11, gibt sich deutlich handlicher als die Speed Triple und X1 und jede Guzzi vor ihr und bietet trotz niedrigerer Lenkerstummel wegen ihrer softeren Federelemente sogar mehr Komfort, selbst wenn die Vibrationen jenseits der 5000 U/min wenig damenhaft sind. Sportlicher - wie der Zusatz im Namen signalisiert - ist sie aber auf keinen Fall. Dieser Hinweis mag sich auf eine gepflegte Golfrunde beziehen.
Das wäre nun genau das falsche Umfeld für die Buell. Sie ist, wie sie sich kleidet, fährt, wie sie aussieht. Amerikanisch, direkt, ohne Umschweife – aber auch zu Übertreibungen neigend. Mit einem großen Herz am rechten Fleck. Wer diesen Pulsschlag spürt beim ersten Rendezvous, an der Ampel unweigerlich im Takt mitschwingt, der fühlt sich an die Brust gedrückt, schöpft Vertrauen. Bis er merkt, dass bei der Übersetzung des gut funktionierenden Fünfgangetriebes trotz des mit gemessenen 94 PS doch starken Harley-Twins grenzenloser Optimismus vorgeherrscht haben muß. Die zu lange Gesamtübersetzung wirkt sich in jeder Gangstufe aus, was sich eindrucksvoll in den miserablen Durchzugswerten und schleifender Kupplung beim Anfahren dokumentiert. Schade ist das auch, weil jenseits von 4000 U/min die im Fahrbetrieb doch lästigen Vibrationen schwinden, man diese Drehzahl auf der Landstraße aber selten erreicht, weil selbst bei 150 k/mh auf dem Tacho erst 3800 U/min anliegen. Und weil die Buell abgesehen davon einen durchaus seriösen Eindruck hinterlässt, den man der grellen Schale nicht zutraut. Sie ist bis hin zum Topspeed stabil, und zwar sowohl auf kurviger Strecke als auch auf der Autobahn. Sie glänzt mit ihrem Zahnriemen-Sekundärantrieb durch nicht vorhandene Lastwechselreaktionen und eine versammelte, aber keinesfalls unbequeme Sitzposition. Sie bremst trotz der Soloscheibe (340 mm) vorne zwar geringfügig schlechter als die Guzzi und viel schlechter als die Triumph, für den Hausgebrauch reicht es aber allemal aus. Was wirklich stört, ist die stuckerige Gabel, der es an Sensibilität mangelt, und ein durchschlagendes Federbein. Dann ist da noch Ungeschicklichkeit im Umgang mit zwei Personen. Obgleich nämlich das Arrangement von Sitzbank und Fußrasten – wie bei den beiden anderen auch – durchaus einladend ist, kommt das Monofederbein der Buell dann derart schnell an seine Grenzen, dass eventuelle Passagier vor den harten Schlägen flüchten.
Richtig tragisch ist das nicht, weil weder Speed Triple noch V11 oder X1 Kandidatinnen für eine lebenslange Verbindung mit Sack und Pack sind. Vielmehr geht es um Spaß, intime Stunden zu zweit oder die Tour durch Szene-Treffs in lauen Sommernächten. Da zückt man gerne die Börse, lädt ein, gibt aus: Am billigsten wird das mit der Buell, deren missratene Übersetzung sich in Sachen Trinksitten vor allem auf der Autobahn positiv niederschlägt. Am teuersten in allen Belangen: die klassische Dame V11, die aber dank ihres großen 22-Liter-Tanks Stehvermögen beweißt, während die Speed Triple mit dem niedrigsten Landstraßenverbrauch glänzt. Und – in absoluten Zahlen betrachtet – am meisten Gegenwert fürs Geld bietet. Egal, ob Topspeed, Beschleunigung, Durchzug. Sie ist in diesem Trio eine Klasse für sich, deklassiert die beiden Zweizylinder. Einfach Dominant.
Und ein guter Grund, sich für die Triumph zu entscheiden, die außerdem mit dem niedrigsten Einstandspreis lockt. Außerdem war sie die einzige, die ohne Defekt über die Testrunden kam, wärend sich bei der X1 die Auspuffanlage den Vibrationen nicht gewachsen zeigte und der Drehzahlmesser der Guzzi bisweilen verrückt spielte. Marginalien, fürwahr. Aber nur, wenn aus Begierde nicht Liebe wird. Und davor ist man bei keiner der drei gefeit.

Unsere Highlights

3. Platz - Buell X1 Lightning

3. PlatzKnapp, knapper, Buell: Wie hot pants trägt der Motor sein Drumherum spazieren, die polierten Felgen wirken wie Stilettos. Mit Reizen geizt sie freilich nicht. Aber es steckt durchaus mehr dahinter. Ein stabiles Fahrwerk zum Beipiel, auch wenn speziell das unter dem Motor liegende Federbein bei flotter Gangart gelegentlich durchschlägt. Dass auch das Temperament ein wenig auf der Strecke bleibt, liegt an der misslungenen Getriebeabstufung. Der Herzschlag hingegen ist unnachahmlich. Und der allein ist eine Sünde wert.

2. Platz - Moto Guzzi V11 Sport

2. PlatzDiese Dame versteht sich zu verkaufen. Sie weiß um ihre Attraktivität und schmeichelt sich mit ihrer tiefen Stimme in jedes Fahrerherz. Doch kaum ein Licht ohne Schatten. Die mangelnde Fahrstabilität, die heftigen Lastwechselreaktionen und die nicht ganz geglückte Abstimmung von Gabel und Federbein beeinträchtigen das Vergnügen. Da muss die Lady noch an sich arbeiten, denn ihre Vorfahren kannten diese Schwäche nicht. Aber auch nicht die frappierende Handlichkeit und das unproblematische Getriebe.

1.Platz - Triumph Speed Triple

1.PlatzKein Gramm zuviel, durchtrainiert, immer auf dem Sprung: Mit der Speed Triple macht man keine Scherze, sondern nimmt die Herausforderung an. Der Lohn: Ein nahezu perfektes Motorrad, mit unnachahmlichem Charakter. Wie kaum eine andere schafft sie es, das Erlebnis Motorradfahren zu vermitteln. Allein der Motor – eine Wucht. Egal ob in Sachen Sound oder Leistungsentfaltung. Unter diesen Umständen nimmt man Komforteinbußen gerne in Kauf.Und sogar den neuen, runden Schalldämpfer, der verdächtig nach Japan aussieht.

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023