Vergleichstest Power-Naked-Bikes 2012
Streetfighter von KTM, Aprilia, MV Agusta und Triumph

Diese prickelnden europäischen Power-Roadster mit vier völlig verschiedenen Motorenkonzepten machen nicht nur wegen ihrer irren Fahrdynamik süchtig. Sie verschreiben sich maximalem Fahrspaß auf der Landstraße. Und betören als echte Charaktere bereits mächtig im Stand.

Streetfighter von KTM, Aprilia, MV Agusta und Triumph
Foto: Gargolov

Südfrankreich im Februar, am Rosenmontag. Zu Hause im Rheinland feiern sie heute, bis der Arzt kommt. Auch uns wird fast schwindlig, aber nicht vom Kölsch. Wir fahren statt trinken uns in den siebten Himmel. Wir, das sind die Stunt-Fahrerin Mai-Lin, MOTORRAD-Tester Georg Jelicic, unser französischer Kollege Thomas Cortesi und der Autor. Sonst ist ihm Karneval heilig, doch diesmal war die Verheißung mit diesen vier faszinierenden Fahrmaschinen auszurücken, einfach zu verlockend. Power-Roadster alaaf!

Aprilia Tuono V4 R APRC, KTM 990 Super Duke R, MV Agus-ta Brutale RR 1090 und die nagelneue Triumph Speed Triple R destillieren das Ideal reinen, unverfälschten Fahrgenusses mitten im Wind. Stolz tragen alle vier Power-Roadster das R im Namen: rassig und rasant, sportlich, stylish und unverwechselbar. Sie sind in Metall gegossener Bewegungsdrang, Dynamik in scharfen Formen. Ihre Bestimmung? Betören, beschleunigen, begeistern. Und bewundert werden. Das muss drin sein, bei Preisen zwischen 14450 und 18750 Euro. Befeuert von vier verschiedenen typischen Motorenkonzepten mit rund 1000 Kubik ab 125 PS. Drehmotoren in drahtigen Fahrgestellen also, die jederzeit gut sind für ein abhebendes Vorderrad.

Vermisst jemand noch - Mitstreiter? Klar, eine Ducati Streetfighter S hätte gut gepasst, mit dem 155 PS starken 1100er-Testastretta-V2. Das 2012er-Modell trägt eine andere Schwinge und einen neuen Lenker. Doch Ducati konnte noch kein „neues“ Exemplar beisteuern. Und die bewährten japanischen Naked Bikes Honda CB 1000 R, Kawasaki Z 1000 und Yamaha FZ1? Sie passten von ihren Konzepten und Leistungen gut ins Feld, sind deutlich günstiger und ebenfalls richtig stark. Aber in diesem Test liegt der Fokus nun mal auf den hipperen Vertretern aus Europa.

Kompletten Artikel kaufen
Vergleichstest Power-Naked-Bikes 2012
Streetfighter von KTM, Aprilia, MV Agusta und Triumph
Sie erhalten den kompletten Artikel (14 Seiten) als PDF
2,00 € | Jetzt kaufen

Es gibt noch stärkere Naked Bikes, und noch leichtere. Aber kaum leichtere, die stärker sind, und kaum stärkere, die leichter- sind. Aprilia hat, anders als Honda heute, das V4-Konzept auch für Leichtbau-Maschinen wiederbelebt. KTM setzt bei seinen hubraumstarken Modellen traditionell auf den 75-Grad-V2, MV Agusta auf den Reihen-Vierzylinder. Triumph hat sich drei Zylinder in Reihe auf die Fahnen geschrieben, so wie England drei Löwen als Wappen trägt. Aber alle vier sind Sternzeichen Löwe, haben Blutgruppe AB (Adrenalin/Beschleunigung) und tragen Rhesusfaktor Oktan-positiv im Blut, pardon, Benzin.

Wie sie über kleine Landstraßen im Hinterland der Hafenstadt Toulon herfallen, ist eine Pracht. Geraden verkürzen sich auf einen Wimpernschlag, wieselflink wetzt das Quartett um die Wechselkurven, auf der Suche nach dem Super-Trumpf. Rein auf dem Papier hat zunächst die Aprilia die Nase vorn, als einziges gestripptes Superbike hier. Ihr aus dem Supersportler RSV4 stammender, von 180 auf 167 PS „gezähmter“ 65-Grad-V4 bietet nominell die größte Spitzenleistung. 162 Vollblutpferde attestiert der MOTORRAD-Prüfstand dem 1000er. Mehr als genug. Nur die MV übertrumpft das noch, mit echten 165 PS. So viel Power ist Lust und Last, Würde und Bürde zugleich.

Das kompakte Vierzylinder-V erwacht dumpf bellend, klingt wie ein ganzes Fahrerlager. Kernig, ja infernalisch knurrt der V4, grollend schnappt der Ram-Air-befeuerte Luftfilterkasten nach Luft. Der Name Tuono (Donner) stimmt. Dieser Über-Sound kann Nachbarn und Anwohner jedoch auch mächtig nerven. Trotz oder gerade wegen der auf den Prüfzyklus abgestimmten Klappe im großen, einzelnen „Schalldämpfer“ ist die Italienerin subjektiv zu laut. Oben heraus fallen einem die Ohren ab. Wie diesem Ultrakurzhub-Motor die vier versetzt laufenden 78er-Kolben den Herzschlag takten, das ist einfach sensationell. Dies ist einer der spektakulärsten Motorradmotoren überhaupt!

Gargolov
Wunderschöner Rücken. Aufs Motorrad schauen, Leute! Viel Leistung und diffizile Gasannahme machen Wheelies zum Fall für Könner/innen.

Seine immense Drehfreude verleitet immer wieder dazu, dem explosiven V4 heftig die Sporen zu geben. Das Spiel mit der Eruption, dein Herz schlägt schneller. Wenn auch erst in der zweiten Drehzahlhälfte so richtig. Tack, tack, tack, dank serienmäßigen Schaltassistenten minimiert sich Hochschalten unter Vollgas ohne Ziehen der Kupplung auf einen Sekundenbruchteil. Doch diese überbordende Art der Leistungsabgabe verleitet zu führerscheinverneinender Fahrweise. Und das sehen nicht nur die Flics in Frankreich gar nicht gern.

Zudem ist dieser Sturm auf die Bastille auf Dauer fordernd, anstrengend. Zumal die rein elektronisch betätigten Drosselklappen Eingewöhnung verlangen: Der V4 geht im Teillastbereich erst minimal verzögert ans Gas, um dann beim Schließen des Gasgriffs für einen Sekundenbruchteil irritierend nachzulaufen. Zusammen mit etwas Spiel im Antriebsstrang summiert sich das zu recht ruppigem Ansprechverhalten. Ernüchterung kommt beim Tanken auf: StVO-konform im Rollmodus bewegt, kippt sich die Tuono bereits knapp sieben Liter hinter die Binde. Viel hilft viel?

Der ultralange, auf 125 km/h übersetzte erste Gang (!) erfordert Feingefühl. Spitzkehren umrundet die rassige Signora am besten mit leicht schleifender Kupplung. Die Renngene schimmern durch. Auf kleinsten Sträßchen schleicht sich das Gefühl von Übermotorisierung ein; die Tuono giert nach Rennstrecken wie der von Le Castellet, die gerade vorbeifliegt. Auslauf, die richtigen Strecken, danach verlangt die Aprilia. Erst in lang gezogenen, flüssigen und möglichst topfebenen Passagen ist sie voll in ihrem Element.

Je schneller, desto lieber, dies gilt auch fürs Fahrwerk mit seiner unendlichen Schräglagenfreiheit. Der besonders breite Lenker macht die Aprilia handlich. Trotzdem will die Tuono geführt werden, läuft am Kurvenausgang gern mal weiter nach außen. Und das harte, straff gedämpfte Sachs-Federbein spricht rumpelig an, poltert ungnädig über kurze, harte Kanten und Stöße im Asphalt. Vorderradorientiert, in bequemer Haltung sitzt es sich auf der Aprilia. Doch zum Tourer wird die Tuono niemals. Das verhindert allein schon ihre brettharte Sitzbank.

Und der Soziussitz ist eine einzige Katastrophe: zu klein, zu hart, zu rutschig. Wer das Fürchten lernen will, muss auf der Aprilia hintendrauf mitfahren. Der Gewalt des V4 ohne vernünftige Haltemöglichkeit ausgeliefert zu sein, wird jedes Familiengericht als Scheidungsgrund akzeptieren. Immerhin geben sich reichlich elektronische Helferlein versöhnlich. Auf den noch ziemlich salzigen Straßen verhindert die achtstufig einstellbare Traktionskontrolle wirkungsvoll ein auskeilendes Hinterrad. Hinzu kommen drei vom Lenker aus wählbare Motor-Mappings plus Wheelie-Kontrolle für Nicht-Stunt-Fahrer und „Launch-Control“ für maximale Beschleunigung. Alles eben italienisch sportlich.

Weiß-Schwarz-Orange - in der Biologie ganz klar Warnfarben. Und die KTM 990 Super Duke R trägt sie zu Recht. Viele Kurvensuch(t)geräte kommen von KTM. Dieses hier ist eines der schärfsten, 203 Kilogramm leicht - Rekord in dieser Gruppe. Die bisherige „R“ war noch einsitzig, für 2012 erbte sie die Zweipersonensitzbank der entfallenen Standardvariante. Im Zentrum des Erlebens steht ihr heftig ballernder 75-Grad-V2, der seine Kurbelwelle im Trockensumpf badet. Entspanntes Rumtuckern liegt ihm nicht. Unter 3000 Touren hackt er, peitscht auf die Kette ein. Aber gibt man ihm die Sporen, läuft er wie verwandelt.

Gargolov
Anmachfaktor Leichtbau. Nur 203 Kilogramm stempeln die KTM zum Fliegengewicht dieses Vergleichs.

Oben heraus stürmen die beiden riesigen 101-Millimeter-Kolben nur so die Drehzahlleiter. Begleitet von herrlichem V2-Trommelwirbel. So luftig und frei, wie das ganze Motorrad gebaut ist. Durch neue Software geht der V2 nicht mehr so hart ans Gas wie früher. Ein Raubauz blieb er gleichwohl. Rau und radikal. Der am kernigsten vibrierende Motor dieser extrovertierten Gruppe ist zwar mit gemessenen 116 PS auch der schwächste. Doch er kaschiert dies geschickt durch recht kurze Übersetzung. So muss sich die wild hämmernde Österreicherin nicht einmal im Durchzug verstecken.

Was für ein Bewegungs-Apparat! Unmittelbar und direkt setzt die KTM Lenkbefehle um, folgt ziemlich exakt der angepeilten Linie. Locker, leicht und rasant dieses Fahr-Erlebnis. Das vermittelt, zusammen mit der großen Neutralität in Schräglage, vom ersten Meter an ein richtig sicheres Gefühl, viel Vertrauen. Fast supermotomäßig, kann’s dem Spiel- und Feuerzeug gar nicht eng und verwinkelt genug sein. Ein wendiges Serpentinen-Suchgerät. Damit verkörpert der Großherzog das pure Gegenteil der Aprilia, erfordert jedoch wie diese einen gesunden Schaltfuß.

Irre, was diese fast schon devote 1000er mit sich anstellen lässt. Der schmalste Hinterreifen, ein 180er, ist fürs Handling und die Zielgenauigkeit eine gute Wahl. Wie von allein gleitet die Super Duke durch die Kurven. Und die Pirelli Diablo Corsa III funktionieren bei den bereits zweistelligen Temperaturen hier tadellos. Prima spricht die karbonbeschichtete Upside-down-Gabel von White Power an. Dem direkt angelenkten Federbein mangelt es erst auf extrem pockigem Straßenbelag an Reserven. Latent spürbar ist die Tendenz zum Auskeilen des Vorderrads, dem Lenkungsdämpfer zum Trotz.

Auf subtile Weise nimmt die Super Duke von dir Besitz. Sie dockt sich am Glückszentrum im Gehirn an. Weil alles so einfach geht, so spielerisch, bis hin zum Tanz auf der Bremse mit den supertransparenten Brembo Monoblocks will sie ständig mehr, beständig Grenzen verschieben. Und dann kann aus dem Spaß doch noch ganz schnell Stress und Ernst werden. Zumal die KTM ab 130, 140 km/h ihren Charakter ändert. Nun ist plötzlich Ackern am Lenker angesagt. Lässig hockt man auf der 87 Zentimeter (!) hohen Sitzbank. Mit perfektem Überblick beim Herumtoben, und nah am breiten konifizierten Alu-Lenker platziert.

Rein rationale Argumente für das V2-Funbike? Bitte sehr: Es fährt mit Sozius sehr stabil und neutral und bietet jenem auch das kommodste Plätzchen - trotz Sitzbankschlosses unterm Popo. Hinzu kommen moderater Spritverbrauch (ab sechs Liter) und günstigster Kaufpreis. Typisch KTM, ist auch die Super Duke ein ziemlich eckiger, scharf geschnittener Kanten. Ein echter Polarisator, man liebt oder hasst sie. Konsequent, clever konstruiert, luftig.

Ein Traum in Rot und Silber, das ist die geradezu zierlich wirkende MV Agusta Brutale. Tatsächlich ist sie mit 214 Kilogramm die zweitschwerste Maschine des Vergleichs. Ein Motorrad mit einer Aura edler als edel. Feinste Verarbeitung trifft auf piekfeine Details: leichte Schmiederäder, Blinker in den Spiegeln, exzentrische Verstellung von Fußrasten, Schalthebel und Bremspedal, Schweißnähte wie geleckt. Alles hat und ist System. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Wow- trifft Wupp-Faktor: ein Vierzylinder zum Verlieben. Mehr Feeling mit solch einem Motor geht nicht. Das Herz pocht wild. Der Name Brutale ist Programm, der Antritt aggressiv.

Gargolov
Das Auge fährt mit: Windschild und Bugspoiler kosten extra. Die lineare Leistungsabgabe macht Wheelies zum Kinderspiel.

Die MV beschleunigt wie eine Rakete: Aus dem Stand landet der 1078-Kubik-Vierzylinder nach knapp 800 Metern im sechsten Gang ultimativ im hart zupackenden Drehzahlbegrenzer - bei Tempo 251. Empfiehlt sich nur auf abgesperrter Strecke. Vorsicht: Den ersten Gang nur zum Anfahren nutzen und dann direkt im zweiten weiterstürmen, sonst droht akut ein Salto rückwärts. Viel wichtiger im wahren Leben ist der exorbitante Durchzug im sechsten Gang. Gerade mal 6,5 Sekunden braucht der fahrende Edelstein von Tempo 60 auf 140. Da capo. Brav folgt das restliche Trio dahinter.

Erst der Blick auf die Ganganzeige im informativen Cockpit offenbart, dass man noch den siebten Gang sucht, so irre schiebt’s im Sechsten an. Zum Durchzugswunder stempeln die Signora der druckvolle Motor und die knackig-kürzeste Übersetzung: Bei Tempo 100 dreht die MV bereits 4400 Touren. Von nichts kommt nichts. Zum bärigen Beschleunigen trägt die fette Abstimmung bei: Knapp acht Liter strömen bereits bei ziviler Fahrweise durch die Einspritzdüsen, so etwas ist heute schwer vermittelbar. Statt Verbrauchs- und Abgasoptimierung nutzt man bei MV kurzerhand einen 23-Liter-Tank, damit die diabolische Sauferei nicht so auffällt.

Gierig, ultradirekt hängt der Vierzylinder in der zweiten Drehzahlhälfte am Gas. Unter 5000/min jedoch spricht der MV-Motor mit seinen radial angeordneten Ventilen verzögert, sprotzelnd auf Gasbefehle an. Leider komplett wirkungslos bleibt die Traktionskontrolle, ganz gleich in welcher Stufe. Also bitte nicht darauf verlassen. Eher gehobene Akustik genießen. Aus den beiden angeschrägten Edelstahlschalldämpfern klingt’s röchelnd, zornig, dumpf. Aber nicht zu laut. Die Reaktionen der Anti-Hopping-Kupplung sind wie bei der Aprilia als Reaktion im Hand-hebel spürbar. Allerdings braucht es viel Kraft, um den hydraulisch wirkenden Hebel zu ziehen. Nichts für Mädchen.

Verwegen schmiegen sich die Straßen an ockergelbes Gestein, umrunden Felsvorsprünge als enge, nicht einsehbare Kurven. Brutale-Land! Sie zirkelt superhandlich, agil und präzise wie ein nautisches Instrument um Radien aller Art. Wie von einem Laser gesteuert. Das tolle Chassis setzt hundertprozentig um, was der Fahrer will. Spielerisch und wuselig wie ein Mountainbike. Sämig-fein und unerwartet komfortabel sprechen Marzocchi-Gabel und Sachs-Federbein an. Eine „Softale“?

Nur die Dämpfung fällt überraschend lasch aus, man muss alle Einstellschrauben komplett zudrehen. Selbst dann spüren sensible Reiter bei forcierter Fahrweise minimales Pumpen der Hinterhand. Herrlich sitzt man oder frau ins kompakte Motorrad integriert. Richtig geborgen. Mögen auch Oberschenkel und rechte Ferse bald anecken an Tankausbuchtungen und Auspuffblende: Es ist unvergleichlich, mit dem 18750 Euro teuren, nicht nur schönen Motorrad zu verwachsen und wild herumzudübeln.

Wie die Super Duke erblickte auch die erste 1050er-Triumph Speed Triple bereits 2005 das Licht der Welt. 2012 kommt sie für 3000 Euro Aufpreis in der neuesten, edelsten Ausbaustufe als „R“-Stratege daher. Ihre Insignien: bessere Bremsen, Brembo-Monoblock-Sättel mit ABS, speziell abgestimmte Öhlins-Federelemente, leichtere Schmiederäder, Karbon-Applikationen an Tank, Kühler und Frontkotflügel. Garniert mit weißem Lack, schwarzem, pulverbeschichtetem Brückenrohrrahmen aus Alu mit angeschraubtem, rot lackiertem Stahlrahmenheck. Ein Gentleman-Fighter ab Werk?

Gargolov
Faszinosum V4: Seine überbordende Leistung und Drehfreude hält normalerweise eine Wheelie-Kontrolle im Zaum.

Eher ist die Speedy R eine Kinderkrankenschwester im Minirock und mit Oberarm-Tattoo. Macht auf böse, doch hat in Wirklichkeit ’nen feinen Charakter. Das beginnt mit dem famosen Dreizylinder. Man muss ihn einfach gern haben, erliegt seinem Fauchen und Grummeln (vor allem im Schiebebetrieb!) mit Haut und Haar. Dazu gesellt sich die beste, sanfteste Laufkultur, zusammen mit dem Aprilia-V4. Vor allem aber die kraftvollste Drehmomentabgabe bis fast 9000 Touren. So baut man begeisternde Motoren!

Wo dermaßen viel Drehmoment herkommt? Aus passender Auslegung. 79er-Kolben, wie in der MV, legen mit Abstand den längsten Hub zurück: 71,4 Millimeter. Egal bei welcher Drehzahl, der Triple marschiert, immer kraftvoll. Geschmeidig und extrem benutzerfreundlich. Da verzeiht man gern, dass der Dreizylinder etwas träger hochdreht, ehe der Begrenzer bereits kurz nach 9000/min ein wenig abrupt das Licht ausknipst. Okay, nach längeren Rollphasen mit geschlossenem Gasgriff geht der Dreizylinder etwas härter ans Gas. Ansonsten ist er ein Muster an kultivierter Noblesse. Der Triple ist nah dran am idealen Antrieb!

Zumal die Trinksitten, ab 5,2 Liter auf 100 Kilometer, alles andere als urenglisch sind. Respekt. Geschenkt, dass sich das Getriebe trotz der jüngsten Überarbeitung immer noch ein wenig knochiger schalten lässt als bei den drei anderen Power Nakeds.

Beim direkten Umstieg hält die Triumph Aha-Erlebnisse parat. Das beginnt mit der Sitzhaltung: wie festgenagelt, mit weniger Bewegungsspielraum. Weiter weg vom Vorderrad, etwas passiver, mehr hinten. Und trotzdem passt es einfach. Weniger kämpferisch, die Arme locker-sportiv durchgestreckt. Auf der breiten, besonders komfortablen Sitzbank hockt man sehr „im“ Motorrad.

Sie fühlt sich schwerer an, die Triumph, als der Rest des Testfelds. Sie ist es ja auch, wiegt mit Extras (Windschildchen, Bugspoiler und Soziussitzabdeckung) 221 Kilogramm, also genauso viel wie eine völlig nackte Standard-Speedy. Das ist kein Nachteil, denn dafür liegt die 1050er einfach satter als die drei anderen Mitglieder der exklusiven Quadriga. Bockstabil, wie ein großes, starkes Sport-Coupé, saugt sich die Speedy fest auf dem Asphalt. Vor allem die R-Gabel ist ein Gedicht. Wie sie Bodenwellen rausfischt, supersensibel und doch stabil. Toll. Komfortabel, aber nicht weich ge-spült. -Etwas trockener federt und dämpft das TTX-Federbein am Einarm. Kurze, harte Kanten und Stöße reicht es gern an den Hintern weiter, sein Einstellbereich ist unter Komfortkriterien eher klein.

Gargolov
Die Faszination fährt immer mit, für Formen und Fahrdynamik.

Herrlich neutral und gutmütig umrundet die Speed Triple R Kurven aller Art. Sie findet schlafwandlerisch und berechenbar die richtige Linie. Vielleicht nicht so messerscharf wie die MV, weil sie minimal untersteuert. Aber dafür bleibt die Triumph auch britisch-gelassener. Gegenüber allen bisherigen Speed Triple 1050 verbessern die leichteren Räder das Handling etwas. Soll man der R etwa vorwerfen, dass sie in diesem formidablen Quartett am einfachsten zu fahren ist? Sicher nicht. Sie deckt easy und lässig das weiteste Spektrum ab, beherrscht Bummeln, Heizen und Alltag. Respekt.

Das Einzige, was wirklich stört: Mit dem Nissin-ABS haben Brembos famose Monoblock-Bremszangen etwas von ihrer grandiosen Knackigkeit verloren. Spürbare Verhärtung des Handhebels beim harten Anbremsen irritiert ebenso wie ein komisches, allzu frühes ABS-Regelverhalten. Eine defensive R-Version? Erst mit abgeschaltetem ABS sind die Brembos voll auf der Höhe. Schade.

Es gibt ein Motorradfahrer-Sprichwort, das unser wildes Treiben- auf den Punkt bringt: „Wenn du glücklich sein willst für einen Abend, dann trinke (Karneval!). Wenn du glücklich sein willst für ein Jahr, dann heirate. Wenn du aber glücklich sein willst für den Rest deines Lebens, so fahre Motorrad.“ Diese Weisheit löst das spektakuläre Roadster-Quartett perfekt ein, jeder Typ auf seine Weise. Auch wenn am Schluss die Speed Triple R Super-Trumpf wird.

MOTORRAD-Punktewertung / Testergebnis

Gargolov
Am Ende gewinnt mit der Triumph Speed Triple R das benutzerfreundlichste und alltagstauglichste Konzept.

Motor
Ein Zylinderkopf-an-Zylinderkopf-Rennen liefert sich das Trio aus Aprilia, MV Agusta und Triumph. Beim brachialen Durchzug im Sechsten macht niemand der Brutale etwas vor. Nomen est omen. Festhalten! Das gilt erst recht beim vollen Beschleunigen. Da machen Brutale und Tuono (Donner), die beide etwas ruppig ans Gas gehen, ihren -Namen alle Ehre. Mit winzigem Respektabstand folgt die Speed Triple, mit größerem die KTM. Stichwort Topspeed: Bewertungsgrundlage für die MV sind gemessene 251 km/h, nicht der Fantasiewert 265 aus den Papieren.
Sieger Motor: Aprilia/Triumph

Fahrwerk
Enger geht’s nicht. In dieser hochwertigen Quadriga stehen gleich drei Maschinen gleichberechtigt auf dem ersten Platz: KTM, MV und Triumph. Gratulation. Die Brutale koppelt leichtfüßigstes Handling mit der schärfsten Lenkpräzision. Der Preis dafür: Sie wird wegen ihrer soften Dämpfung gern mal etwas zappeliger, speziell auf der Autobahn oder bei Bodenwellen. Am stabilsten rennen Triumph und Aprilia geradeaus. Doch die unkomfortable Tuono mag es gar nicht, wenn man ihr einen Passagier aufpfropft. Mit Sozius fährt das Sieger-Trio um Welten besser.
Sieger Fahrwerk: KTM/MV Agusta/Triumph

Alltag
Endlich ein klarer Fall. Im Alltag ist die Speed Triple nicht zu schlagen. Größte Reichweite, helles Licht, gute Sicht nach vorn und in den Spiegeln - der vermeintliche Hooligan macht schwer auf vernünftig und verlässlich. Gut so! Die besten Plätze in der ersten und zweiten Reihe offeriert die recht hohe KTM. Der Soziusplatz der Tuono ist ein Folterinstrument. Das passt prima zum vorherigen Kapitel. Nicht aber zur ordentlichen Zuladung von 189 Kilogramm, noch mehr als bei der Triumph (186 Kilogramm). Eine Erfüllung ist die Verarbeitungsqualität der MV.
Sieger Alltag: Triumph

Sicherheit
Vorteil Triumph, für die einzige ABS-Maschine. Daran ändert auch die nicht optimale ABS-Regelung nichts: Erst mit abgeschaltetem ABS bremsen die Brembo-Monoblocks voll  knackig. Brachialer und transparenter ankert das restliche Trio. Reichlich Reserven (Passabfahrt, Sozius) bieten die KTM-Stopper. Die MV zappelt am stärksten mit dem Lenker.
Sieger Sicherheit: Triumph

Kosten
Teurer Spaß. Mit geringsten Servicekosten und wenig Verbrauch trumpft die Triumph auf. Recht günstig bei Inspektionen: der komplexe V4-Motor der Aprilia. Und sie glänzt, wie die KTM, mit Mobilitätsgarantie. Sehr teuer: die MV.
Sieger Kosten: Triumph

Preis-Leistung
Eins der aufregendsten Motorräder dieser Quadriga, die KTM, bietet am meisten für das teure Geld.
Sieger Preis-Leistung: Triumph


max.Punktzahl  Aprilia  KTM  MV Agusta  Triumph
Gesamtwertung 1000  648  639  635  678
Platzierung  2.  3.  4.  1.
Preis-Leistungs-Note 1,0  3,0  2,3  4,0  2,5

Testergebnis

Triumph Speed Triple R
Es gewinnt das benutzerfreundlichste und alltagstauglichste, am wenigsten radikale Konzept. Der tolle Dreizylinder vereint Ratio und Emotion. Das ABS könnte besser sein.

Aprilia Tuono V4 R APRC
Anders als die drei anderen Hersteller hat Aprilia wirklich einen Supersportler gestrippt. Deswegen fährt die Tuono so feurig, allerdings auch so fordernd. Für Landstraßen ist das fast zu viel.

KTM 990 Super Duke R
Sportlich-sinnlich, das kann KTM. Und da macht der Großherzog keine Ausnahme. Das Leichtgewicht des Felds will immerzu toben. Es bietet bequemste Sitzplätze und ist am günstigsten.

MV Agusta Brutale RR 1090
Temperamentvoll: edelste Details treffen auf rasante Fahrleistungen und superbe Agilität. Die MV kommt kleinen Leuten besonders entgegen. Happig sind Kaufpreis und Benzinverbrauch.

Technische Daten: Aprilia, KTM

Gargolov
KTM 990 Super Duke R. Drahtig-technoid wirkt die leichte KTM mit ihrem orangen Gitterrohrrahmen, eckig und zerklüftet.

Aprilia KTM
Motor
Bauart Vierzylinder-Viertakt-65-Grad-V-Motor Zweizylinder-Viertakt-75-Grad-V-Motor
Einspritzung Ø 48 mm Ø 48 mm
Kupplung Mehrscheiben-Ölbad (Anti-Hopping) Mehrscheiben-Ölbad
Bohrung x Hub 78,0 x 52,3 mm 101,0 x 62,4 mm
Hubraum 1000 cm3 1000 cm3
Verdichtung 13,0:1 11,5:1
Leistung 123,0 kW (167 PS) bei 11500/min 92,0 kW (125 PS) bei 10000/min
Drehmoment 112 Nm bei 9500/min 102 Nm bei 8000/min
Fahrwerk
Rahmen Brückenrahmen aus Aluminium Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend 
Gabel Upside-down, Ø 43 mm Upside-down, Ø 48 mm
Lenkungsdämpfer Lenkungsdämpfer Lenkungsdämpfer
Bremsen vorn/hinten Ø 320/220 mm Ø 320/240 mm
Assistenz-Systeme Traktionskontrolle
Räder 3.50 x 17; 6.00 x 17 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 190/55 ZR 17 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17
Bereifung Pirelli Diablo Rosso Corsa Pirelli Diablo Corsa III 
Maße + Gewichte
Radstand 1445 mm  1450 mm 
Lenkkopfwinkel 63,0 Grad 67,3 Grad
Nachlauf 107 mm 94 mm
Federweg vorn/hinten 120/130 mm 135/150 mm
Sitzhöhe** 820 mm 870 mm
Gewicht vollgetankt** 212 kg 203 kg
Zuladung** 189 kg 184 kg
Tankinhalt/Reserve 17,0/3,6 Liter 18,5/2,5 Liter
Serviceintervalle  10000 km 7500 km
Preis 15190 Euro 11995 Euro
Preis Testmotorrad 15190 Euro 14198 Euro
Nebenkosten 287 Euro 250 Euro
 MOTORRAD-Messwerte
Höchstgeschwindigkeit* 270 km/h 240 km/h
Beschleunigung
0–100 km/h 3,2 sek 3,2 sek
0–140 km/h 4,9 sek 5,2 sek
0–200 km/h 8,7 sek 10,6 sek
Durchzug
60–100 km/h 3,8 sek 3,8 sek
100–140 km/h 3,7 sek 4,0 sek
140–180 km/h 3,8 sek 5,0 sek
Verbrauch
Verbrauch Landstraße 6,9 Liter/Super 6,0 Liter/Super
Reichweite Landstraße 246 km 308 km

*Herstellerangabe; **MOTORRAD-Messungen; ***Inklusive Instrumenten-Abdeckung (229 Euro), Bugspoiler (239 Euro) und Soziussitz-Abdeckung (179 Euro); ****MOTORRAD-Messung

Technische Daten: MV Agusta, Triumph

Gargolov
MV Agusta Brutale RR 1090. Wohnzimmertauglich. Design und Details machen die Brutale zu einem wahren Motorrad-Kunstwerk.

MV Agusta Triumph
Motor
Bauart Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor Dreizylinder-Viertakt-Reihenmotor
Einspritzung Ø 46 mm Ø 46 mm
Kupplung Mehrscheiben-Ölbad (Anti-Hopping) Mehrscheiben-Ölbad
Bohrung x Hub 79,0 x 55,0 mm 79,0 x 71,4 mm
Hubraum 1078 cm3 1050 cm3
Verdichtung 13,0:1 12,0:1
Leistung 116,0 kW (158 PS) bei 11900/min 99,0 kW (135 PS) bei 9400/min
Drehmoment 100 Nm bei 10100/min 111 Nm bei 7750/min
Fahrwerk
Rahmen Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend  Brückenrahmen aus Aluminium
Gabel Upside-down, Ø 50 mm Upside-down, Ø 43 mm
Lenkungsdämpfer Lenkungsdämpfer
Bremsen vorn/hinten Ø 320/210 mm Ø 320/255 mm
Assistenz-Systeme Traktionskontrolle ABS
Räder 3.50 x 17; 6.00 x 17 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 190/55 ZR 17 120/70 ZR 17; 190/55 ZR 17
Bereifung Pirelli Diablo Super­corsa SP Pirelli Diablo Super­corsa SP
Maße + Gewichte
Radstand 1438 mm  1435 mm 
Lenkkopfwinkel 65,0 Grad 67,2 Grad
Nachlauf 104 mm 91 mm
Federweg vorn/hinten 125/120 mm 120/130 mm
Sitzhöhe** 825 mm 830 mm
Gewicht vollgetankt** 214 kg 221 kg
Zuladung** 179 kg 186 kg
Tankinhalt/Reserve 23,0/4,0 Liter 17,5/– Liter
Serviceintervalle  6000 km 10000 km
Preis 18500 Euro 14990 Euro
Preis Testmotorrad 18500 Euro 15637 Euro***
Nebenkosten 250 Euro 350 Euro
 MOTORRAD-Messwerte
Höchstgeschwindigkeit* 265 (251****) km/h 248 km/h
Beschleunigung
0–100 km/h 3,3 sek 3,2 sek
0–140 km/h 5,1 sek 5,1 sek
0–200 km/h 8,7 sek 10,5 sek
Durchzug
60–100 km/h 3,3 sek 3,5 sek
100–140 km/h 3,2 sek 3,8 sek
140–180 km/h 3,3 sek 4,8 sek
Verbrauch
Verbrauch Landstraße 7,8 Liter/Super 5,2 Liter/Super
Reichweite Landstraße 295 km 337 km

*Herstellerangabe; **MOTORRAD-Messungen; ***Inklusive Instrumenten-Abdeckung (229 Euro), Bugspoiler (239 Euro) und Soziussitz-Abdeckung (179 Euro); ****MOTORRAD-Messung

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023