Wie Phönix aus der Asche steigt die getunte Wellbrock-Honda CB 1000 R empor. Die Geschichte einer beeindruckenden Wandlung des Vierzylinder-Nakeds. Kann die serienmäßige Honda CB 1000 R da mithalten?
Wie Phönix aus der Asche steigt die getunte Wellbrock-Honda CB 1000 R empor. Die Geschichte einer beeindruckenden Wandlung des Vierzylinder-Nakeds. Kann die serienmäßige Honda CB 1000 R da mithalten?
Die Honda CB 1000 R ist weder ein Aschenputtel, noch ein gefallener Sportstar, der mit seinem Karriereende nicht klarkommt. Eher das Gegenteil: Denn obwohl sie seit 2008 – abgesehen von farblichen Retuschen und der Nachrüstung eines C-ABS-Systems – ohne Modellpflege auf dem Markt ist, verkauft sie sich immer noch ordentlich. Doch irgendwie ist sie auch nicht mehr auf der Höhe der Zeit und hat den Anschluss an die Power-Nakeds auf dem Markt verpasst. Es schleicht sich das Gefühl ein, dass sie gänzlich zu brav ist für diese Welt.
Betrachtet man ihre europäische Konkurrenz nüchtern, bekommt man die nackte Angst: Aprilia V4 Tuono, BMW S 1000 R und KTM 1290 Super Duke R sind allesamt stärker, wilder, härter, geiler! Da ist die Honda CB 1000 R chancenlos, zumindest in sportlichen Belangen. Dabei hat die Honda allerhand Charme. Sie ist gefällig, optisch eigenständig, besitzt eine wohl proportionierte Linie und schmückt sich mit einer edel anmutenden Einarmschwinge. Doch gegenüber den brachialen Fahrdynamikpotenzialen der bereits erwähnten, entkleideten Superbikes wirkt sie dennoch wie ein Fünftklässler neben einem Abiturient.
Doch was wäre, wenn die Honda CB 1000 R ein paar atü mehr im Kessel hätte? Ihr Fahrwerk die wachsweiche Komfortzone in Richtung sportlich-straff verlassen würde? Wolfgang Harbusch von Wellbrock & Co. aus Lilienthal bei Bremen trieben diese Fragen so lange um, bis er „Butter bei die Fische“ machte. Er nahm sich eine CB 1000 R mit der klaren Vision zur Brust, ihr sportliches Potenzial deutlich zu steigern. Der Zylinderkopf des pensionierten Fireblade-Triebwerks wurde klassisch überarbeitet. Andere Nockenwellen, optimierte Kanäle und perfekt eingestellte Steuerzeiten beschreiben in groben Zügen die Arbeiten.
Entsprechend wurde die Peripherie des Vierzylinders angepasst. Das Frischgas wird von einem Racing-Filter gereinigt, das Abgas durch eine leichtere Arrows-Komplettanlage entsorgt. Zur Fütterung des nun dank entfesselter Elektronik 500 Umdrehungen höher drehenden Motors kommt ein Dynojet Power Commander samt Schaltautomat zum Einsatz. Und damit die Wellbrock-Honda CB 1000 R ihre Leistung auch auf den Boden bringt, ist das Fahrwerk entsprechend angepasst. Hinten werkelt ein komplett einstellbares Öhlins-Federbein inklusive Längenverstellung, während vorne die Originalgabel mit überarbeiteten Innereien versehen ist.
Ein Blick auf das Leistungsdiagramm beeindruckt, die Power-Kur hat sich gelohnt. Abgesehen von einem kleinen Hänger bei 3000/min, wo das Tuning-Aggregat das Gas kurzzeitig etwas mürrisch annimmt, verläuft die Leistungsentwicklung mustergültig und immer auf dem Niveau des Serienmotors. Ab 6000 Touren jedoch legt der Motor der Wellbrock-Honda CB 1000 R stetig an Leistung zu. Während das Serientriebwerk bei 9700/min seine Maximalleistung von 123 PS erreicht, dreht die Wellbrock bis 11.300/min weiter und gipfelt bei 155 PS Spitzenleistung.
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Genug der trockenen Bestandsaufnahme, raus auf die Straße! Im Parallelflug verlassen die beiden Hondas die Stadt. Während die Wellbrock-Honda CB 1000 R ihren Viagra-Konsum lautstark durch den offenen Arrows-Endtopf brünftig in die Straßenschluchten posaunt, säuselt die serienmäßige Honda japanisch zurückhaltend und mit Schamesröte auf den Wangen hinterher. Offenes Feld, freie Fahrt. Mit niedrigen Drehzahlen geht es durch die Kurven, das Drehmoment knetet auf herbstlich kühlem Asphalt die Reifen warm. Und irgendwie steht die Wellbrock der Serien-CB am Kurvenausgang im Weg herum. Während die Letztgenannte in der letzten Gangstufe artig andrückt, hat man auf dem Tuning-Bike das Gefühl, einen Gang zu hoch unterwegs zu sein. Also umdenken und die Brause einen Gang tiefer aufziehen.
Holla, wie schiebt die denn jetzt an? Ab 6000 Touren läuft sich die Wellbrock-Honda CB 1000 R richtig warm, dreht und drückt wie eine ganz Große und brennt auf und davon. Der gemachte Vierer erinnert an einen Rennmotor, zieht sauber und kraftvoll bis zum Begrenzer. Dank des Schaltautomaten reicht ein Zug am Ganghebel, weiter geht die Beschleunigungsorgie!
Bämm, diese Ohrpfeife saß! Selbst in engem Geläuf, wo die serienmäßige Honda CB 1000 R motormäßig etwas besser aufgestellt ist, wird es nun eng für sie. Ihr fehlt Rückmeldung und Lenkpräzision, auch ihr Handling ist nicht so agil wie das der Wellbrock-Honda CB 1000 R. Je schneller es zur Sache geht, desto besser wird die getunte CB. Sie würde uns gerne auf die Renne entführen und uns da vollends für sich vereinnahmen, doch mangels Strecke bleibt es bei der Landstraßenrunde.
Zurück in der Garage stehen beide Honda CB 1000 R mit tickenden Auspuffanlagen friedlich nebeneinander – und sind beide mit sich im Reinen. Die Serien-CB weiß, dass sie das bessere Landstraßenmotorrad ist, solange der Fahrer sich annähernd an die StVZO hält. Die Wellbrock-CB dagegen ist sich gewiss, dass sie für Höheres geboren ist. Sie kann Landstraße, aber auch Rennstrecke. Und muss sich somit vor Aprilia & Co. nicht mehr verstecken. Und je weiter und flüssiger das Geläuf, desto härter wird sie zuschlagen.
Antrieb: Vierzylinder-Reihenmotor, vier Ventile/Zylinder, 114 kW (155 PS) bei 11.300/min*, 105 Nm bei 9100/min*, 998 cm³, Bohrung/Hub: 75,0/56,5 mm, Verdichtungsverhältnis: k.A., Zünd-/Einspritzanlage, 36-mm-Drosselklappen, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, G-Kat, Kette.
Chassis & Bremsen: Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 65,0 Grad, Nachlauf: 99 mm, Radstand: 1445 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis und Zugstufe. Federweg vorn/hinten: 120/128 mm, Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17/5.50 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 190/50 ZR 17, Testbereifung: Continental ContiRaceAttack Comp, 310-mm-Doppelscheibenbremse mit Dreikolben-Schwimmsätteln vorn, 256-mm-Einzelscheibe mit Zweikolben-Schwimmsattel hinten, C-ABS.
Performance:
Max. Hinterradleistung**: 104,5 kW (142 PS) bei 253 km/h
Beschleunigung** 0 –100 km/h: 3,1 s; 0 –150 km/h: 5,4 s; 0 –200 km/h: 8,9 s
Durchzug**: 50 –100 km/h: 4,8 s; 100 –150 km/h: 4,4 s
Höchstgeschwindigkeit**: 258 km/h
Maße und Gewicht: Länge/Breite/Höhe: 2113/800/1200 mm, Sitz-/Lenkerhöhe: 840/1030 mm, Lenkerbreite: 755 mm, 214,5 kg vollgetankt, v./h.: 48,7/51,3 %
Verbrauch: Kraftstoffart: Super bleifrei. Durchschnittstestverbrauch: 6,8 Liter/100 km, Tankinhalt 17 Liter, Reichweite: 260 km
Setup:
Setup Gabel: stat.neg. Federweg: 30 mm, Druckstufe: 15 K offen, Zugstufe: 2,25 U offen, Niveau: Standard
Setup Federbein: stat.neg. Federweg: 19 mm, Druckstufe: 10 K offen, Zugstufe: 10 K offen, Niveau: Standard
Grundpreis: 11.490 Euro (serienmäßig, zzgl. NK), Wellbrock-Testmaschine: 20.790 Euro
alle Dämpfungseinstellungen von komplett geschlossen gezählt; statischer negativer Federweg senkrecht stehend ohne Fahrer; U=Umdrehungen; K=Klicks
* Herstellerangabe ** PS-Messung
Motor
Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, vier Ventile pro Zylinder, Nasssumpfschmierung, elektronische Einspritzung, geregelter Katalysator, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette.
Bohrung x Hub: 75 x 56,5 mm
Hubraum: 998 cm³
Nennleistung: 92 kW (125 PS) bei 10. 000/min
Max. Drehmoment: 99 Nm bei 7750/min
Fahrwerk
Zentralrohrrahmen aus Aluminium, Upside-down-Gabel, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Lenkungsdämpfer, Einarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Scheibenbremse hinten.
Alu-Gussräder: 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen: 120/70 ZR 17, 180/50 ZR 17
Maße und Gewichte
Radstand: 1445 mm
Lenkkopfwinkel: 65,0 Grad
Nachlauf: 99 mm
Sitzhöhe*: 830 mm
Gewicht vollgetankt*: 220 kg
Zuladung*: 190 kg
Tankinhalt/Reserve: 17,0/4,0 Liter.
Messungen (aus der MOTORRAD 11/2008)
Höchstgeschwindigkeit**: 230 km/h
Beschleunigung 0–100 km/h: 3,2 sek
Durchzug 60–100 km/h: 3,7 sek
Verbrauch: 5,2 l/100 km (Landstraße), 6,0 l/100 km (bei 130 km/h)
*MOTORRAD-Messungen
**Herstellerangaben
Tuning gegen Serie – Goliath gegen David. Die Prüfstandskurve des Wellbrock-Motors ist beeindruckend. Der Vierzylinder hängt zwar unter 3000 Touren etwas in den Seilen, legt dann aber schön linear und kraftvoll an Druck zu. Seine Fahrbarkeit ist ausgezeichnet, der Extra-Kick über 8000 Touren eine Wucht. Für den reinen Landstraßenbetrieb ist er allerdings etwas zu spitz, die Drehzahlerhöhung von 500/min kann kaum sinnvoll genutzt werden. Auf der Renne dagegen dürfte die Wellbrock-Honda CB 1000 R gnadenlos Spaß machen und bei einigen Mitstreitern für große Augen sorgen.
Leistung an der Kurbelwelle, Messungen auf Dynojet-Rollenprüfstand 250
Antrieb
max. Punkte | Honda CB 1000 R | Wellbrock-Honda CB 1000 R | |
Beschleunigung | 10 | 6 | 8 |
Durchzug | 10 | 7 | 7 |
Leistungsentfaltung | 10 | 9 | 8 |
Ansprechverhalten | 10 | 8 | 8 |
Lastwechselreaktion | 10 | 7 | 7 |
Laufkultur | 10 | 7 | 7 |
Getriebebetätigung | 10 | 9 | 10 |
Getriebeabstufung | 10 | 10 | 10 |
Kupplungsfunktion | 10 | 6 | 6 |
Traktionskontrolle | 10 | - | - |
Zwischensumme | 100 | 69 | 71 |
Fahrwerk
max. Punkte | Honda CB 1000 R | Wellbrock-Honda CB 1000 R | |
Fahrstabilität | 10 | 8 | 8 |
Handlichkeit | 10 | 7 | 8 |
Kurvenstabilität | 10 | 6 | 8 |
Rückmeldung | 10 | 6 | 8 |
Fahrwerksabstimmung vorne | 10 | 7 | 9 |
Fahrwerksabstimmung hinten | 10 | 7 | 9 |
Bremswirkung | 10 | 8 | 8 |
Bremsdosierung | 10 | 9 | 9 |
Aufstellmoment beim Bremsen | 10 | 7 | 9 |
ABS-Funktion | 10 | 8 | 8 |
Zwischensumme | 100 | 73 | 84 |
Alltag und Fahrspaß
max. Punkte | Honda CB 1000 R | Wellbrock-Honda CB 1000 R | |
Sitzposition | 10 | 8 | 9 |
Windschutz | 10 | 1 | 1 |
Ausstattung | 10 | 6 | 8 |
Verbrauch | 10 | 6 | 6 |
Fahrspaß | 10 | 8 | 9 |
Zwischensumme | 50 | 29 | 33 |
Gesamtsumme | 250 | 171 | 188 |
Platzierung | 2. | 1. |
Motor-Tuning: Wer mit seiner Honda CB 1000 R lediglich in öffentlichem Gefilde und nicht permanent mit Superbike-bewaffneten Kumpanen durch die Gegend fliegt, braucht der Maschine kein aufwendiges Motor-Tuning angedeihen lassen. Ein kürzere Übersetzung (Ritzel für 17 Euro), die die Sprintqualität ein wenig verschärft oder ein Schaltautomat (inkl. Motormanagementoptimierung von z.B. Bazzaz oder Dynojet zwischen 700 und 1000 Euro) reichen dicke. Soll es jedoch ein ordentlicher Leistungszuwachs werden, führt kein Weg am erfahrenen Tuning-Fachbetrieb vorbei. Kopfbearbeitung, geänderte Nockenwellen etc. kosten aber mindestens 1500 Euro. Um das mechanische Tuning sinnvoll zu unterstützen werden aber weitere elektronische Komponenten nötig, sodass letztendlich ganz schnell 3000 Euro auf der Rechnung stehen können.
Fahrwerk-Tuning: Sinnvoller erscheint da eine Überarbeitung des für die harte Bolzerei zu weichen Fahrwerks. Straffere Gabelfedern gibt es bei Wilbers, Öhlins und Co. bereits ab 90 Euro. Dazu wird noch Öl fällig. Sinnvoller ist jedoch der Fahrwerksumbau aus einer Hand, zum Beispiel bei www.hh-racetech.de, Öhlins oder Wilbers direkt – oder bei jedem anderen kompetenten Händler. Der Vorteil: Gabel und Federbein werden passend zum Fahrergewicht aufeinander abgestimmt. Im
Falle der Wellbrock-Honda CB 1000 R (Gabelumbau für 1100 Euro und Federbein mit einstellbarer Druckstufe für 1160 Euro) ist das ganz hervorragend gelungen.
Auspuff: Wer optisch Hand anlegen will, kann dies problemlos am Auspuffendtopf tun. Slip-on-Systeme wie Hurric MP-1 gibt‘s mit EG/BE bereits für 199 Euro. Komplettsysteme ab 1200 Euro (Arrows) sind vor allem in Kombination mit einem getunten Motor oder einer optimierten Einspritzelektronik sinnvoll.
Ergonomie und Chichi-Kram: Komplett gefräste Fußrastenanlagen für die Honda CB 1000 R beginnen mit ABE bei 329 Euro. Flachere Lenker zuzüglich anderer Klemmböcke gehen zusammen zum Beispiel bei LSL für 160 Euro über den Tresen. Anbieter von Kennzeichenhaltern, LED-Blinkern, Spiegeln und Griffen gibt es auf dem Zubehörmarkt gleich im Dutzend, und es ist für jeden Geschmack und Geldbeutel etwas Passendes dabei.
1. Wellbrock-Honda CB 1000 R
Mission erfüllt. Das Potenzial der Honda CB 1000 R wurde in sportlicher Hinsicht um ein Vielfaches erhöht, die Alltagstauglichkeit dabei nicht groß beeinträchtigt. Schade nur, dass wir sie nicht auf eine Rennstrecke entführen konnten...
2. Honda CB 1000 R
Die serienmäßige Honda CB 1000 R ist in jeder Hinsicht brav und damit im besten Sinne gut zum Fahrer. Tückenfrei und zuverlässig begleitet sie einen und versorgt auf Abruf auch mit Adrenalin. Doch mehr Emotionen würden ihr guttun.