Yamaha MT-09 im Top-Test
Schlange stehen beim Fuhrparkleiter

Es kommt Bewegung in die Mittelklasse. Die Yamaha MT-09 schickt sich mit gut aufgelegtem Dreizylinder an, die etablierte Konkurrenz aufzumischen.

Schlange stehen beim Fuhrparkleiter
Foto: fact

Wenn Redakteure bei der Schlüsselvergabe für Test­motorräder Schlange stehen oder in der Morgenkonferenz andächtig den Fahrerlebnissen mit einem neuen Motorrad lauschen, ist die Sache eigentlich klar: Es ist mal wieder eine Neuheit mit spektakulären Leistungsdaten oder technisch raffinierten High-End-Lösungen eingetroffen. Oder ein begehrenswerter Exot.

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Im Falle der Yamaha MT-09 liegen die Dinge ein wenig anders. 115 PS in einem Mittelklasse-Naked Bike, das klingt zunächst nicht besonders aufregend. Dass sie einem 850er-Dreizylinder entspringen, dagegen schon eher. Dass dieser mit saftigem Drehmomentverlauf daherkommt und nur rund 190 Kilogramm auf die Waage bringt, macht hellhörig. Und spätestens beim Preis von knapp unter 8000 Euro mit ABS wird die Sache richtig interessant.

fact/Joachim Schahl
Ob zügige Feierabend-Runde oder genüssliche Ausfahrt, die MT-09 macht überall eine gute Figur. Und ihr Dreizylinder richtig Laune.

Äußerlich wirkt die Yamaha MT-09 wie eine Mischung aus Roadster und Supermoto. Sitzbank und Taille sind so schmal, dass selbst die schlanken Ducati-Sportler neidisch werden könnten. So sind die noch moderaten 810 mm Sitzhöhe auch für weniger Langbeinige keine ernsthafte Hürde. Ohne zu mucken, nimmt der Dreizylinder selbst nach feuchten, kühlen Nächten die Arbeit auf und läuft nach wenigen Metern rund. Kleiner Wendekreis, lockere Sitzposition, nicht zu breiter Lenker und günstiger Schwerpunkt, das enge Gewusel der Innenstadt meistert die MT-09 mit links.

Gemessen an den aktuellen Dreizylindern von Benelli, MV oder Triumph, die ihre ungerade Zylinderzahl mit selbstbewusstem Knurren, Fauchen und Röcheln kundtun, hält sich die Yamaha MT-09 akustisch wohlerzogen zurück. Fast, als wolle sie etwas schüchtern ihre Bauweise verschweigen. Braucht sie aber gar nicht. Schließlich haben Drillinge bei Yamaha eine gewisse – wenn auch kurze – Tradition. Der wohlgedämpfte Drilling-Sound schmeichelt sich angenehm dezent ins Ohr. Und vor der übrigen Dreizylinder-Bande verstecken muss sich der MT-09-Antrieb schon gar nicht.

So satt, so druckvoll, so gleichmäßig

Leute, vergesst das bloße Schielen auf die Höchstleistung. Wenn ein Motor so satt, so druckvoll und gleichmäßig von ganz unten bis in höchste Lagen anschiebt, wird Spitzenleistung nebensächlich. Unser Respekt jedenfalls ist den Yamaha-Motorenentwicklern sicher. Denn wie die Yamaha MT-09 bereits knapp über Standgas vorwärtsdrückt, ist klasse.

Drei Fahrmodi stehen zur Verfügung, die sich während der Fahrt bei geschlossenem Gasgriff ganz easy vom Lenker aus wechseln lassen: A, Standard und B. Volle Leistung stellen alle drei bereit, sie unterscheiden sich nur in Gasannahme und Leistungsentfaltung. Recht akzentuierte Lastwechsel und direkt-bissige Gasannahme liefert der Standard-Modus, der nach jedem Start automatisch aktiv ist. Noch aggressiver, fast übermotiviert, hängt die Yamaha MT-09 im A-Modus am Gas. So landet man früher oder später beim sanftesten, dem B-Modus, der direkte Gasannahme und die weichsten Lastwechsel bietet. Die MT-09 kann problemlos im sechsten Gang durch die Örtchen schnurren. Und ist die Stadtgrenze erreicht, genügt ein Dreh am Gasgriff, den Rest richtet das satte Drehmoment. Ein Blick auf das Leistungsdiagramm verrät, weshalb. Das Drehmoment sinkt praktisch nie unter 70 Nm.

fact/Joachim Schahl
Bodenfreiheit und Gripreserven erlauben enorme Schräglagen.

Da ist jeder Kurvenausgang ein Fest. Hahn auf, und die Yamaha MT-09 schnalzt voran. Fast schon egal, welcher Gang und welche Drehzahl anliegen. Quirlig, gleichmäßig, druckvoll und ohne den Anflug eines Hängers. Beim Spurt von Kurve zu Kurve ist die Yamaha in ihrem Element. Fantastisch, wie dieser Motor Durchzugskraft und Drehfreude unter einen Hut bringt. Denn bei aller Antrittsstärke scheut er auch hohe Drehzahlen bis über 11 000/min nicht – und dreht damit so hoch wie das im Vergleich dazu ziemlich blutleere FZ8-Aggregat aus gleichem Hause. Zwar flaut der Elan ab 10 000/min wieder ab, aber das interessiert nur am Rande. Dabei erzeugt das MT-09-Aggregat seine souveräne Dynamik und gleichmäßige Leistungsentfaltung ohne Klappe im hübschen Stummelauspuff.

Ausgesprochen gut gewählt hat Yamaha die Übersetzungsstufen. Die ersten vier Gänge sind praxisgerecht kurz gestuft, die letzten beiden dagegen drehzahl- und verbrauchsenkend lang. Wobei der sechste theoretisch bis 260 km/h reicht – abgeregelt wird in der Praxis bei echten 210. Der Durchzugskraft im letzten Gang tut die lange Übersetzung keinen Abbruch. Zahlen gefällig? Im sechsten Gang hält die Yamaha MT-09 von 60 bis 140 km/h zum Beispiel mit einer Honda CB 1000 R mit. Bis 100 km/h immerhin noch mit einer BMW S 1000 RR. Sehr beeindruckend.

Getriebe der Yamaha MT-09 erntet Kritik

Das mit einer Ausgleichswelle bestückte Aggregat läuft über einen weiten Drehzahlbereich ausgesprochen weich. Erst zwischen 5000 und 8000/min dringen vor allem unter Last spürbare, aber nie lästige Vibrationen zum Fahrer durch, die darüber wieder abebben. Das läuft eher unter Charakter. Doch wo viel Licht ist, findet sich auch immer etwas Schatten. Werden vielleicht hauptsächlich Feingeister das helle Singen monieren, das sich um 4000/min in das dezente Grummeln des Motors mischt, erntet das Getriebe der Yamaha MT-09 schon deutlicher Kritik. Für den hörbaren Schlag, mit dem der erste Gang einrastet, und die knöchernen Schaltvorgänge. Viel mehr aber kann man dem famosen Antrieb nicht ankreiden.

Dieser Dreizylinder ist ein großer Wurf und cleverer Zug von Yamaha. Er ist ungemein stressfrei, drehzahl- und nervenschonend zu fahren. Dennoch feurig genug, um selbst anspruchsvolle Gemüter zu begeistern. Er läuft bereits kultiviert, wo sich ein Twin noch unwillig schüttelt. Ist leichter und günstiger als ein Vierzylinder, dessen theoretisch größere Leistungsausbeute bei hohen Drehzahlen auf der Landstraße nicht wirklich sticht. Und klingt dazu charmant. Chapeau!

Yamaha MT-09 zählt zu den Leichtesten ihrer Klasse

Das Fahrwerk macht seine Sache ebenfalls ordentlich, spielt aber nicht auf diesem hohen Niveau. Die Yamaha MT-09 ist wunderbar handlich, vor allem in engen Kehren. Sie lässt sich dazu ohne große Kraftanstrengung von einer Schräglage in die nächste schwenken. Hier macht sich natürlich auch das niedrige Gewicht bemerkbar. Mit ABS vermeldet die Redaktionswaage schlanke 192 Kilogramm. Ein Spitzenwert. Damit zählt sie neben MV Agusta Brutale 800 und Triumph Street Triple zu den leichtesten ihrer Klasse – allesamt Dreizylinder. So soll ihr Motor gegenüber dem FZ-8-Aggregat zehn Kilogramm einsparen.

Yamaha MT-09 Testride-Video

Rollte die kroatische Test-MT-09 des ersten Vergleichs (MOTORRAD 23/2013) auf den ebenfalls in Deutschland alternativ als Erstbereifung erhältlichen Dunlop D 214 „L“, trug unsere Test-Maschine Bridgestone S20 in Sonderspezifikation „M“. Die liefern nicht nur vom ersten Meter an tollen Grip und Vertrauen, sondern lassen die MT-09 auch deutlich williger in die Kurven zacken. Doch bei aller bezaubernden Dynamik verlangt die Yamaha MT-09 auch stets etwas Druck am kurveninneren Lenkerende zum Einlenken und um in Schräglage auf Kurs zu bleiben, was letztlich nicht besonders neutral wirkt. Das überrascht ein wenig. Denn bei aller Agilität ist die Fahrwerksgeometrie mit 65 Grad Lenkwinkel und 102 Millimetern Nachlauf nicht gnadenlos auf Handlichkeit, sondern eher gemäßigt ausgelegt.

Front etwas nervös in großer Schräglage

In großer Schräglage wirkt die Front etwas nervös und sensibel, weshalb Bodenwellen über die Lenkung für leichtes Aufstellen sorgen. Und beherzt über verwinkelte Straßen gejagt, kommt doch Bewegung ins Fahrwerk. Die Abstimmung der Federelemente ist schließlich eher dem Komfort denn knackig-straffer Sportlichkeit verpflichtet, trifft dabei aber einen guten Mittelweg zwischen komfortabel und ausreichend straff. Was auch dem Wesen derYamaha MT-09 entspricht. 

Denn lassen wir die Kirche im Dorf, eine Rennfeile will die Yamaha MT-09 ja auch gar nicht sein. Und flottes Tempo macht sie allemal mit. Nicht nur dank üppiger Schräglagenfreiheit. Die in Vorspannung und Zugstufe einstellbaren Federelemente sprechen gut an und stecken Kanten und Fugen auch in Schräglage sauber weg, ohne dass die Yamaha aus dem Tritt gerät. Weshalb selbst auf zweitklassigem Asphalt der Komfort nicht zu kurz kommt. Etwas mehr Durchschlagreserven bei der Gabel und ein größerer Einstellbereich der Zugstufen vorne wie hinten wären trotzdem kein übertriebener Luxus. 

Beim kurzen Zwischenspurt auf der Autobahn beschleunigt die MT-09 ruck, zuck und ohne viel Anlauf bis zur elektronisch abgeriegelten Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h. In diesen Temporegionen könnte sie tatsächlich satter liegen und zeigt sich empfänglich für Anregungen über den Lenker. Nicht besorgniserregend, aber spürbar. Doch ist Topspeed-Bolzerei ja auch gar nicht ihre Bestimmung. Und der Genuss im Sattel der Yamaha MT-09 kommt dennoch nicht zu kurz.

Nichtsdestotrotz ist nach gut 300 Kilometern ein Stopp fällig. Nicht etwa, weil der Hintern schmerzen würde oder die Yamaha MT-09 ein Säuferin wäre. Im Gegenteil: 4,4 Liter auf 100 Kilometer, da kann man nicht meckern. Doch 14 Liter Tankinhalt, von denen der letzte Liter nur mit viel Geduld hineinzutröpfeln ist, lassen nicht mehr Reichweite zu. Der Fahrer würde es auf der straff gepolsterten Sitzbank jedenfalls länger aushalten. Auch weil der hoch montierte Lenker eine aufrecht-entspannte Sitzposition ermöglicht. 

Schmales Sitzbrötchen für Sozius

Ganz so komfortabel ist der Sozius nicht untergebracht. Im Gegenteil: Das schmale Sitzbrötchen und die ziemlich hohen Rasten erfordern Nehmerqualitäten. Wobei das Fahrwerk einen zusätzlichen Passagier gut verkraftet. Angesichts von 173 Kilogramm Zuladung dürften ausgedehnte Urlaubsfahrten zu zweit aber eher die Ausnahme bleiben. Zumal man bis auf zwei Haken an den Soziusrasten Befestigungsmöglichkeiten für Gepäck vergeblich sucht und der Rücken des Sozius im Regen wenig Spritzschutz genießt. Beim Bremsen lässt die Yamaha MT-09 ihre Besatzung dafür nicht im Regen stehen.

Obwohl die MT-09 in einem sehr preissensiblen Segment antritt, ließ sich Yamaha nicht lumpen und spendierte ihr statt billiger Schwimmsattelbremsen die Yamaha-typischen radial montierten einteiligen Vierkolbensättel mit eingeschraubten Deckeln. Und die sind eine Bank. Zwei Finger genügen, um sie mit geringer Handkraft spontan und wuchtig zupacken zu lassen. Auch aus hohem Tempo beißen die Bremsen souverän und gleichzeitig fein dosierbar zu. Unterstützung erhalten sie von einem ABS, das sicher, wenngleich mit etwas langen Intervallen, regelt. Die feinen Stopper fügen sich nahtlos in das sauber verarbeitete Bild der MT-09. Ob hübsche Zehnspeichenfelgen, adrette Alu-Rasten, Federbein-Umlenkung oder sauber verlegte Leitungen, die Yamaha MT-09 macht einen durchweg wertigen Eindruck, wenngleich der zweiteilige, verschraubte Rahmen oder das nicht vom Lenker aus bedienbare Cockpit vom Kostendruck zeugen. So dürfte die Yamaha bei der Konkurrenz für nachdenkliches Stirnrunzeln sorgen und die Hackordnung in der Mittelklasse gehörig durcheinanderwirbeln.

Technische Daten

Motor:
Wassergekühlter Dreizylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine Ausgleichswelle, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung Ø 41 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 415 W, Batterie 12 V/9 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette,
Sekundärübersetzung 45:16.

Bohrung x Hub 78,0 x 59,1 mm

Hubraum 847 cm³

Verdichtungsverhältnis 11,5:1

Nennleistung 84,6 kW (115 PS) bei 10.000/min

Max. Drehmoment 88 Nm bei 8500/min

Fahrwerk:

Brückenrahmen aus Aluminiumguss, Upside-down-Gabel, Ø 41 mm, verstellbare Federbasis und Zug­stufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 298 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 245 mm, Einkolben-Schwimmsattel.

Alu-Gussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17
Bereifung im Test: Bridgestone S20 „M“

Maße + Gewicht:

Radstand 1440 mm, Lenkkopfwinkel 65,0 Grad, Nachlauf 103 mm, Federweg v/h 137/130 mm, zulässiges Gesamtgewicht 365 kg, Tankinhalt 14,0 Liter.

Service-Daten:

Service-Intervalle 10 000 km

Öl- und Filterwechsel alle 10 000 km/2,7 l

Motoröl SAE 10W40

Zündkerzen NGK CPR9EA9

Leerlaufdrehzahl 1200 ± 100/min

Garantie zwei Jahre

Farben Blau, Violett, Orange, Grau

Preis 7495 Euro

Preis Testmotorrad 7995 Euro

Nebenkosten zirka 170 Euro

Set up beim Top-Test

Gabel

Zugstufe 0,25 Umdrehungen

Vorspannung 5 Ringe

Luftdruck 2,5 bar

Federbein

Zugstufe 0,5 Umdrehungen*

Vorspannung Stufe 4

Luftdruck 2,9 bar

Aufgefallen

fact/Joachim Schahl
Der Öleinfüllstutzen sitzt schlecht erreichbar in einer Nische im Kupplungsdeckel.

Der konifizierte Alu-Lenker zeugt ebenso von der wertigen Verarbeitung und Ausstattung wie die sehr gute Erstbereifung mit Bridgestone S2.

Die hübsche Bananenschwinge ist zwar nicht wie bei Sportlern aus Alu-Blechen zusammengefügt, auch wenn sie den Eindruck erweckt, sondern lediglich eine Gusskonstruktion. Doch verfügt sie über eine solide Führung der Kettenspanner.

Die hintere Bremse lässt sich fein dosieren und packt gut zu.

Der Öleinfüllstutzen sitzt schlecht erreichbar in einer Nische im Kupplungsdeckel. Dazu ist das Bordwerkzeug billig und nicht sehr umfangreich. Das Spannen der Kette ist unterwegs mithilfe des Bordwerkzeugs nicht möglich.

Die Spiegelarme dürften etwas länger ausfallen.

MOTORRAD-Messungen

fact/Joachim Schahl
Was das Diagramm zeigt, spürt man auch in der Praxis. Nämlich Druck vom Fleck weg. Beinahe mustergültig strebt die Leistungskurve in die Höhe und bietet noch rund 1000/min Überdrehreserve, die man in der Praxis aber nicht benötigt.

Höchstgeschwindigkeit 210 km/h

Beschleunigung

0–100 km/h3,3 sek

0–140 km/h5,4 sek

0–200 km/h11,5 sek

Durchzug

60–100 km/h3,3 sek

100–140 km/h4,0 sek

140–180 km/h4,4 sek

Tachometerabweichung

Effektiv (Anzeige 50/100) 47/94 km/h

Drehzahlmesserabweichung

Anzeige roter Bereich 11 500/min

Effektiv 11 500/min

fact/Joachim Schahl
Das Gangdiagramm zeigt gut erkennbar die enger gestuften ersten vier und die längeren letzten beiden Fahrstufen.

Verbrauch

Bei 130 km/h 4,9 l/100 km

Landstraße 4,4 l/100 km

Theor. Reichweite Landstraße 318 km

KraftstoffartSuper

MAßE+Gewichte

L/B/H2100/900/1270 mm

Sitzhöhe810 mm

Lenkerhöhe1070 mm

Wendekreis5700 mm

Gewicht vollgetankt 192 kg

Zuladung173 kg

Radlastverteilung v/h 51/49 %

fact/Joachim Schahl
Bremsen.

Bevor die ABS-Regelung einsetzt, glänzt die radial verschraubte Vierkolbenbremsanlage der MT-09 mit hoher Bremswirkung und guter Dosierbarkeit. Der Druckpunkt bleibt auch bei Verzögerungen aus hoher Geschwindigkeit stabil. Erst im ABS-Regelbereich sind die Regel­intervalle etwas zu grob.

Handling-Parcours I (schneller Slalom)
Rundenzeit 19,6 sek
Referenz Street Triple 20,6 sek
Vmax am Messpunkt 110,5 km/h
Referenz Street Triple 112,0 km/h

Bemerkung: Schneller Antritt beim Start und gutes Durchzugsvermögen zwischen den Pylonen. Trotz fast völlig geschlossener Zugstufen blieb Bewegung im Fahrwerk.

Handling-Parcours II (langsamer Slalom)
Rundenzeit 28,4 sek
Referenz Street Triple 28,6 sek
Vmax am Messpunkt 52,3 km/h
Referenz Street Triple 52,8 km/h

Bemerkung: Die Bridgestone S20 vermitteln gute Rückmeldung bis in tiefe Schräglagen. Sehr leichtes Einlenken, aber etwas kippelig in Kurven. Bei Lastwechsel stört in A- und Standard-Modus eine harte Gasannahme.

Kreisbahn (Durchmesser 46 Meter)
Rundenzeit 10,5 sek
Referenz Street Trible 10,3 sek
Vmax am Messpunkt 52 km/h
Referenz Street Trible 52,5 km/h

Bemerkung: Die Rasten setzten sehr spät auf. Die Haftgrenze der S20 ist dann noch nicht erreicht. In Schräglage stört ein leichtes Aufstellmoment, z. B. auf Bodenwellen.

Bremsmessung aus 100 km/h
Bremsweg 41,5 m
Referenz Street Triple 42,8 m

MOTORRAD-Punktewertung

Motor

Der Motor ist das Glanzstück der Yamaha MT-09. Die Kombination aus Durchzugskraft und Drehfreude ist klasse, sein breites nutzbares Drehzahlband ausgezeichnet. Dass er darüber hinaus auch recht weich läuft, erfreut ebenso. Und zumindest im sanften B-Modus geben auch die Lastwechsel kaum Anlass zur Kritik. Das knochige Getriebe erinnert dagegen an die ersten R6-Modelle. Als praxistauglich erweist sich die Getriebe­abstufung.

184 Punkte bei maximaler Punktzahl von 250.

Fahrwerk

Eine weitere Stärke der Yamaha MT-09 ist ihre Handlichkeit, die zur besten in ihrer Klasse zählt. Doch die Neigung, mit dem Lenker zur Kurveninnenseite zu drehen, vereitelt bessere Bewertungen bei der Lenkpräzision und der Neutralität in Schräglage. Auch die Stabilität bei Topspeed könnte besser sein. Dafür gefällt vor allem die Gabel mit feinem Ansprechverhalten. Nur für raue Gangart fällt die Dämpfung der Federelemente zu weich, der Einstellbereich der Zugstufe zu gering aus.

171 Punkte bei maximaler Punktzahl von 250.

Alltag

Durchaus komfortabel untergebracht, logiert der Pilot hinter dem hohen Lenker. Während Hinterbänkler hauptsächlich über die hoch montierten Rasten maulen dürften. Die spärlichen Befestigungsmöglichkeiten für Gepäck und die geringe Zuladung müssten aber nicht sein. Der kleine 14-Liter-Tank hilft in erster Linie, das Gewicht niedrig zu halten. Akzeptable Reichweiten erzielt die Yamaha MT-09 trotzdem, dank niedrigem Verbrauch. Die Verarbeitung kann sich vor allem angesichts des Preises durchaus sehen lassen.

133 Punkte bei maximaler Punktzahl von 250.

Sicherheit

Diese Bremsen sind ein Genuss. Klasse im Zupacken und gut zu dosieren. Bei Vollbremsungen bleibt die Yamaha MT-09, obwohl die Gabel bis auf Anschlag abtaucht, auch mit zwei Personen stabil in der Spur. Aufstell­moment ist spürbar, aber noch akzeptabel.

108 Punkte bei maximaler Punktzahl von 150.

Kosten

Mehr als die üblichen zwei Jahre Garantie gewährt Yamaha nicht. Doch der günstige Verbrauch bringt einige Punkte.  

60 Punkte bei maximaler Punktzahl von 100.

Gesamtwertung

Das kann sich doch wahrlich sehen lassen. Ordentliche Punktausbeute, niedriger Einstandspreis, ergibt die bislang beste Note.

Preis-Leistungs-Note 1,0

Fazit

Mittelklasse gleich Mittelmaß? Diese Zeiten sind längst passé. Das demonstriert die Yamaha MT-09 eindrucksvoll. Sie verbindet Umgänglichkeit mit druckvoller Dynamik. Auch wenn ihr Motor das Glanzlicht setzt, sticht das Konzept als Ganzes. Daran dürfte die Konkurrenz zu knabbern haben. Zumal dieser Antrieb auch gut in einige weitere Modellkonzepte passt. Befestigungspunkte am Lenkkopf für einen Verkleidungshalter sind jedenfalls schon mal vorhanden. Und der Preis ist eine Kampfansage.

Ur-Maschine Yamaha XS 750 (Bj. 1977)

fact/Joachim Schahl
Die XS erschien erst mit 750, später mit 850 cm3, die Speichenräder sind ein seltener Umbau.

Als Yamaha 1977 die XS 750 vorstellte, waren Dreizylinder eher noch exotische Ausnahmen. Das Bemerkenswerte an ihr war aber neben der Zylinderzahl, dass ihr Motor unter Mithilfe von Porsche entwickelt wurde. Heraus kam eine durchweg moderne Konstruktion mit 120 Grad Hubzapfenversatz, zwei obenliegenden Nockenwellen und Tassenstößeln. Damit enden aber auch schon die Gemeinsamkeiten zwischen Urahnin und ihrer Enkelin. Denn jegliche sportlichen Ambitionen waren der XS fremd. Die verboten sich allein schon wegen des stattlichen Gewichts von 257 Kilogramm.

Bringt die Yamaha MT-09 mitreißende Dynamik und Komfort prima unter einen Hut, war die XS klar als komfortabler Tourer konzipiert. Folgerichtig übernahm bei ihr ein von Porsche und Getriebespezialist Getrag entwickelter Kardan den Sekundärantrieb. Der Primärantrieb erfolgte über eine schwere Primärkette. Mit lediglich zwei Ventilen pro Zylinder und einem praktisch quadratischen Bohrung-/Hub-Verhältnis von 68 x 68,1 mm war die zunächst 64 PS starke XS ohnehin mehr auf guten Durchzug denn prickelnde Spitzenleistung getrimmt. Entsprechend schlürfte sie ihr Frischgas durch kleine 34er-Vergaser. Ein braves, aber durstiges Arbeitstier. Ein wahrer Alleskönner dagegen der sparsame MT-09-Drilling mit seinen 41 mm großen Drosselklappen.

Die Spitzenleistung der XS lag bei kommoden 7200/min an, der rote Bereich bei 9000/min. Gegenüber ihren 85 PS Literleistung nehmen sich die 135 PS/Liter der Yamaha MT-09 geradezu gigantisch aus. Von Drehzahlen bis über 11 000/min konnte die XS nur träumen. Mit einem Bohrung-/Hub-Verhältnis von 78,0 x 59,1 mm ist die MT allerdings auch deutlich kurzhubiger und damit drehfreudiger ausgelegt als die XS, aber immer noch etwas langhubiger als ihre aktuelle Drei­zylinder-Konkurrenz. Dabei hält sich die mittlere Kolbengeschwindigkeit der MT-09 bei Nenndrehzahl mit 19,7 m/s noch in Grenzen. Die XS ließ es gar bei beschaulichen 16,5 m/s bewenden. So beschränkt sich nach dreieinhalb Jahrzehnten die weitere Familienähnlichkeit noch auf die feine Laufkultur und den Sound. Doch während die XS 750 nie ein richtiger Verkaufsschlager wurde, dürfte der MT-09 eine rosige Zukunft bevorstehen.

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023