Zahnriemenumbau Yamaha XJR 1300 West
Saubere Sache

Die Yamaha XJR 1300 der Firma Motokram wird über einem Zahnriemen angetrieben. Gehört dem alternativen Antrieb zu Kardan und Kette die Zukunft?

Dass die XJR 1300 der Firma Motokram ein Blickfang ist, liegt zum einen an ihrer außergewöhnlichen Lackierung, die der West-Zigarettenwerbung nachempfunden wurde, sowie an diversen exquisiten Komponenten: Upside-down-Gabel von Showa, Federbeine von Technoflex, markant gestylte Sitzbank und viel poliertes Edelmetall. Zum anderen auch am ungewöhnlichen Antrieb: Statt über Kette traben 106 PS über einen 37 Millimeter breiten Zahnriemen ans Hinterrad.
Und diese Art der Kraftübertragung hinterlässt einen durchweg positiven Eindruck. Der Zahnriemen wirkt wie ein Ruckdämpfer, gibt die Leistung weicher als Kette und Kardan weiter. Lastwechsel sind kaum zu spüren. Zudem läuft der Riemenantrieb sehr leise. Seine Zugfestigkeit ist vergleichbar mit der einer O-Ring-Kette, darüber hinaus ist er leichter und muss, einmal richtig eingestellt, nicht permanent kontrolliert, gespannt oder gefettet werden. Keine Reinigungsaktionen wegen abgeschleuderten Kettenfetts oder gar Ölwechsel wie beim Kardan. Einziger Nachteil: Er ist anfälliger gegen extreme Verschmutzung.
In der Praxis beweisen mittlerweile etliche Modelle, vornehmlich Cruiser, dass der Zahnriemen nicht nur salon-, sondern auch überlebensfähig ist. Dass er sich bis jetzt noch nicht durchsetzen konnte, liegt – neben der Ignoranz der Motorradhersteller – auch an zwei Anforderungen für seine einwandfreie Funktion: Erstens darf der Zahnriemen nicht übermäßig geknickt werden, denn er besteht aus einem Nylongürtel mit innenliegenden, hochfesten Kevlarfäden und reagiert ab einer bestimmten Krümmung empfindlich. Zweitens sollte er stets eine gleichbleibende Spannung haben. Ideale Voraussetzungen hierfür sind knappe Federwege, eine lange Schwinge und ein kurzer Abstand zwischen Ritzel und Schwingendrehpunkt. Kurioserweise ist dies bei den Zahnriemen-angetriebenen Modellen von Buell nicht der Fall und beweist, dass Theorie und Praxis auseinanderliegen können. Ganz ausgefedert kommt beispielsweise eine Buell X1 auf einen Riemendurchhang von 50 Millimetern. Ein ausreichender Umschlingungswinkel des Zahnriemens um Ritzel und Riemenscheibe verhindert ein Überspringen.
Diplom-Ingenieur Hans Helms, Besitzer der Firma VH in Oldenburg, sowie Hersteller des Umrüstkits für die getestete XJR, beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit dem Umbau von Ketten- auf Zahnriemenantrieb. Dieser scheitert konstruktionsbedingt bei vielen Modellen aus Platzgründen: entweder an dem im Verhältnis zur Kette breiteren Riemen, oder der für die Sekundärübersetzung erforderliche Durchmesser des Ritzels lässt sich nicht verwirklichen.
Derzeit bietet Helms für vier Modelle (siehe Kasten) den Umbau auf Zahnriemenantrieb an. Bestärkt durch die Erfahrungswerte der Buell-Modelle, werden es künftig noch mehr sein. Zudem hofft Hans Helms darauf, dass die seit diesem Jahr bei Harley verwendeten, patentierten Zahnriemen bald käuflich sind. Statt Kevlar- werden Kohlefasern verwendet, die die Zugfestigkeit um 30 Prozent erhöhen. Das ermöglicht einen schmaleren Riemen, folglich ließen sich weitere Umbauten realisieren.
Inklusive TÜV-Eintrag sind für einen Umbau minimal zwei Tage zu veranschlagen, die Kosten belaufen sich auf zirka 2200 Mark. Je nach Fahrweise hält der Riemen zwischen 30000 und 50000 Kilometer und kostet so viel wie ein guter Kettensatz: 400 Mark.
Aufgrund des Fortschritts im Werkstoffbereich einerseits und immer strengeren Geräuschvorschriften andererseits ist zu erwarten, dass die Hersteller zukünftig vermehrt auf den Zahnriemenantrieb setzen werden. Denn es gibt weder logische noch technologische Gründe, die dagegen sprechen. BMW übernimmt mit der neuen F 650 ST die Vorreiterrolle und wird den Riemen auch im Mittelklasse-Bereich salonfähig machen. Eine saubere Sache.

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Erscheinungsdatum 15.09.2023