13 Stunden und 170 Kilometer nach unserer Zwischenübernachtung in Vienne finden wir das pure Paradies am Stadtrand von Nyons: der blühende Garten rund um den Pool des Hotels "La Picholine", benannt nach jener französischen Olivensorte, die inzwischen alle Welt schätzt und goutiert. Doch wer kennt dagegen schon die Drôme, Zufluss zur deutlich größeren Rhône? Und das gleichnamige, wunderschöne Département, gelegen zwischen dem bei Touristen sehr populären Département Ardèche und den Seealpen?

Paradies am Stadtrand von Nyons: der blühende Garten rund um den Pool des Hotels „La Picholine“.
Genau deshalb sind wir hier. Zunächst geht es ein Stück auf der D 94 Richtung Gap, dann auf die D 64 zum Col d’Ey. Wie in Cannes bei den Filmfestspielen wird uns der Teppich ausgerollt, und zwar einer aus lila Lavendel, fußballfeldgroß. Darüber eine Orgie in Orange: Aprikosen, die dicht gedrängt im grünen Blättertuch der Obstbäume leuchten. Dazwischen das graue Band des Sträßchens, dahinter die Berge-Kulisse.
Eines der schönsten Dörfer Frankreichs
Oh, là, là, das muss jetzt erst mal begossen werden, beim Grand Crème in einem Straßencafé in Buis-les-Baronnies. Potenziert wie kompliziert wird das Vergnügen beim Blick auf die Faltkarte, auf der sich appetitliche Strecken nur so knubbeln. Wir entscheiden uns für die D 546, D 359 und D 159, kurven über den Col d’Aulan und flitzen schluchtig nach Montbrunles-Bains. Der auf einem Hügel thronende Ort mit seinem alten Uhrturm und dem ockerfarbenen Häuserensemble wurde zu einem der schönsten Dörfer Frankreichs erkoren.
Biertischgarnituren lassen vermuten, dass es dort beim Mittelalterfest am kommenden Samstag hoch hergehen wird. Dafür sorgt in unserem Fall vorher schon die D 542: Wie diese Bergstrecke über den Col de Macuègne nach Séderon, so steigt auch unsere Laune immer weiter an. Eine natürliche Symbiose aus Steigungsprozenten und Stimmungsbarometer. Im sportlichen Cruising-Modus über den Col Saint-Jean, Col de Perty und Col de Peyruergue zurück zum Diner im "La Picholine". Wo Andreas nach der Runde übers meist kurvige, manchmal huckelige Geläuf gesteht: "Heute sind die Ducati Scrambler und ich Freunde geworden. Super handlich das Gerät, und Druck von ganz unten. Nur die auf Dauer unbequeme Sitzbank nervt. Die Duc wäre gut für ein paar Stunden Sauerland – oder was für hinten drauf aufs Wohnmobil."
Donnerstagsmarkt in Nyons
Nichts, was es auf dem Donnerstagsmarkt in Nyons nicht gibt. Die Gassen und Arkadengänge an der Place du Marché strotzen nur so vor floraler Lebensfreude, zwischen all den bunten Blumenständen auch viele mit Textilien und Leckereien. Sogar Elektroroller werden vertickt.

Donnerstagsmarkt in Nyons: Die Gassen und Arkadengänge an der Place du Marché strotzen nur so vor floraler Lebensfreude, zwischen all den bunten Blumenständen.
Aber keine Chance, sind wir doch von unseren Mopeds immer noch entzückt. Und treiben sie über die D 538 zum nächsten Rendezvous mit einer Schönen der Drôme. Grignan heißt die Hübsche, ein stolz und mächtig auf einer Bergkuppe ruhendes mittelalterliches Städtchen, gekrönt von einem Renaissanceschloss. Wir pöttern durch das Labyrinth aus Torbögen und Einbahnsträßchen rund ums Château, bis die Speicherkarte der Kamera vorerst gesättigt und Zeit für Siesta unter den Sonnenschirmen eines Cafés ist.
Serpentinen auf der D 4 nach Espeluche
Schwarze Spuren von brutalen Bremsmanövern und Slides sind Indiz dafür, dass wir nicht die Einzigen sind, denen die Serpentinen auf der D 4 nach Espeluche schmecken. Spaß machen auch die D 538 von Dieulefit nach Bourdeaux und die D 156 über den Col de la Chaudière nach Saillans! Einsame Klasse, die kurvigen Kameraden. Und die Landschaft drumherum? Erinnert etwas ans Voralpenland, kein Vergleich zu den hochalpinen Kaventsmännern weiter im Osten, eher goldene Mitte. Wie die 800er-Scrambler, die souverän und quirlig ihre Bahnen zieht.
Kurzes Intermezzo am Fluss Drôme und dann bittet die D 135 von Vercheny über Saint-Nazaire-le-Désert nach La-Motte-Chalacon wieder zum Tanz. 47 kringelige Kilometer, Mannomann! Es ist eine dieser Strecken, auf die du dich schon vorher freust. Wie damals in der Tanzstunde auf deinen Jugendschwarm. Nur: Wer nach links und rechts schielt, entdeckt noch andere verführerische Kandidatinnen. Wie die D 581 nach Rimon-et-Savel oder die D 202 nach Petit-Paris und zum Col de Muse. Doch wer kann schon alle knutschen? Wir bleiben der D 135 treu, freuen uns über die engen Gorges de l’Escharis sowie eine niedliche, als Briefkasten dienende Kastenente in Pradelle und erreichen schließlich nach einem Schlussspurt über die D 94 wieder pünktlich das "La Picholine".
Über den Col d’Ey nach Süden
Bei aller Vernunft und Zurückhaltung: Manchmal ist die Gier einfach stärker, möchtest du dir nicht den Vorwurf machen, etwas verpasst, weil nicht ausprobiert zu haben. Was jetzt kein altkluges Geschwätz sein soll, sondern Erklärung dafür, warum es uns noch mal über den Col d’Ey nach Süden zieht, zur D 72 und D 41, auf die wir schon vor zwei Tagen in Buis-les-Baronnies ein Auge geworfen hatten. Das grün-weiß markierte Schlängelsträßchen über den Col de Fontaube und in Sichtweite zum Mont Ventoux – Achtung, Versuchung, auch wenn der berühmt-berüchtigte Berg, Bühne ungezählter Tour-de-France-Dramen, nicht mehr zur Drôme gehört – lohnt sicher den Weg; viel mehr dann aber noch der Abstecher hoch nach Plaisians zur "Auberge de la Clue"! Ein lauschig-schattiger Gastgarten mit hochdekorierter Küche, in der vom Duft des Südens getränkten Sommerluft das Summen fleißiger Akazienhonigproduzentinnen, gelegentlich auch leises Weinkorkenploppen an den Nachbartischen.
Zwei Stunden dauert das Gelage, danach wohlig sattes Stöhnen: "Ach Frankreich, ach Drôme." Was der Norden dieses bezaubernden Landstriches in petto hat, wollen wir natürlich ebenfalls wissen, wechseln deshalb das Quartier und drömmeln – niederrheinisch für bummeln – via Col du Reychasset, Col de Pommerol und Bellegarde nach Die. Das Provinzstädtchen am Ufer der Drôme liegt zwischen den höchsten Gipfeln des Départements, Rocher Rond und Roc de Garnesier, und dem Vercors, jenem wuchtig-schroffen Massiv, wo man rund um Combe Laval und Co. wunderbar Straßensurfen kann, doch wir starten gleich durch nach Hauterives.
15 Kilometer Kehren zum Col de Rousset
Erst fängt es noch lieblich lavendelig an, aber dann: 15 Kilometer krasser Kehrenhagel hoch zum Col de Rousset. Astrein der neue Asphalt, keine Billiglösung per Rollsplitt aus dem Streuwagen, mit dem die Grande Nation so gerne ihre Straßen paniert. Vorbei an Sonnenblumenfeldern und Weinbergen zum Grande Finale, dem Palais idéal du Facteur Cheval in Hauterives.

Surrealer Palais idéal du Facteur Cheval. 33 Jahre baute ab anno 1879 der Landbriefträger Ferdinand Cheval daran.
33 Jahre baute ab anno 1879 der Landbriefträger Ferdinand Cheval an seinem "Idealen Palast", sammelte Abertausende Kiesel, Muscheln und Versteinerungen und erschuf daraus, von Zeitgenossen verspottet, ein weltweit einzigartiges Fantasiegebäude, das vielleicht noch am ehesten an einen Khmer-Tempel erinnert. Und schlussendlich sogar als surrealistische Kunst anerkannt, vom französischen Kulturminister als "Monument historique" unter Denkmalschutz gestellt wurde.
Infos zur Motorradreise Drôme, Frankreich
Die Drôme ist ein vergleichsweise unbekanntes französisches Département zwischen Ardèche, Alpen und Provence; und hat von allem etwas – außer den vielen Urlaubern, die lieber in die bekannteren Gefilde strömen. Südlich des namensgebenden Flusses betört die Drôme Provençale mit schon mediterranem Charme und Charakter, nördlich davon begeistert der Gebirgsstock Vercors mit abenteuerlichen Bergstrecken. Hier wie dort geht es dabei äußerst kurvig zu, zweigen von kleinen oft noch kleinere Sträßchen ab.
- Anreise: Das Städtchen Nyons liegt per Autobahnanreise beispielsweise von Köln aus rund 900 Kilometer, von Freiburg im Breisgau rund 650 Kilometer entfernt. Auf der französischen Autobahn A 7 von Lyon nach Süden, dann Ausfahrt Montélimar Süd, ab dort weiter über D 133, D 541 und D 538 zum Ziel.
- Unterkunft: Für Tagesetappen in die südliche Drôme Provençale empfiehlt sich das "Hôtel La Picholine", Promenade de la Perrière, F-26110 Nyons. Am Flüsschen Drôme sowie zugleich am Fuße des Vercors liegt in Die zentral das "Hôtel Des Alpes", Rue Camille Buffardel 87, F-26150 Die. Ganz im Norden beim fantastischen Palais idéal du Facteur Cheval logiert man im "Hôtel le Relais", Place du Général de Miribel 1, F-26390 Hauterives.
- Literatur und Karten: Als Reiseführer "Ardèche, Drôme, Lyon" von Michelin für 24,99 Euro, als Straßenkarte von Michelin das Blatt 332 "Drôme, Vaucluse" im Maßstab 1:150000 für 9,95 Euro, alternativ Blatt 523 "Rhône-Alpes" im Maßstab 1:200000 für 11,95 Euro.
- Adressen: www.ladrometourisme.com, www.dromeprovencale.fr, www.vercors.com