Die BMW F 800 R wird mächtig unterschätzt und verkauft sich trotzdem blendend. Sie begeistert ihre Besitzer und hat dennoch ein Imageproblem. Kurz gesagt: Der dritte BMW-Roadster ist widersprüchlich. Und auch gebraucht richtig gut.
Die BMW F 800 R wird mächtig unterschätzt und verkauft sich trotzdem blendend. Sie begeistert ihre Besitzer und hat dennoch ein Imageproblem. Kurz gesagt: Der dritte BMW-Roadster ist widersprüchlich. Und auch gebraucht richtig gut.
Ein gestandener BMW-Händler, der seinen Namen hier lieber nicht lesen möchte, bringt es sehr schön auf den Punkt: „Viele 1200er-Fahrer sollten lieber die 800er fahren. Da hätten sie deutlich mehr von!“ Machen sie aber nicht und verpassen damit eine ganze Menge. Aber so ist das nun mal in der BMW-Welt: Richtige Motorräder müssen nach Meinung einiger Herrschaften mindestens den vollen Liter Hubraum haben. Alles darunter taugt bestenfalls für Einsteiger und Frauen. Dabei fährt ein echter Könner mit der Ende 2008 präsentierten und ab Frühjahr 2009 verkauften BMW F 800 R Kreise um den Rest der BMW-Straßenmodelle. Stunt-Weltmeister Christian Pfeiffer wird schon wissen, warum er ausgerechnet dieses perfekt ausbalancierte Motorrad als Arbeitsgerät wählte.
Und trotzdem rangiert die offiziell 87 PS starke, in der Praxis aber meist deutlich mehr leistende BMW F 800 R eher am unteren Ende der BMW-Prestige-Hackordnung und landet tatsächlich überproportional oft in Einsteiger- und Frauenhand. Die dürfen sich dann über einen supersanft am Gas hängenden und überaus munter durchs Drehzahlband tobenden Motor freuen. Der von Rotax gebaute Paralleltwin hat mit einem Fahrwerk zu tun, das die Gratwanderung zwischen Komfort und Sport souverän beherrscht. Die durchzugsstarke F 800 R kann beides: ganz gemütlich bummeln, aber auch mit dem Messer zwischen den Zähnen auf der Hausstrecke vollstrecken. In Sachen Sekundärtugenden ist ebenfalls alles im Lack: gute Soziustauglichkeit, geringer Verbrauch, ordentliche Verarbeitung und Ergonomieverhältnisse, die sich leicht auf alle Fahrerformate abstimmen lassen. Kleiner Gebrauchtkauf-Tipp: die F 800 R als Zweitmoped anschaffen. Wetten, dass sie ganz schnell zum Erstmotorrad wird?!
2009 Markteinführung im Mai; Farben: Weiß/Schwarz, Orange, Weißaluminiummetallic. 7940 Euro.
2010 Neuer Preis: 8200 Euro; zusätzlich im Programm (nur für das Modelljahr 2010): Sondermodell „Chris Pfeiffer“, u. a. mit Akrapovic-Endschalldämpfer, LED-Blinkern, Sonderlackierung. 9200 Euro.
2011 Neue Farben: Gelbmetallic/Schwarz, Graumetallic/Schwarz, Weiß/Blau/Rot. 8300 Euro.
2012 Vordere Seitenverkleidungen neu gestaltet und in Fahrzeugfarbe, Federbeinfeder in Rot, Vorderradkotflügel und Windschild Sport in Fahrzeugfarbe, weiße Blinker serienmäßig, neuer Bremsflüssigkeitsbehälter; neue Farben: Weiß/Schwarz, Rot/Weißaluminiummetallic, Silbermetallic. 8400 Euro.
2013 ABS serienmäßig; neue Farben: Blaumetallic/Weiß, Schwarzmetallic; 8900 Euro. Neue Ausstattungspakete: Dynamik (295 Euro; Motorspoiler, LED-Rücklicht/-Blinker, Soziusabdeckung); Touring (495 Euro; Heizgriffe, Bordcomputer, Steckdose, Gepäckbrücke, Kofferhalter, Hauptständer).
2014 Neue Farben: Orangemetallic/Schwarz, Weiß/Schwarzmetallic/Schwarz. 8900 Euro.
2015 Komplette Modellüberarbeitung, u. a. Motor (90 PS), Getriebe, Fahrwerk und Design. 8900 Euro.
MOTORRAD-Messungen:
Höchstgeschwindigkeit
210 km/h
Beschleunigung 0–100 km/h
3,7 sek
Durchzug 60–100 km/h
4,0 sek
Verbrauch
4,0 l/100 km (Landstraße)
Viele BMW F 800 R erleiden das Schicksal typischer Einsteiger- und Wiedereinsteiger-Maschinen: Sie werden von ihren Erstbesitzern relativ schnell wieder verkauft, wenn etwas Größeres und Stärkeres lockt. Und da die Neuverkaufszahlen ziemlich hoch lagen, ist der Gebrauchtmarkt sehr gut gefüllt. Modelle der ersten Baujahre, womöglich in Magerausstattung und mit relativ hoher Kilometerleistung, sind bereits für deutlich unter 5000 Euro zu bekommen. Aber nicht unbedingt ein Schnäppchen – siehe den unten stehenden Text zur Besichtigung, Stichwort „Wartungsstau“.
Zwischen 5600 und knapp 7000 Euro werden aber bereits gepflegte Ersthand-Schätzchen angeboten, und wer als Privatverkäufer über 7000 Euro verlangt, muss schon mit Komplettausstattung und sehr niedriger Kilometerleistung punkten. Und natürlich mit besagten Wartungsnachweisen. Das Angebot bei den Händlern ist durchweg teurer. Zumindest auf den ersten Blick. Da aber die BMW F 800 R zur Kategorie der jüngeren Gebrauchten gehört, ist eine Gebrauchtfahrzeug-Garantie fast immer Bestandteil des Angebots. Was spätestens dann viel wert ist, wenn es darum geht, dass BMW-Originalersatzteil-Preise gezahlt werden müssen.
Drei inoffizielle Rückrufe (bei BMW heißt das „Technische Aktionen“) gab es: Kombischalter (März 2010), Kühlerverschluss (November 2011) und Batterie (November 2014). Womit mögliche und vermeintlich typische Macken schon aufgezählt wären. Für das Besichtigungsprogramm noch wesentlicher sind die vom Verkäufer selbst verursachten Baustellen – Stichwort Wartungsstau. Die Pflegementalität einiger BMW F 800 R-Eigner entspricht nicht unbedingt der, die Besitzer größerer BMW-Modelle auszeichnet.
Reifen abgefahren, Kettensatz und Bremsbeläge fällig, große Inspektion plus etwas Kleinkram – das macht zusammen locker 1000 Euro und mehr, die beim BMW-Dealer fällig werden. Ein vollständiges Serviceheft ist daher bares Geld wert. Und Umfall-/Unfallfreiheit, denn so sind zum Beispiel die Fußrastenausleger Bestandteil des Heckrahmens. Kein Drama, was die Materialkosten angeht, aber schraubertechnisch ziemlich (zeit)aufwendig. Und damit in der Werkstatt sehr teuer.
Zweizylinder-V-Motor, 750 cm³, 95 PS, vollgetankt 225 kg, Neupreis 2010: 7813 Euro; heute gebraucht ab 5000 Euro
Vierzylinder-Reihenmotor, 748 cm³, 106 PS, vollgetankt 232 kg, Neupreis 2010: 8095 Euro; heute gebraucht ab 4900 Euro
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Dreizylinder-Reihenmotor, 675 cm³, 106 PS, vollgetankt 190 kg, Neupreis 2010: 8990 Euro; heute gebraucht ab 5500 Euro
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Vierzylinder-Reihenmotor, 779 cm³, 106 PS, vollgetankt 216 kg, Neupreis 2010: 8495 Euro; heute gebraucht ab 5000 Euro
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