Exklusives Interview mit MV-Boss Timur Sardarov
Der Druck liegt jetzt auf KTM

Im exklusiven MOTORRAD-Interview bezieht der MV Agusta-Mehrheitseigner Timur Sardarov Stellung zur Zukunft der Marke und zu den jüngsten Aussagen seiner Partner bei KTM.

Sardarov CEO MV 2023
Foto: MV Agusta
In diesem Artikel:
  • Sardarov zu der "Übernahme" von MV Agusta durch KTM:
  • Die Zukunft der Lucky Explorer:
  • Von 1.000, 5.000 und 12.000 neuen Motorrädern von MV Agusta:
  • Die Zukunft der MV-Händler in Deutschland:
  • Fazit

Im November 2022 erwarb KTM 25,1 Prozent an MV Agusta und damit eine Sperrminorität. Seither äußerten sich sowohl KTM-Boss Stefan Pierer als auch Vorstandsmitglied Hubert Trunkenpolz in Interviews sehr offen zu ihren Plänen mit der italienischen Edelmarke – "sobald wir die Mehrheit haben".

Im exklusiven MOTORRAD-Interview bezieht der MV Agusta-Mehrheitseigner Timur Sardarov, dem 74,9 Prozent gehören, Stellung zur Zukunft der Marke.

Sardarov zu der "Übernahme" von MV Agusta durch KTM:

Die KTM-Bosse machen öffentlich, was sie mit MV Agusta vorhaben, obwohl ihnen bislang erst 25,1 Prozent gehören. Sind Sie deswegen sauer?

"Nein, überhaupt nicht. Firmen im deutschsprachigen Raum haben oft eine sehr direkte Art, mit Themen umzugehen, das ist ihre Arbeitsweise. Ich komme damit gut klar. Und es ist ja schön, dass in der Chefetage von KTM ein so ein großes Interesse an MV Agusta besteht."

Unsere Highlights
Steht denn die Übernahme der Mehrheit an MV Agusta durch KTM tatsächlich kurz bevor?

"Nein. Wir haben einen Fünf-Jahres-Vertrag geschlossen, KTM hat für den Fall der Fälle ein Vorkaufsrecht, wie das ist unter Partnern üblich sind. Aber in den nächsten drei oder vier Jahren wird sich an den Mehrheitsverhältnissen nichts ändern, ich will ja gar nicht verkaufen. Erst muss MV Agusta stabil und profitabel sein, dann sehen wir weiter."

Die Zukunft der Lucky Explorer:

Die KTM-Chefs Stefan Pierer und Hubert Trunkenpolz haben beide die geplante Reiseenduro Lucky Explorer kritisiert, weil sie nicht zur MV-Modellpalette passen würde, zudem könnte die kleinere Version, eine 550er, die in China gebaut werden soll, dem Markenimage sogar schaden. Sehen Sie das auch so?

"Als wir die 550er geplant haben, waren wir noch ohne Partner, da hatte das Motorrad in unserer Palette durchaus Sinn. Jetzt beziehen wir in unsere Überlegungen aber auch das Portfolio von KTM mit ein, da wir ja einen gemeinsamen Vertrieb aufbauen. Und es stimmt schon, da könnte unsere 550er zu teuer ausfallen. Unsere 950er aber wird auf jeden Fall kommen, wir haben jetzt auch den endgültigen Namen dieser neuen Modellreihe definiert: MV Agusta LXP. Geplant sind mehrere Varianten, darunter eben die Lucky Explorer."

Aber an großen Reiseenduros hat KTM doch auch mehr als genug Angebote, von der 890er bis zur 1290er. Widerspricht sich das nicht?

"Nein. Unsere LXP ist etwas völlig anderes, allein schon, weil es sich um einen Dreizylinder und nicht um einen Zweizylinder wie bei KTM handelt. Wir sind inzwischen auch mit Leuten von KTM auf Erprobung gegangen, und ich kann Ihnen sagen: Alle lieben dieses Motorrad!"

Wann soll es kommen?

"Die Vorserie läuft schon an, auf den Markt wird die LXP im Spätsommer dieses Jahres kommen. Wir versprechen uns viel von diesem Modell: 2023 wollen wir davon 2.500 bis 3.000 Stück bauen."

Von 1.000, 5.000 und 12.000 neuen Motorrädern von MV Agusta:

Stichwort Produktionszahlen: Hubert Trunkenpolz hat in einem Interview gesagt, dass MV Agusta letztes Jahr nur 1000 Motorräder gebaut hat, Sie hingegen haben gegenüber MOTORRAD immer von 5000 gesprochen. Was stimmt nun?

"Es waren 5.000, mit 1.000 könnten wir gar nicht überleben. Vielleicht war das Zitat von Hubert Trunkenpolz aus dem Zusammenhang gerissen. Für dieses Jahr planen wir bei MV einen Produktion von annähernd 9.000 Motorrädern, nächstes Jahr dann 12.000."

12.000 Stück – das ist exakt die Zahl, die auch KTM im Zusammenhang mit der Produktion von MV Agusta genannt hat, allerdings erst in fernerer Zukunft. Woher nehmen Sie den Optimismus, dass es damit schon nächstes Jahr klappen könnte?

"Wir wollen ja unbedingt wachsen! Genau deswegen habe ich mich für die Partnerschaft mit KTM entschieden, obwohl mir viele Leute abgeraten haben, weil KTM zu aggressiv sei. Aber ich finde genau das gut, die Firma ist erfolgreich, weil sie so entschlossen, zielstrebig und eben auch aggressiv agiert. Das ist genau das, was uns fehlt. Mit KTM als Partner kann sich MV Agusta ganz anders positionieren und viele Probleme lösen, allein durch den gemeinsamen Einkauf und den gemeinsamen Vertrieb. Der Druck, die Ziele umzusetzen, liegt jetzt auf KTM."

Die Zukunft der MV-Händler in Deutschland:

Was ist mit den Händlern? In Deutschland wurden im Frühjahr alle bisherigen MV-Händler gekündigt. Gibt’s jetzt wieder welche?

"Die Kündigungen waren durch die neue Vertriebsstruktur bedingt. Inzwischen haben wir weltweit wieder 100 Händler, alte und neue. In Deutschland werden die neuen Händlerverträge derzeit abgeschlossen, zum Teil ist das schon passiert und auf unserer Website veröffentlicht. Deutschland ist für uns einer der wichtigsten Märkte, Sie können sicher sein, dass wir dort sehr präsent bleiben."

Alles in allem sind Sie also zufrieden damit, wie es mit KTM läuft?

"Ja. Die Zusammenarbeit zwischen einem kleinen und einem großen Partner ist immer eine Herausforderung, aber es läuft ausgesprochen gut. KTM schickt Teams zu uns nach Varese, die sich gezielt um Themen, wie den Vertrieb kümmern, wir machen große Fortschritte. Vollkommen einverstanden bin ich außerdem mit den Aussagen von Stefan Pierer und Hubert Trunkenpolz, dass MV Agusta weiter in der Top-Liga spielen muss. Denn offen gesagt: Wir wissen gar nicht, wie man billige Motorräder baut."

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Fazit

Nach Interviews von KTM-Boss Stefan Pierer und dem Vorstand von KTM Hubert Trunkenpolz mit starken Aussagen zu MV Agusta, stellt MV-Boss Timur Sardarov einiges klar. Laut widerspricht der Haupteigner von MV nicht, doch klar ist: KTM muss nach zuletzt großen und lauten Worten zu MV liefern.

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023