- Rund 1.000 Euro Material- und Lohnkosten
- Düren in Nordrhein-Westfalen ist Vorreiter
- Kaltreibeplastik mit nachgestreuten Griffigkeitsmitteln
- Rechtskurven sind schwieriger zu entschärfen
Die Markierungen quer zur Fahrbahn sollen Motorradfahrer daran hindern, zu früh einzulenken, dadurch Linkskurven zu schneiden und dann am Scheitelpunkt mit Helm, Oberkörper oder gar dem gesamten Motorrad auf die Gegenfahrbahn zu gelangen. Was besonders in nicht einsehbaren Kurven erhöhte Kollisionsgefahr bedeutet. Dies vereiteln solche kostengünstigen Streifen. Denn die meisten Motorradfahrer haben es verinnerlicht, nicht über solche Markierungen zu fahren, schon gar nicht bei Nässe.
Rund 1.000 Euro Material- und Lohnkosten
Zuerst etabliert wurde das System im Jahr 2016 in Österreich: Sechs Kurven am Großglockner, 14 in der Steiermark und 19 in Tirol wurden zu Testzwecken mit Balken oder Ellipsen markiert. Die Ergebnisse sprachen für sich: Am Tulbingerkogel im Wienerwald verzeichneten die Unfallforscher um Martin Winkelbauer vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (dem Äquivalent zum Deutschen Verkehrssicherheitsrat) direkt nach der Maßnahme keine schweren Unfälle mit Verletzten mehr. "Das alles gab’s für rund 1.000 Euro an Material- und Lohnkosten", freut sich Martin Winkelbauer. Er hatte seinerzeit die Untersuchung der Wirkung solcher "Kringel" erst initiiert und dann geleitet.
In einer weiteren Erhebung sank die Zahl der Crashes in sieben Kurven von 16 auf sieben im Vergleichszeitraum. Im Jahr 2022 wurden die 19 Kurven in Tirol eingehend untersucht. Hier ging mit den Markierungen ab Juni 2019 die Zahl der Stürze und Kollisionen um 80 Prozent zurück! Bei neueren Untersuchungen erwiesen sich Balken in ihrer Wirkung den Kreisen und Ellipsen ("Kringel") als ebenso wirksam. Trotzdem favorisiert Martin Winkelbauer die Kringel: "Sie lassen sich eindeutig identifizieren. Zudem ist der Materialaufwand deutlich geringer – man kann mit der gleichen Menge Folie bis zu fünfmal so viele Kurven entschärfen."
In Luxemburg gab es in den Ardennen viele Motorrad-Unfälle an Wochenenden. Nach drei Jahren Vorbereitung mit Schützenhilfe aus Österreich wurden rund 50 Kurven auf fünf Strecken mit Balken bestückt. Der Clou: Auf dem kurvigen, neun Kilometer langen Abschnitt der N 25 zwischen Wiltz und Kautenbach wurden bereits vorm Aufmalen der Balken (Luxemburg nutzt Farbe) im Juni 2018 drei der 35 Kurven mit Video-Kameras bestückt. So konnte man die Veränderungen der Linienwahl von Motorradfahrern durch die Markierungen direkt vergleichen. Das Ergebnis: Vorher fuhren gleich viele Motorradfahrer komplett im Gegenverkehr, wie auf der korrekten, "grünen" Linie, je zehn Prozent. Danach betrug das Verhältnis nur noch eins zu 29!
Was sich auch zeigte: Die Luxemburger Streifen haben keinen negativen Einfluss ("Impact" sagen die Unfallforscher) auf andere Verkehrsteilnehmer, wie etwa Fahrrad- und Autofahrer oder Wohnmobilisten.
Düren in Nordrhein-Westfalen ist Vorreiter
In einem ersten Modellversuch ist dieses einfache und effiziente System nun in Deutschland angekommen. Den Vorreiter machte am 17. Mai 2023 der Kreis Düren in Nordrhein-Westfalen. Dort geleiten ellipsen-förmige Markierungen auf der L218 Motorradfahrer zwischen Vossenack und Schmidt sicherer durch die Kurven.

Diese "Panoramastraße" war ein Unfallschwerpunkt: 2021/2022 gab es dort 34 Unfälle, bei 28 davon waren Motorradfahrer beteiligt. Das Institut für Straßenwesen der RWTH Aachen begleitet den Versuch wissenschaftlich, etwa per Video- und Wärmebildanalyse der gewählten Positionen und Kurvenlinien. Die Ergebnisse werden nach zwölf Monaten Erprobung als Grundlage für die Entscheidung dienen, ob und in welchem Umfang die (Farb-)Markierungen dauerhaft Eingang in straßenverkehrsrechtliche Vorschriften finden.
Kaltreibeplastik mit nachgestreuten Griffigkeitsmitteln
Als Material für die Markierung dient ein "Kaltreibeplastik mit nachgestreuten Griffigkeitsmitteln." Somit sei eine höhere Griffigkeit als bei Standardmarkierungen, wie etwa bei Richtungspfeilen oder an Zebrastreifen, gewährleistet. Unsere "Spezial-Markierungen" sind also nicht rutschig. Trotzdem sollte man sie rechts umfahren, weit genug vom Mittelstreifen entfernt. So ergibt sich von allein eine sicherere Linie. Es gibt sogar Linkskurven mit zusätzlichen Markierungen rechts außen, um die "Fahrspur" klar anzuzeigen. Zudem lauert am rechten Fahrbahnrand oft Rollsplitt.
Rechtskurven sind schwieriger zu entschärfen
Und Rechtskurven? Lassen sich leider schwieriger entschärfen: "Man muss den Motorradfahrer bereits lange vor der Kurve weit nach links schicken, nah an den Mittelstrich", erklärt Martin Winkelbauer. "Aber bitte nicht darüber." Rechts herum seien eher Hundskurven das Problem, die sich nach hinten hin zuziehen. Da hilft nur konsequentes Fahren auf Sicht.