Sound, Design, Eigenständigkeit: Ihre Fans liegen der Ducati 1098/1198 zu Füßen. Auch als Gebrauchte ist die exklusive Italienerin eine Sünde Wert wenn man ihre Schwachstellen kennt.
Sound, Design, Eigenständigkeit: Ihre Fans liegen der Ducati 1098/1198 zu Füßen. Auch als Gebrauchte ist die exklusive Italienerin eine Sünde Wert wenn man ihre Schwachstellen kennt.
Als Ducati Ende 2006 die 1098/S präsentierte, machten Freunde italienischer Superbikes Freudentänze. Im Gegensatz zur glücklosen Vorgängerin 999 orientierten sich die Formen der Neuen wieder an Tamburinis Stilikone 916. Auch technisch hat die 1098/S einiges zu bieten. Insider sowie ein Dauertest über 50 000 Kilometer unserer Schwesterzeitschrift MOTORRAD attestieren ihr prinzipiell eine hohe Zuverlässigkeit. Als typische Diva leistet sie sich dennoch ein paar Eigenheiten.
1098/S 2007-2008
In die ersten Motoren bauten die Italiener schadhafte Kolben ein. Davon betroffen war auch die Dauertestmaschine. „Ducati wechselte die Kolben bei allen Maschinen“, versichert ein Sprecher und fügt hinzu: „Es handelte sich nur um wenige Motorräder.“ Bei ungewöhnlich vielen Rückrufaktionen beseitigte Bologna weitere Kinderkrankheiten: Da das Motorsteuergerät nicht akkurat programmiert war, starben die Triebwerke im Leerlauf bisweilen ab. Darüber hinaus verhinderten fehlerhafte Spannungsregler der Lichtmaschine das Laden der Batterie. Außerdem verursachten falsch bemaßte Zahnriemen-Spannrollen Schwingungen, wodurch die Rollen vorzeitig verschlissen. Auch am Sekundärtrieb gabs Probleme: Bei manchen Bikes brach das Kettenrad. Eine Übersicht aller Rückrufe inklusive der betroffenen Motor- oder Rahmennummern steht im kleinen Kasten auf dieser Seite.
Parallel zu den Rückrufen betrieb Ducati auch Modellpflege. So verschwand der Servostarter nach kürzester Zeit wieder aus den Rennern. Bei diesem System drückt der Fahrer kurz den Starterknopf, worauf der Motor automatisch so lange orgelt, bis die „Bella“ anspringt. Unabhängig davon verbauen die Italiener seit März 2007 Anlasser mit einer anderen Übersetzung, da das Triebwerk unter manchen Bedingungen (kalte Außentemperaturen, heißer Motor) nicht zuverlässig startete. Als letzte Maßnahme modifizierte Ducati für das Modelljahr 2008 die Lagerung der Kurbelwelle.
Manchmal zeigt das Superbike weitere Auffälligkeiten. Sie treten bei 1098 und 1198 gleichermaßen auf, Tipps gelten also hier wie dort. Die Kupplungs-hydraulik zieht vereinzelt Luft, wodurch die Kupplung nicht sauber trennt. Tritt das Phänomen auf, obwohl das obere und untere Spiel korrekt eingestellt ist, schafft ein Zubehör-Nehmerzylinder Abhilfe. „Das Teil von Ducati Performance für 179 Euro funktioniert super“, weiß Denis Hertrampf von Ducatiplus im niedersächsischen Nordhorn.
Wie in den meisten anderen Ducatis werkeln auch in den Superbikes Trockenkupplungen. Beim Anfahren rupfen und kreischen sie mitunter heftig. „Grundsätzlich sind Trockenkupplungen sehr pflegeintensiv“, sagt Hertrampf und fügt hinzu: „Wir haben mit einem speziellen Strahlverfahren für die Stahlscheiben sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Kupplung verschleißt dadurch deutlich weniger.“ Kupplungskörbe mit 48 statt den serienmäßigen zwölf Zähnen und andere Reibscheiben sind laut Marc Ritt-meier von Ducati Berlin/DSB Performance in-des überflüssig. „Seit Ducati die Reibscheiben aus einer Alu-Legierung herstellt, verschleißen die Serienkörbe nicht mehr so stark. Außerdem rupfen die Originalscheiben weniger als die Sin-ter-metallscheiben vom Zubehörhandel.“
Sehr beliebt bei 1098/1198-Jüngern sind Anti-Hopping-Kupplungen. Die von uns befragten Spezialisten empfehlen teils unterschiedliche Fabrikate, einzig zur Kupplung von Ducati Performance (1116 Euro) raten alle. Für sämtliche Anti-Hopping-Kupplungen gilt: Sie sind noch wartungsintensiver als das Originalteil.
Obwohl die 1098/1198 nicht grundsätzlich anfällig für Elektrik-Fipse ist, verabreicht Matthias Müller von Ducati Aachen einigen Komponenten eine besondere Kur: „Hinter der linken Seitenverkleidung liegt ein Großteil der Elektrik. Ich löse die Steckverbindungen, reinige die Pole und tauche sie in leitendes, säurefreies Spezialfett.“ Leuchtet die Öldrucklampe im Cockpit, kann das an einem defekten Sensor liegen. Vibrationen killen das Teil wegen seiner ungünstigen Position. Ducati bietet ein Nachrüst-Kit mit geschraubten Ölleitungen an, in denen der Drucksensor bestens geschützt untergebracht ist. Immer wieder bemängeln Ducatisti den ruppigen Motorlauf unter 3000/min. Das liegt außer an der relativ geringen Schwungmasse des Motors auch an der strengen Euro-3-Norm. Eine andere Programmierung (Mapping) der Motorsteuerung minimiert das Phänomen, ist aber auf öffentlichen Straßen illegal. Anders verhält es sich auf der Renne. Dort sind solche Eingriffe erlaubt; und im Verbund mit zusätzlichen, überschaubaren Modifikationen steigern sie die Performance des V2 weiter. Mit einem sauber übers Mapping aufeinander abgestimmten Paket aus Zubehörauspuff, Sportluftfilter und gegebenenfalls anderen Ansaugtrichtern bekommt man einen astreinen und schlagkräftigen Spaßbringer. Wichtig: Am Motor oder dessen Peripherie nie etwas ändern, ohne die Motorsteuerung darauf abzustimmen!
Serienmäßig ist das Fahrwerk der Superbikes nicht perfekt ausbalanciert: vorne zu weich, hinten zu hart. Das gilt auch für die S-Versionen. Interessenten sollten daher beim Kauf fragen, ob die Federelemente überarbeitet wurden. Je nach Aufwand kostet der Umbau von Front und Heck zwischen 400 bis 1500 Euro. Minimalversion: Passende Federn in Gabel und Federbein einbauen und die Dämpfung anpassen.
1198/s 2009-2010
Für 2009 renovierte Bologna das Superbike, die 1198/S war geboren. Sie unterscheidet sich von der 1098 vor allem durch ihren stärkeren und 99 Kubikzentimeter größeren Motor. Auch die 1198/S musste zwei Rückrufe über sich ergehen lassen. Grund: Leckagen an der Benzinzufuhr zur Einspritzanlage sowie Rissbildung des rechten Gabelholms (nur S-Version). Bis auf die bereits angesprochenen Eigenheiten, die sie mit der 1098 teilt, gibt sich die 1198/S keine Blöße. Dennoch mahnen die Experten zur Vorsicht: „Das Wichtigste beim Gebrauchtkauf ist ein lückenloses Scheckheft. Nur das gewährleistet, dass die Rückrufe durchgeführt und sämtliche Verbesserungen aus den Händlerrundschreiben beachtet wurden.“ Wie bei allen Gebrauchten sollte man darüber hinaus auf jene Stellen achten, die bei einem Sturz in Mitleidenschaft gezogen werden: Lenkanschlag, Lenkergewichte, Fußrasten, Achsverschraubung, Verkleidungsteile. Wer mit den Schwächen der Diva umzugehen weiß, darf sich also ruhig mit ihr versündigen - garantiert ohne Reue!
Antrieb
Zweizylinder-90-Grad-V-Motor, vier Ventile/Zylinder, 113 kW (154 PS) bei 9750/min*, 125 Nm bei 8000/min*, 1099 cm³, Bohrung/Hub: 104,0/64,7 mm, Verdichtungsverhältnis: 12,5:1, Zünd-/Einspritzanlage, 60-mm-Drosselklappen, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Trockenkupplung, Sechsganggetriebe, G-Kat
Fahrwerk
Stahl-Gitterrohrrahmen, Lenkkopf-winkel: 65,5 Grad, Nachlauf: 104 mm, Radstand: 1430 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm, einstellbar in Fe-der-basis, Zug- und Druckstufe, Lenkungsdämpfer. Schubstange, Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druck-stufe. Federweg vorn/hinten: 127/127 mm
Räder und Bremsen
Leichtmetall-Gussräder [Leichtmetall-Schmiederäder] 3.50 x 17“/6.00 x 17“, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 190/55 ZR 17, Erstbereifung: Pirelli Dragon Supercorsa Pro, [Pirelli Supercorsa Pro], 330-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 245-mm-Einzelscheibe mit Zweikolben-Festsattel hinten
Maße und Gewicht
Länge/Breite/Höhe: 2050/760/1100 mm, Sitz-/Lenkerhöhe: 815/855 mm, Lenkerbreite: 680 mm, 201 [196] kg vollgetankt, v./h.: 49,3/50,7 [50,1/49,9]%
Hinterradleistung im letzten Gang
107,5 kW (146 PS) bei 274 km/h
Sturz- und Verschleißteile
Bremshebel: 81,27 Euro
Kupplungshebel: 81,27 Euro
Lenkerstummel inkl. Gewicht: 100,02 Euro
Auspuffendtopf (eine Seite): ab 1039,76 Euro
Fußrastenanlage (eine Seite): 116,43 Euro
Bremsscheibe vorn (eine Seite): 299,80 Euro
Bremsbeläge (je Sattel): 116,01 Euro
Frontverkleidung komplett: 2002,15 Euro
Heckverkleidung komplett: 512,29 Euro
Verkaufte Einheiten
1806 Stück**
Gebrauchtpreise
1098 Baujahr 2007
Mittlere Laufleistung: 14 200 Kilometer
Durchschnittspreis: 11 500 Euro
1098/S Baujahr 2007
Mittlere Laufleistung: 9100 Kilometer
Durchschnittspreis: 14 300 Euro
1098 Baujahr 2008
Mittlere Laufleistung: 9800 Kilometer
Durchschnittspreis: 11 800 Euro
1098/S Baujahr 2008
Mittlere Laufleistung: 8000 Kilometer
Durchschnittspreis: 14 000 Euro
Rückrufe
Zahnriemen-Spannrollen
1098/S. Betroffene Motornummern: ZDM1098W4*000012* bis ZDM1098W4*000879*
Spannungsregler
1098/S. Betroffene Rahmennummern: ZDMH700AA6B000006 bis ZDMH700AA8B020465 und ZDMH702AB7B010185 bis ZDMH702AB8B020314
Kettenrad
1098/S. Betroffene Rahmennummern: ZDMH700AA7B000006 bis ZDMH700AA7B014345
Steuergerät
(ECU) bzw. dessen Programmierung: 1098/S. Betroffene Rahmennummern: ZDMH700AA6B000007 bis ZDMH700AA7B004659
Kraftstoffzufuhr zur Einspritzanlage
1198/S. Betroffene Rahmennummern: ZDMH705AA8B021336 bis ZDMH704AA9B024977 und ZDMH702AB8B021458 bis ZDMH702AB9B024905
Öhlins-Vorderradgabelholm rechts
1198/S. Betroffene Rahmennummern: ZDMH704AA8B020786 bis ZDMH704AA9B025026 und ZDMH702AB8B021458 bis ZDMH702AB9B024905
Unterschiede 1098/S zu 1198/S
Motor
120 kW (163 PS) bei 9750/min, 131 Nm bei 8 000/min, 1198 cm3, Bohrung/Hub: 106,0 x 67,9 mm, Verdichtungsverhältnis: 12,7:1, 64-mm-Drosselklappen, Motorgehäuse leichter, leichteres Schwungrad, stärkere Getriebezahn-räder, dritter bis sechster Gang länger übersetzt
Fahrwerk
Räder mit anderem Design
Sonstiges
Oberer Verkleidungshalter und Frontscheinwerfer leichter, 1198 insgesamt drei Kilogramm leichter, geändertes Cockpit, längere Spiegelausleger
Markt
Verkaufte Einheiten 588 Stück*
Gebrauchtpreise
1198 Baujahr 2009
Mittlere Laufleistung: 5500 Kilometer
Durchschnittspreis: 14 100 Euro
1198/S Baujahr 2009
Mittlere Laufleistung: 4700 Kilometer
Durchschnittspreis: 16 900 Euro
1198 Baujahr 2010
Mittlere Laufleistung: 4200 Kilometer
Durchschnittspreis: 15 200 Euro
1198/S Baujahr 2010
Mittlere Laufleistung: 2900 Kilometer
Durchschnittspreis: 18 600 Euro
Aufgefallen
Positiv:
Der aufgeblasene Motor geht deutlich kerniger zur Sache als jener der 1098, besser ablesbares Display, etwas bessere Sicht in den Spiegeln. Sonst gelten bei der 1198 die gleichen Vorzüge wie bei ihrer Vorgängerin.
Negativ:
Ducati stimmte die Federelemente nicht neu ab - leider, weiterhin schwergängige Kupplung, auf der Rennstrecke noch immer sehr speziell zu fahren.