Klar, jedes Gebrauchtmotorrad hat seine eigene Geschichte. Doch diesmal staunte Service-Redakteur Uli Holzwarth nicht schlecht über die Vergangenheit einer Honda CB 450 S.
Klar, jedes Gebrauchtmotorrad hat seine eigene Geschichte. Doch diesmal staunte Service-Redakteur Uli Holzwarth nicht schlecht über die Vergangenheit einer Honda CB 450 S.
Erstzulassung 1990, 14000 Kilometer, Verhandlungsbasis 1000 Euro der knapp formulierte Text einer im regionalen Anzeigenblatt inserierten Honda CB 450 S klingt viel versprechend. Am Telefon erfahre ich vom Inserenten, dass es sich bei der Honda um eines der in Deutschland relativ seltenen Exemplare mit der ungedrosselten Leistung von
44 PS handelt. Der Anbieter, offenkundig nicht mehr der jugendlichen Heizerfraktion angehörend, betont im Gespäch mehrfach den gepflegten, unfallfreien
Zustand der Maschine, obwohl er bereits der vierte Eigner sei. Daraufhin verabreden wir uns zum Besichtigungstermin am folgenden Tag. Dazu kommt es jedoch nicht. Bei einem zweiten Telefonat korrigiert der Besitzer mit großem Bedauern seine Angaben. Demnach habe die CB einen Ersatzbrief sowie weitere sechs Vorbesitzer. Ein Motorrad aus zehnter Hand mit lediglich 14000 Kilometern auf der Uhr, für die es keinerlei Nachweise wie Serviceheft oder TÜV-Bescheinigungen gibt? Das klingt doch sehr unglaubwürdig. Für mich jedenfalls ist das Thema damit abgehakt.
Drei Wochen später. Ein anderes interessantes Angebot einer Honda CB 450 S ist immer noch nicht in Sicht. Na ja, vielleicht ist jene mit den zehn Vorbesitzern doch nicht so übel, wie befürchtet. Außerdem sind es ja nur 60 Kilometer bis zu deren Standort. Ich gebe mir einen Ruck und starte einen zweiten Anlauf. Die Honda ist glücklicherweise noch zu haben. Und wieder bekräftigt der Besitzer den Top-Zustand seiner Maschine. Beim Ortstermin tags darauf stellt sich heraus, dass dies keine Übertreibung war. Das Bike trägt zwar noch das Schmutz-Kleid von der letzten Regenfahrt, aber trotz
intensiver Suche sind weder Rost noch Kratzer, Beulen oder gar Sturzspuren zu entdecken. Preismindernd kann ich deshalb nur einen kleinen Riss im Lampengehäuse, ausgehärtete Reifen sowie die unklare Vergangenheit des Bikes an-
führen. Auch die Probefahrt verläuft sehr
zufrieden stellend, nachdem ich den Luftdruck beider Reifen von 0,8 bar auf die vorgeschriebenen Werte erhöht habe. Der Motor läuft mechanisch leise und zieht sauber und lochfrei über das gesamte Drehzahlband. Einziges Manko ist die nicht exakt einrückende Kupplung.
Der Besitzer, der sich wegen einer
bereits angeschafften Kawasaki VN 1500 von der Honda trennen will, zeigt sich ob der angesprochenen Kritikpunkte sowie der nicht nachvollziehbaren Vorgeschichte verhandlungsbereit. Nach kurzer Diskussion einigen wir uns auf 550 Euro, weil der Verkäufer einsieht, »dass das Motorrad vom Rumstehen auch nicht besser wird«. Ein überaus reizvoller Preis, dem man als bekennender Jäger und Sammler bei einem solch gut erhaltenen Bike wie dieser CB 450 S eigentlich nicht widerstehen kann. Ich überlege also nicht lange und kaufe die Honda. Gut, dass
ich es noch einmal versucht habe, denke ich mir, als die CB sorgfältig verzurrt im Transporter steht.
Auf dem Weg nach Hause weicht
die Anspannung der Preisverhandlungen
allmählich dem wohligen Gefühl der
Zufriedenheit. Eine mehr als drei Jahre zurückliegende Episode kommt mir plötzlich wieder in den Sinn. Damals hatte
ich ebenfalls eine CB 450 S besichtigt, die rückblickend erstaunliche Parallelen zu meiner Neuanschaffung aufweist. Jene hatte neben dem identischen Lackkleid ebenfalls außergewöhnlich viele
Besitzerwechsel, obwohl sie noch keine 11000 Kilometer gelaufen war. Ich erinnere mich, wie verblüfft ich war, als der damalige Besitzer anhand der Unterlagen nachweisen konnte, dass es sich um
eine ehemalige Testmaschine für einen
MOTORRAD-Werkstatt-Test handelte, auf dessen Konto mindestens sechs Haltereintragungen gingen. Wie elektrisiert steuere ich bei diesem Gedanken den nächsten Parkplatz an und lese mir den Ersatz-Fahrzeugbrief noch einmal genau durch. Letzter bekannter Halter, so ist darin etwas versteckt vermerkt, war ein Biker aus Kornwestheim und genau dort hatte ich die CB damals besichtigt. Sollte »meine« Honda am Ende gar un-
sere ehemalige Testmaschine sein? Ein
Anruf beim damals zuständigen Kollegen bringt schließlich Klarheit: Die Fahrgestellnummern sind tatsächlich identisch, meine Neue ist in Wirklichkeit also eine alte Bekannte!
ModellgeschichteEs gibt vermutlich nur wenige Motorradfahrer, die Anfang der 80er Jahre ihren Führerschein nicht auf einer Honda CB 400 N absolvierten. Die ab 1978 in Deutschland ausschließlich mit 27 PS verkaufte CB 400 (eine relativ teure Umrüstung auf 43 PS war jedoch möglich) verkörpert bis heute den Begriff des anspruchslosen und zuverlässigen Brot-und-Butter-Motorrads wie kaum ein anderes. Das unproblematische Fahrverhalten, die robuste und wartungsfreundliche Technik, das gelungene Styling sowie der günstige Preis machten die bis 1984 angebotene 400er nicht nur zur ersten Wahl vieler Führerscheinanfänger, sondern auch zum Bestseller im Honda-Programm. Weniger Erfolg war hin-gegen dem in Brasilien hergestellten Nachfolger, der CB 450 N, beschieden. Im Vergleich zur 400er wirkte die 1985 eingeführte 450er sehr brav und bieder, was in Zeiten des ungezügelten Sportgeists in der Motorradszene, angeheizt von den neuen Supersportmodellen à la Suzuki GSX-R 750, nur zu bescheidenen Verkaufszahlen führte. Technisch hingegen war die CB 450 N über alle Zweifel erhaben und manifestierte den Ruf überdurchschnittlicher Robustheit. Honda reagierte rasch auf den schleppenden Absatz der 450er und brachte schon im folgenden Jahr die gründlich überarbeitete, wieder in Japan produzierte CB 450 S. Abgesehen vom Triebwerk, das mit jenem der 450 N identisch war, handelte es sich bei der S-Version praktisch um ein völlig neues Modell, das erstmals sowohl mit 27 PS als auch mit der ungedrosselten Leistung von 44 PS bestellt werden konnte. Mit ihrem steifen Gitterrohrrahmen, dem sportlichen Design, den hübschen Instrumenten sowie bissigen Bremsen fand die bis 1990 zumeist in der einsteigergerechten 27-PS-Version verkaufte 450er-Honda wieder auf die Erfolgsspur zurück nicht nur bei den Fahrschulen.MarktsituationVon den insgesamt 27000 verkauf-ten Einheiten der Modelle CB 400 N und CB 450 N haben bis jetzt laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) immer-hin 10000 Stück der CB 400 N (einschließlich CB 400 T und Honda-ma-tic-Variante) überlebt, von der CB 450 N existieren noch ungefähr 1900 Exemplare. Angesichts des bald 20 Jahre zurückliegenden Produktionsstopps der 400er gibt es für diese Bikes natürlich keine Orientierungshilfen wie die Schwacke-Liste. Preislich bewegen sich gebrauchte CB 400 N zumeist unter 1000 Euro, wobei verrottete Bastelkisten schon mal für ein paar Euro als Teileträger weggehen. Selbst gepflegte Exemplare mit wenig Vorbesitzern und Laufleistungen bis 30000 Kilometern kommen selten teurer als 800 Euro. Deutlich gefragter und dementsprechend höher gehandelt wird hingegen die CB 450 S, insbesondere in der ungedrosselten Variante mit 44 PS (Bestand zirka 1200 Stück). Diese wechselt im Topzustand für bis zu 1500 Euro den Besitzer, nicht zuletzt aufgrund der relativ einfachen und preisgünstigen Möglichkeit zur nachträglichen Leistungsreduzierung auf die für Führerscheinneulinge erforderlichen 34 PS. Demgegenüber lohnt die Entdrosselung einer CB 450 S mit 27 PS (Bestand etwa 4200 Stück) wegen der unverhältnismäßig hohen Kosten (Austausch der Nockenwelle) nicht, was die Attraktivität der Drosselversion schmälert und sich in einem etwas niedrigeren Preisniveau äußert. Wer nach einem dieser Honda-Zwei-zylinder Ausschau hält, kann sich übrigens den Weg zum Händler in der Regel sparen, weil diese wegen der Gewährleistungspflicht nur sehr selten mit gebrauchten Motorrädern ohne Liebhaberwert handeln, die älter als acht bis zehn Jahre sind.BesichtigungDie Honda-Modellreihe mit dem charakteristischen Paralleltwin gilt grundsätzlich als robust und zuverlässig. Es gibt jedoch speziell bei der CB 400 N einige Stellen, auf die Gebrauchtkäufer achten sollten. Der erste Blick gilt den Comstar-Verbundrädern aller Baujahre. Zunächst werden sämtliche Speichen abgeklopft. Dabei darf kein Klappern zu hören sein, denn dies ist ein Indiz für lose Nieten. Honda schreibt bei einem solchen Schaden den Austausch der Felge vor. Ein weiterer Schwachpunkt ist die Befestigung des Kettenrads an der Hinterradnabe bis zur Modellpflege 1983. Bis dahin wurde das Kettenrad nur mit einem unter einer Gummikappe sitzenden Sicherungsring fixiert. Das funktioniert jedoch nur so lange, wie das Kettenrad satt mit seiner Führungsbuchse auf der Nabe sitzt. Bei Kettenkits aus dem Zubehör ist dies oft nicht der Fall. Hat das Kettenrad Spiel, weitet sich mit der Zeit der Sitz auf dann muss die Felge ausgewechselt werden. Zeigt sich also metallischer Abrieb auf Nabe und Kettenrad, sollte man diesen Bereich akribisch begutachten. Ölaustritt an den Dichtflächen von Zylinderkopf und -fuß betrifft vorwiegend Exemplare bis 1981, deren Ölführung zum Zylinderkopf noch entlang der Stehbolzen erfolgt. Nach Einführung der außen-liegenden Ölsteigleitungen im Jahr 1982 waren Dichtigkeitsprobleme aus der Welt. Weiterhin bereitet Rost noch einigen Ärger. Vor allem der Vorschalldämpfer rostet bei den 400er-Modellen häufig durch. Davor ist zwar auch die CB 450 N nicht gefeit, ansonsten aber zeigen die 450er-Honda dank der zuvor erfolgten permanenten Modellpflege keine typischen Schwächen mehr. Weil die CB 450 S darüber hinaus mit einer ausgesprochen gediegenen Verarbeitung glänzt, gehört sie zu den empfehlenswertesten Gebraucht-Offerten im unteren Preissegment.OptimierungBei Gebrauchtmotorrädern mit einem niedrigen Einstandspreis verbieten sich teure Umbauten von selbst. Ein moderner Reifen wie beispielsweise der bekannt gut funktionierende Bridgestone BT 45 sowie progressive Gabelfedern und falls notwendig höherwertige Federbeine aus dem Zubehör reichen aus, um den Honda-Twins gehörig auf die Sprünge zu helfen. Wer eine offene CB wegen des Stufenführerscheins auf 34 PS reduzieren muss, erhält bei Alpha Technik, Telefon 08036/300720, Drosselkits zum Preis von 99 Euro.Tests in MOTORRAD*CB 400 N: 20/1978 (T); 7/1978 (VT); 8/1978 (VT); 25/1980 (LT); 4/1981 (T mit 43 PS); 12/1982 (VT mit 43 PS); 13/1982 (VT mit 43 PS)CB 450 N: 16/1985 (VT); 17/1985 (VT); 25/1986 (LT)CB 450 S: 10/1986 (T); 17/1986 (T mit 44 PS); 9/1989 (VT mit 44 PS)
1978Markteinführung der Honda CB 400 N in Deutschland mit 27 PS zum Preis von 4618 Mark; Auslandsversion mit 43 PS1981Comstar-Felgen mit umgedrehten, goldfarbenen Speichen und Schlauchlosreifen; O-Ring-Kette; niedrigere Sitzbank; höherer Lenker; Heckbürzel mit Spoiler; Entfall des Kickstarters1982Außenliegende Ölsteigleitungen; Scheibenbremsen vorn mit neuen Doppelkolben-Schwimmsätteln; geänderte Gabelbrücken mit Zentralschloss; lackierter Kunststoff-Kotflügel vorn1983Neue Comstar-Felgen; Kettenrad verschraubt1985Ablösung durch die CB 450 N. Die Änderungen: neues Motorgehäuse mit geänderter Form der Zylinder, Ölkühler, Tankinhalt von 14 auf 17 Liter erhöht, komplett neues Design, Gussfelgen, Doppelscheibenbremse mit Einkolben-Schwimmsätteln, Maximalleistung im Ausland nunmehr 44 PS1986Die CB 450 S wird für 5888 Mark zusätzlich ins Programm genommen. Fahrwerk, Bremsen und Design sind komplett neu, während das Triebwerk mit der N-Variante identisch ist. Leistung wahlweise 27 oder 44 PS1987Letztes Verkaufsjahr der CB 450 N in Deutschland1990Wegen strengerer Geräusch- und Abgasgrenzwerte läuft die CB 450 S Ende des Jahres aus
MotorLuftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, 360 Grad Hubzapfenversatz, eine obenliegende, kettengetriebene Nockenwelle, drei über Kipphebel betätigte Ventile pro Zylinder, zwei kettengetriebene Ausgleichswellen, Nasssumpfschmierung, zwei Keihin-Gleichdruckvergaser, Ø 32 mm, kontaktlose Transistorzündung, keine Abgasreinigung, E-Starter, Drehstromlichtmaschine 174 Watt, Batterie 12 V/12 Ah.Bohrung x Hub 75 x 50,6 mm Hubraum 447 cm3Verdichtungsverhältnis 9,3:1Nennleistung 32 kW (44 PS) bei 9000/minMax. Drehmoment 38 Nm (3,9 kpm) bei 7000/minKraftübertragungPrimärantrieb über geradverzahnte Stirnräder, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette.FahrwerkGitterrohrrahmen aus Stahl, Telegabel, Standrohrdurchmesser 35 mm, Zweiarmschwinge aus Vierkant-Stahlprofilen, zwei Federbeine mit verstellba-rer Federbasis, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 256 mm, Doppelkolben-Schwimmsättel, Trommelbremse hinten, Ø 140 mm, Reifengröße vorn 100/90 S 18, hinten 110/90 S 18.Maße und GewichteRadstand 1405 mm, Lenkkopfwinkel 63 Grad, Nachlauf 107 mm, Federweg v/h 140/100 mm, Sitzhöhe 795 mm, Tankinhalt 17 Liter, Gewicht vollgetankt 185 kg, zulässiges Gesamtgewicht 380 kg.Messwerte (MOTORRAD 9/1989)Höchstgeschwindigkeit solo (mit Sozius) 171 (152) km/hBeschleunigung solo (mit Sozius) 0100 km/h 6,5 (8,0) sekDurchzug solo (mit Sozius)* 60120 km/h 16,5 (16,4)* sekVerbrauch 6,4 l/100 km, Normalbenzin* im fünften Gang
Mehr Pflege braucht sie nicht«, meint der Besitzer, während er mit einem Handfeger die Spinnweben an seiner in der Garage geparkten Honda CB 400 N entfernt. Das Resultat des Fürsorge-Entzugs offenbart sich bei Tageslicht allzu deutlich: Auf der rechten Seite zieren hässliche Spuren ausgelaufener Batteriesäure Rahmen, Rastenausleger und Schalldämpfer. Der Tank ist zwar ohne Beulen, sieht aber aus, als hätte eine Katze ihre Krallen daran geschärft. Außerdem präsentiert sich die gesamte Auspuffanlage mit starkem Rostbefall bis hin zum Lochfraß an beiden Schalldämpfern. Weiterhin entdecken wir einen undichten Handbremszylinder, den fehlenden Rückstellknopf am Tacho sowie ein Ket-tenrad mit deutlichem Spiel auf der Nabe. Die Frage nach der letzten Inspektion, die der lautstark klappernde Motor zwangsläufig aufwirft, beantwortet der Besitzer mit einem ratlosen Schulterzucken. Schade, aufgrund der langen Haltedauer von 14 Jahren sowie der geringen Laufleistung von knapp 25000 Kilometern war bei dieser CB 400 N aus dritter Hand eigentlich mehr zu erwarten. Demzufolge können wir die Erwartungshaltung des Verkäufers ebenfalls nicht erfüllen, der trotz der zum Teil gravierenden Mängel auf einem Preislimit von stolzen 400 Euro beharrt.