Harleys jüngster Big Twin, immerhin schon 13 Jahren alt, strahlt in stetem Glanz. Schnäppchenjäger strahlen bei den Preisen auch für betagte Evolution-Modelle weniger.
Harleys jüngster Big Twin, immerhin schon 13 Jahren alt, strahlt in stetem Glanz. Schnäppchenjäger strahlen bei den Preisen auch für betagte Evolution-Modelle weniger.
Das Tollste an der alten Lady dürfte ihr Image sein«, muß auch die viel jüngere Konkurrenz neidlos das Phänomen der Popularität anerkennen. Die alte Dame, rüstiger denn je, heißt Harley-Davidson, marschiert unverdrossen ins 94. Lebensjahr und ist die einzige bedeutende Motorradschmiede in den USA. Auch ihre beharrlichsten Kritiker kommen nicht umhin , unisono zuzugeben, daß es die Harley-Company in Milwaukee immer verstanden hat, mit wenig Veränderungen rund um nur einen Motor eine für viele Biker begehrenswerte Alternative auf die zwei Räder zu stellen. Der große Evolution-Motor mit 1340 cm3 befeuert seit Ende 1983 drei Modellreihen, Die FLH-Reihe, die mit dert Electra Glide als riesigem, verkleideten Tourer-Flaggschiff. Die weniger ausladende FXR-Reihe, mit der Low Rider und der Super - sowie Sport Glide für den tourensportlichen Einsatz zuständig. Und die FXST-Reihe, deren Softail mit dem Starrrahmen-Design als populärste Spielart gilt, einen fabrikneuen Oldtimer zu fahren.Alls Nachfolger des Shovelhead-Motors sind am Evolution-Triebwerk auch die Zylinder aus Leichtmetall statt wie vorher aus Grauguß. Der Evo-Motor erhielt auch wegen strengerer Abgasbestimmungen und weniger klopffester Kraftstoffe eine geänderte Brennraumform. Obendrein rückten die über wartungsfreiefreie Hydrostößel bewegten Ventile enger zusammen und die elektronische Zündanlage regelt die Frühzündung variabel in zwei Stufen. Zusammen mit diversen anderen Änderungen ist der Evolution-Motor stabiler, in der Verbrennung ökonomischer und leichter als der Vorgänger. Die mächtige Kurbelwelle trägt, um jeglichen Zylinderversatz zu vermeiden, auf dem einzelnen Hubzapfen ein Gabelpleuel. Im ersten Produktionsjahr 1984 waren die konischen Enden des Zapfens lediglich mit den Kurbelwangen verschraubt. Prompt blieb die Low Glide im Langstreckentest (MOTORRAD 9/1985) mit einem Kurbelwellenschaden in Italien stehen. Ab Baujahr 1985 bestehen Stumpf und Wange aus einem Stück.Die ersten beiden Modelle mit dem neuen Motor, die Softail FXST und die Sport Glide FXRT, hatten für das Baujahr 1984 noch eine Trockenkupplung, die dann im nächsten Jahr von einem in Öl laufenden Aggregat mit Tellerfeder ersetzt wurde. Effekt: leichteres Kuppeln und exakteres Schalten. Ab 1985 hatten alle Bigblock-Modelle fümf Gänge statt der bisherigen vier und einen Zahnriemen als Sekundärantrieb - beides bereits Vorgriffe auf strengere Geräuschvorschriften. Obendrein hält ein Zahnriemen mindestens dreimal so lange wie ein konventioneller Kettensatz. Ab 1990 erhielten alle Motoren in den über 30 verschiedenen Modellen außerdem für noch besseres Ansprechverhalten statt des Drosselklappen-Vergasers eine Keihin-Gleichdruck-Gasfabrik.Mit vielen kleinen Änderungen, deren vollständige Aufzählung hier den Rahmen sprengen würden, bietet Harley bei der Touring-Familie heute die Modelle Road King, Electra Glide Standard, Classic und Ultra Classic, wobei außer der Standard alle Modelle ab 1996 als Vergaser- und Einspritz-Version angeboten werden.Mit der Vorstellung der Sturgis 1991 begann bei Harley für die bisherige FXR-Reihe, also die Modelle Wide, Super - und Sport Glide sowie die Low Rider eine neue Ära. Erstmals verwendete die Firma eine computererrechnete Konstruktion von Rahmen und Aufhängung, platzsparend und mit weniger Bauteilen als beim alten FXR-Rahmen. Er weist ein kräftiges, kastenförmiges Rückgratprofil auf und findet heute unter dem Kürzel FXD bei der Super und Wide Glide, der Dyna Glide Convertible und der Dyna Glide Low Rider Verwendung. Die Dyna Glide Modelle sind leicht zu erkennen an dem fehlenden häßlichen Interferrenzrohr zwischen den beiden Krümmern, das jetzt versteckt unauffällig am unteren Rahmenrohr verläuft.Bei der dritten Modellinie mit Bigblock-Motor handelt es sich um die Softail. Die neue FXST kokettierte ab 1984 mit der guten alten starren Hinterradführung ohne Federung. Harley hatte kurzentschlossen die Erfindung eines freiberuflichen Ingenieurs übernommen, der eine Dreiecksschwinge entworfen hatte, die wie eine starre Rahmenkonstrúktion aussieht. Unter dem an den Motor angeflanschten Getriebe verstecken sich innerhalb der Rahmenrohre zwei lange Gasdruck-Stoßdämpfer. Softail Custom, Springer, Heritage Classic , Fat und Bad Boy sind in Deutschland die beliebtesten Modelle innerhalb der kompletten Harley-Familie.Das Evolution Triebwerk ist - gemessen an seinem Vorgänger- zuverlässig geworden. Dennoch wird häufig immer noch ein mangelndes Zusammenspiel zwischen Regler und Drehstromlichtmaschine moniert. Trotz verschiedner Änderungen rüttelt sich die vertrackte Verbindung auf Dauer manchmal los, was auch die Lebensdauer der Batterie beeinträchtigt. Deutliche Kritik wird auch immer wieder an der Bremsleistung der FLH und FXR-Modelle laut, der die US-Firma trotz vornehmlich europäischer Klagen nie wirkliche Aufmerksamkeit schenkte.Seit ab 1990 hierzulande für die ABE auch Abgasgutachten unerläßlich wurden, mußten Ansaug- und Abgaswege Restriktionen über sich ergehen lassen. Konsequenz; Die Deutschlandversionen büßten bis einschließlich 1994 bis zu 20 PS gegenüber dem US-Original ein. In der Konsequenz erwies sich für diese Leistung der fünfte Gang viel zu lang. Mit der Folge, daß die Höchstgeschwindigkeit mit Sozius auf Führerschein A1-Niveau sank. Auch darum hat sich Harley nur sehr zögerlich gekümmert, mit dem Ergebnis, daß viele Evolution-Treiber in Nachahmung des US-Originals ihrem Motor wieder unüberhlörbar Luft verschaffen. Auf dem Gebrauchtmarkt stellt sich trotz einer verkauften Stückzahl von insgesamt 17 000 Big Twins und nocheinmal einer Dunkelziffer direkt aus USA importierter Teile die Lage für Gebrauchtkäufer preislich immer noch unbefriedigend dar. Trotz der sensationellen Preissenkung von Harley zum September 1996 - bei einzelnen Modellen um fast 2000 Mark - wird gelten: Selbst für zehn Jahre alte Modelle läuft unter 17 bis 18 000 Mark kaum etwas, auch nicht bei dem Einstiegsmodell Super Glide. Neuere Dyna Glides ab ‘93 dürften sich so um 25 000 Mark einpendeln, die Electras eher noch höher.