Ab September 2021 können die Briten E10 tanken. Um Aufklärung und Werbung für den Kraftstoff mit Bioethanol zu betreiben, startete nun eine groß angelegte E10-Kampagne.
Ab September 2021 können die Briten E10 tanken. Um Aufklärung und Werbung für den Kraftstoff mit Bioethanol zu betreiben, startete nun eine groß angelegte E10-Kampagne.
Die Briten bekommen E10. Wie bitte, hatten die das bisher nicht? Richtig. In Deutschland wurde E10 ab 2011 schrittweise eingeführt, zehn Jahre später trauen sich die Briten. Hintergrund ist eine Reihe von Maßnahmen, die die britische Regierung beschloss, um die Emissionen im Straßenverkehr zu senken. Die Einführung von E10 soll dazu beitragen, die Kohlenstoffemissionen zu reduzieren – spätestens im Jahr 2050 möchte Großbritannien in dieser Bilanz eine Null stehen haben.
Die E10-Kampagne soll sicherstellen, dass Fahrerinnen und Fahrer wissen, welcher Kraftstoff für ihr Fahrzeug zugelassen ist, und dass der aus Zucker gewonnene Alkohol nicht in die falschen Tanks gelangt. Schätzungsweise 750.000 Motorräder könnten davon betroffen sein, hauptsächlich ältere Modelle, wie die britischen Motorradjournalisten von visordown.com mutmaßen.
Bei älteren Fahrzeugen kann sich Ehanol schädlich auf wichtige Komponenten des Motorrads auswirken, wie beispielsweise auf Schläuche und Dichtungen. Seit Beginn der 2000er-Jahre werden überwiegend Fahrzeuge produziert, die mit Kraftstoffen wie E10 betrieben werden können. Doch auch hier sind die Auswirkungen des Kraftstoffs mit bis zu 10 Prozent Bioethanol nicht unbedingt gleich null. Vor allem die Aktivkohlefilter können durch die Dämpfe des E10-Sprits auf Dauer Schaden nehmen – wir berichteten über die umfangreichen Tests des Fraunhofer Institut UMSICHT zeigen (Institut für Umwelt, Sicherheits- und Energietechnik).
In Sachen Mehrverbrauch geht man von 1,5 bis 3 Prozent gegenüber dem E5-Kraftstoff aus. Dies hat ein MOTORRAD-Test im Jahr 2011 auf 30.000 Kilometern bedingt bestätigt: Knapp ein Prozent, etwa 0,06 Liter auf 100 Kilometer, verbrauchte die mit E10 getankte MOTORRAD-Flotte mehr.
Umweltschützer kritisieren den E10-Kraftstoff und deklarieren ihn teilweise sogar als umweltschädlich. Weil für die weltweite Nutzung von Bioethanol große Mengen an Weizen, Zuckerrüben und Mais angebaut werden müssen, fände eine Umnutzung statt, so Greenpeace: "Alte Flächen werden für Agrospritpflanzen genutzt, um den zusätzlichen Bedarf an Pflanzenöl und Ethanol für europäische Autotanks zu decken. Für andere Nutzungsarten – zum Beispiel Palmöl für die Kosmetikindustrie – werden neue Flächen gerodet oder abgefackelt. So wird Klimaschutz zur Farce. Denn Urwälder sind natürliche CO2-Speicher. Sie abzuholzen oder gar brandzuroden, erhöht den weltweiten CO2-Ausstoß sogar noch." (https://www.greenpeace.de/themen/landwirtschaft/biosprit/biosprit-ist-umweltpolitischer-unfug)
Außerdem kann der Biosprit die Getreidepreise weltweit in die Höhe treiben. 2012 plädierte deshalb der damalige Bundesminister für Entwicklungshilfe Dirk Niebel als erstes Mitglied der Bundesregierung für eine Abschaffung von E10.
Der Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe) betont den Nachhaltigkeitsanspruch von Bioethanol und geht dabei auch auf die viel diskutierte indirekte Landnutzungsänderung ein, auf die sich die Umweltschützer von Greenpeace im vorangegangenen Zitat beziehen:
"Die EU-Kommission hat festgestellt, dass das Risiko indirekter Landnutzungsänderungen lediglich bei Palmöl besteht. Gleichzeitig hat die Untersuchung ergeben, dass der Anbau der für die europäische Bioethanolproduktion verwendeten Agrarrohstoffe wie Weizen, Mais und Zuckerrüben keinerlei Risiko für Landnutzungsänderungen mit sich bringt. Somit sind Regenwälder, Torfmoore und Flächen mit hoher biologischer Vielfalt effektiv für den Anbau von Rohstoffen für Bioethanol ausgeschlossen." (www.bdbe.de/oekologie/nachhaltigkeit)
Laut BDBe lag der Marktanteil von E10 in Deutschland im Jahr 2019 bei 13,7 Prozent und stieg 2020 auf 14 Prozent. "Das Tankverhalten hat sich laut einer ADAC-Studie aber nicht wesentlich zum E-10 hin verändert, die technischen Bedenken sind weiterhin groß. Zurecht wie es scheint.", wie Kollege Jens Kratschmar bei seinen Recherchen zum Thema "Langzeitschäden durch E10-Benzin" feststellte.
Ob E10 bei den Briten besser ankommt als bei den Deutschen? Wir sind gespannt. Fest steht jedenfalls jetzt schon: Klimabilanzen können nicht nur innerhalb von Landesgrenzen betrachtet werden, sondern sollten global betrachtet werden. Sonst erreichen wir häufig nur eine Verschiebung statt einer tatsächlichen Verbesserung.