Japaner hätten der Sache einen komplett neuen Namen gegeben und bei der Präsentation einen riesengroßen Zauber veranstaltet. Amis sind da cooler. Zumindest wenn es um die Sportster geht. Die heißt schließlich seit 1957 so, und warum sollte man daran etwas ändern, nur weil eine Modellpflege ein paar Nummern größer ausfällt und dabei ein praktisch komplett neues Modell herauskommt? Eben. Der Wechsel zum 2004er-Jahrgang war für die Harley-Davidson XL 1200 Sportster ein Quantensprung. Ein vormals etwas phlegmatischer und ab und an ziemlich nerviger Vibrator mauserte sich zum erfreulich munteren Spaßgerät, das praktisch nur noch Good Vibrations an die Besatzung weitergibt.
Geheimnis des Erfolgs: Der in den meisten seiner über 400 Teile kräftig überarbeitete Evolution-Twin steckt seitdem nicht mehr starr, sondern über Silentblöcke und Schubstangen schwingungsentkoppelt im Rahmen. In einem komplett neuen und deutlich verwindungssteiferen Rahmen. Weniger Zappelei, dafür 16 Prozent mehr Leistung, bessere Federbeine und ordentliche Bremsen – nie zuvor fühlte sich eine Harley-Davidson Sportster so lebendig an und ließ sich so munter bewegen. Und das trotz 30 Kilo Mehrgewicht im Vergleich zum Vorgängermodell. Geschenkt, im Vergleich zum restlichen Harley-Programm ist die mittlerweile in X Versionen verfügbare Sporty immer noch ein Leichtgewicht und in Sachen Preis-Leistungs-Verhältnis das mit Abstand beste Angebot im Programm der Amis.
Besichtigung
Mit dem Wechsel zum 2004er-Modell machte die ohnehin schon sehr zuverlässige Evolution-Sportster einen weiteren großen Schritt in Richtung „praktisch unkaputtbar“ – es sind schlicht und einfach keine typischen Macken bekannt. Die Werkstatt sieht die Sporty meist nur anlässlich der alle 8000 Kilometer fälligen Service-Termine. Ein klassisches Sportster-Problem gibt es dann aber doch. Und das heißt „umbauwütiger Besitzer mit begrenzten handwerklichen Fähigkeiten“. Die meisten Sportster-Neukäufer kommen von (japanischen) Fremdfabrikaten und sind Harley-Neulinge. Was einige von ihnen nicht daran hindert, ihre erste Harley-Davidson XL 1200 Sportster mit jeder Menge Billigzubehör zu behängen. Das kann sich dann zum Beispiel mit einer „individuellen“ Elektrikverkabelung rächen. Der mit Abstand wichtigste Besichtigungstipp lautet daher: besonders die Qualität (und ggf. Eintragung) von Umbauten begutachten. Das gilt vor allem für die Auspuffanlagen aus dem Zubehörhandel.
Marktsituation
Die Harley-Davidson XL 1200 Sportster ist neu und auch gebraucht deutlich beliebter als ihre 883er-Schwester, was sich in einem recht hohen Preisniveau niederschlägt. Unter 6500 Euro sind praktisch keine wirklich guten Secondhandexemplare zu bekommen. Innerhalb der Baureihe nimmt die Custom-Variante den Spitzenplatz in Sachen Bestand und auch Nachfrage ein. Es folgt die Nightster, die erste echte „Männer-Sportster“. Die Low-Version wird fast ausschließlich von Frauen nachgefragt. Für die Forty-Eight können sich beide Geschlechter begeistern. Die Nachfrage ist extrem hoch, das Gebrauchtangebot (noch) eher gering – unter zehn Mille geht da praktisch nichts. Ein echter Geheimtipp ist die Roadster: Die mit Abstand fahraktivste und mit vorderer Doppelscheibenbremse sowie komplettem Cockpit am sinnvollsten ausgestattete Sportster ist ein Fall für Kenner, die ganz gezielt dieses und kein anderes Modell suchen und die besonders viel Wert auf eine etwas dynamischere Landstraßen-Gangart legen. Für alle Modelle gilt: Der Wechsel vom Vergaser zur Einspritzung (ab Modelljahr 2007) wird mit rund 500 Euro Aufpreis honoriert.
Verfügbarkeit am Markt: hoch
Preisniveau in Euro | Baujahr | km-Stand |
Niedrig 6500-7400 | 2004-2009 | 15.000-45.000 |
Mittel 7500-8900 | 2007-2009 | 10.000-25.000 |
Hoch 9000-10 500 | 2010-2013 | 5000-15.000 |
Typ | im Programm | Verkäufe* |
XL2 | ab 2004 | ca. 13.000 |
*Stand März 2014
Technische Daten
(Typ XL2, Modell XL 1200 R, Modelljahr 2004)
Motor: Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-45-Grad-V-Motor, vier untenliegende, zahnradgetriebene Nockenwellen, zwei Ventile pro Zylinder, Hydrostößel, Stoßstangen, Kipphebel, Trockensumpfschmierung, Gleichdruckvergaser, Ø 40 mm, keine Abgasreinigung, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, Zahnriemen.
Bohrung x Hub: 88,8 x 96,8 mm
Hubraum: 1202 cm³
Nennleistung: 49 kW (67 PS) bei 5900/min
Max. Drehmoment: 93 Nm bei 3300/min
Fahrwerk: Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohr, Telegabel, Zweiarmschwinge aus Stahlprofilen, zwei Federbeine, verstellbare Federbasis, Doppelscheibenbremse vorn, Scheibenbremse hinten.
Alu-Gussräder: 2.15 x 19; 3.00 x 16
Reifen: 100/90 H 19; 150/80 HB 16
Maße + Gewichte: Radstand 1520 mm, Lenkkopfwinkel 60,4 Grad, Nachlauf 117 mm, Federweg v/h 141/104 mm, Sitzhöhe* 750 mm, Gewicht vollgetankt* 267 kg, Zuladung 187 kg, Tankinhalt 12,9 Liter.
Messungen: (MOTORRAD 26/2003)
Höchstgeschwindigkeit**: 190 km/h
Beschleunigung 0–100 km/h: 5,0 sek
Durchzug
60–140 km/h: 12,6 sek
Verbrauch: 5,4 l/100 km (Landstraße)
*MOTORRAD-Messungen, **Herstellerangabe
Modellpflege
2004 Erstes Modelljahr der komplett überarbeiteten Sportster-Generation XL 1200 R und C,
jeweils ab 10.960 Euro.
2005 Steifere Hinterradschwinge mit stärkerer Achse; Klarglas-Scheinwerfer; Verchromung verbessert. Modelle: XL 1200 R (ab 9890 Euro) und C.
2006 Getriebe, Kupplung, hinterer Bremslichtschalter und Mikroprozessor der Wegfahrsperre/Alarmanlage neu; Modelle: XL 1200 R und C; Sportster 1200 Low (XL 1200 L), ab 9890 Euro.
2007 Einspritzanlage; schmalerer, aber widerstandsfähigerer Zahnriemen; neue Alarmanlage; neue Instrumente; verbesserte Kabelverbindungen; Kupplungsbetätigung leichtgängiger; Bremsanlage überarbeitet; Modelle: XL 1200 R und L (jeweils ab 10.245 Euro) sowie C (ab 11.240 Euro).
2008 Seitenständerschalter statt Einklappsicherung; Radlager und -achsen neu; Zylinderkopfdichtung verbessert; XL 1200 R mit 17- statt 12,5-Liter-Tank. Modelle: XL 1200 R, L und C; neues Modell: Sportster 1200 Nightster (XL 1200 N), ab 9995 Euro.
2009 Rahmen verstärkt; neuer Frontfender; Kupplungszug und Schaltmechanismus neu; Krümmerdichtungen, linker Seitendeckel und Batteriehalterung geändert; neues Scheibenrad für XL 1200 C. Modelle: XL 1200 N und L (jeweils ab 9995 Euro) sowie C (ab 10.695 Euro); Entfall XL 1200 R.
2010 Neuer Öltank; Motorsteuergerät und Sicherungen besser vor Feuchtigkeit geschützt; optimierte Katalysatoren. Modelle: XL 1200 N und C; nachträglich präsentiert: Forty-Eight (XL 1200 X), ab 10 395 Euro; Entfall XL 1200 L.
2011 Lima-Anschluss, Ventildeckeldichtungen und Seitenständerhalterung verbessert. Modelle: XL 1200 N (ab 9795 Euro) und X (ab 10 595 Euro); XL 1200 C komplett neu, ab 10 795 Euro.
2012 Neue Schlösser. Modelle: XL 1200 N (ab 9995 Euro), C und X; neues Modell: Sportster
Seventy-Two (XL 1200 V), ab 10.795 Euro.
2013 Keine technischen Änderungen. Modelle: XL 1200 C (ab 11 175 Euro, als 110th Anniversary-Modell XL 1200 C-ANV für 11 975 Euro), V (ab 11 315 Euro) und X (ab 11 175 Euro); neue Modelle: Sportster 1200 Custom Limited Edition (XL 1200 CA/CB), 11.710/11.415 Euro; Entfall XL 1200 N.
2014 ABS serienmäßig; CAN-Datenbussystem; Lenkerarmaturen und Tacho neu; schlüsselloses Startsystem; Auspuff überarbeitet. Modelle: XL 1200 C (ab 11 625 Euro), CA/CB (12.205/11.905 Euro), V (ab 11.905 Euro) und X (ab 11.625 Euro).
Rückrufe (Halter wurden angeschrieben)
Auspuff-Hitzeschild (2006er/2007er); Spannungsregler (2007er); Hauptbremszylinder (2004er/ 2005er); Rücklicht (2004er); Öltank-Entlüftungsleitung (2004er). Achtung: Rückrufe und weitere Produkt-Updates betreffen nicht alle Modelle,
nähere Infos dazu beim Vertragshändler.