Ausgerechnet eine Lärmmessung soll uns Motorradfahrer verteidigen? Liefern wir so nicht erst Argumente für Leute, die lauthals Fahrverbote und Streckensperrungen fordern? "Glaube ich nicht", meint Kai-Uwe Bürskens, "mit seriösen Werten zeigen wir, dass die meisten Motorräder längst nicht so laut sind wie behauptet."
Aufgeheizte Stimmung in Österreich
Der Hotelier aus dem Tiroler Lechtal hat bereits im Januar 2018 zusammen mit anderen Motorradfahrern die IG Moto gegründet, die sich gegen die ungleiche Behandlung von Auto- und Motorradfahrern einsetzt. Im Lechtal und im benachbarten Inntal drohen Motorrädern nämlich Sperren und Fahrverbote auf bis zu acht Strecken, darunter Hahntennjoch, Namlostal und Pillerhöhe. Die Stimmung in diesen österreichischen Ausflugsgebieten ist aufgeheizt, seit einige Politiker, Medien und Bürgerinitiativen die Motorradtouristen als alleinige Störenfriede der ländlichen Stille ausgemacht haben und sie mit allen Mitteln bekämpfen. Das Schlüsselerlebnis für Bürskens und seine Mitstreiter war eine Podiumsdiskussion, zu der die "Tiroler Tageszeitung" geladen hatte – auch ihn und zwei weitere Motorradfahrer.

"Da saßen 270 Leute im Saal, fast alle vehemente Motorradgegner, sodass wir kaum zu Wort kamen", erzählt er aufgebracht. Motorradfahrer generell als Schnellfahrer und Rowdys zu bezeichnen oder gar von "Lärmterroristen" zu reden und zu schreiben, wie jüngst vorgekommen, "das ist Diskriminierung, das muss aufhören", sagt Bürskens, trotz seines nordisch anmutenden Namens übrigens ein waschechter Tiroler. "Statt um Motorradlärm sollte es um Verkehrslärm generell gehen." Sein Kollege Robert Heel, ebenfalls Hotelbesitzer im Lechtal, springt ihm bei: "Autofahrer dürfen alles, Motorradfahrer gar nichts. Dafür gibt es keinen Grund."
Es geht um die Praxiswerte
Und so misst die IG Moto an einem sonnigen Samstag im Südtiroler Vinschgau die Geräuschentwicklung von Motorrädern, von Zwei-, Vier- und Sechszylindern, von Naked Bikes, Tourern, Reiseenduros und Sportlern, von Euro 3- und Euro 4-Modellen. Zum Vergleich werden ein E-Roller und ein E-Auto gemessen, zudem – aber außer Konkurrenz – ein vorbeikommender Traktor und ein Sportwagen. "Es geht uns nicht darum, Homologationszyklen nachzustellen, sondern um Praxiswerte", erklärt Messingenieur Martin Dämon, der sich beruflich mit Lärmmessungen im Bergbau beschäftigt. Sorgfältig weist er die Testfahrer ein, mittelt die mit dem geeichten Schallpegelmesser erhobenen Werte und rechnet sie auf einen Abstand von 7,5 Metern um – so weit entfernt von der Fahrbahn könnten Anwohner in Vorgärten ungefähr sitzen.

Und siehe da: Die niedrigsten Werte der Motorräder entsprechen bei konstant 50 und 80 km/h denen der E-Fahrzeuge oder liegen sogar darunter (siehe Tabelle links). Sobald die Testfahrer allerdings das Gas aufreißen, schießen die Pegel in die Höhe. Was die IG Moto keineswegs verschweigt, denn es geht ihr auch darum, Motorradfahrer zu sensibilisieren und ihnen vor Augen – oder besser Ohren – zu führen, wie durchdringend Motorräder im Wohngebiet klingen können, wenn sie aus 50 oder 80 km/h voll beschleunigen. Bis fast 90 dB(A) reichen die Pegel, wohlgemerkt mit legalen Auspuffanlagen. Schallexperte Martin Dämon errechnet daraus einen plakativen Vergleich: "Ein Raser macht so viel Lärm wie 28 normale Fahrer." Das sitzt.
"Verbrenner bleibt Verbrenner"
"Wer zu schnell oder zu laut ist, muss raus", betont Robert Heel, "egal, ob auf zwei oder vier Rädern." Das häufig vorgebrachte Argument, dass Motorradfahrer ja zum Spaß unterwegs seien und man sie getrost aussperren könne, lässt er nicht gelten: "Auf der B 198 bei mir in der Nähe findet jeden Morgen zwischen sechs und acht der Lechtal-Grand-Prix statt – Autofahrer auf dem Weg zur Arbeit, die oft viel zu schnell sind", erzählt er. "Dagegen sagt niemand was. Dabei könnten viele genauso gut öffentlich fahren."

Unausgegorene Argumente gegen Motorräder bekommt auch Erich Vill öfter zu hören. Er führt ein Bio-Hotel in Schlanders in Südtirol, mit angeschlossenem Motorrad-Testcenter für die Gäste. "Manche rümpfen die Nase und sagen: Bio und Motorräder – das passt doch nicht zusammen", erzählt er. "Dabei sind die selber mit dem Auto da." Sein Sohn Stefan ergänzt: "Verbrenner bleibt Verbrenner, ob nun beim Auto oder beim Motorrad." Die passionierten Motorradfahrer, die neben dem Hotel einen Bio-Bauernhof bewirtschaften, beschäftigen sich schon lange mit dem Thema E-Mobilität und bieten ihren Gästen auch E-Roller zum Ausprobieren an. Doch bis sich Stromer durchsetzen, wird es noch dauern. "So lange wollen wir nicht tatenlos zuschauen, wie Motorräder immer weiter zurückgedrängt werden." Daher haben sich die Vills der österreichischen IG Moto angeschlossen, zumal sich auch in Südtirol die Stimmung mancherorts allmählich gegen Motorradfahrer wendet.
Diskussion um Motorräder in Tirol geht weiter
Von ihren Gegnern wird den Aktivisten gern vorgeworfen, sie wollten als Betreiber von Motorradhotels nur ihre wirtschaftlichen Interessen wahren. "Natürlich tun wir das, das ist völlig legitim", entgegnet Kai-Uwe Bürskens. "Aber in der IG Moto sind ja nicht nur Hoteliers und Gastwirte, da sind wir vor allem als Motorradfahrer. Und das wollen wir auch bleiben." Erste Erfolge gibt es bereits: Die Petition gegen die Ungleichbehandlung von Motorradfahrern wurde von rund 8.000 Leuten unterzeichnet (www.igmoto.info). Zudem verfügte die fürs Lechtal zuständige Bezirkshauptfrau, vergleichbar einer deutschen Landrätin, dass bei Entscheidungen über Sperren oder Tempolimits auch die IG Moto gehört werden muss. Mit den aktuellen Messungen aus Schlanders wollen die engagierten Tiroler mit der Mär von den "Lärmterroristen" aufräumen und gleichzeitig über Plakate allzu schnelle und laute Motorradfahrer einbremsen. Die Diskussion um Motorräder in Tirol geht also weiter – und nicht nur dort.