Intelligenter Geschwindigkeitsassistent (ISA) für Motorräder
Sollen Motorräder automatisch langsam fahren?

Der Verkehrsausschuss des Europa-Parlaments empfiehlt Motorräder mit automatischen Geschwindigkeitssystemen auszurüsten. Der Verband der europäischen Motorradfahrerverbände (FEMA) hält dagegen.

BMW F 900 R Modelljahr 2020
Foto: BMW
In diesem Artikel:
  • Wenige Motorräder, viele Totee
  • Bis 2030 sollen Motorräder automatisch langsam fahren
  • FEMA hält dagegen
  • Fazit

2022 ist es soweit: Ab dem 6. Juli müssen neue Automodelle unter anderen mit einem automatischen Geschwindigkeitsassistenten ausgerüstet sein. Per Kamera oder über Daten der Navigation soll das Auto selbstständig die erlaubte Höchstgeschwindigkeit erkennen und nicht überschreiten. Motorräder waren bisher nicht im Gespräch – im Gegenteil. Im Oktober 2021 trat der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments auf den Plan: Intelligente Geschwindigkeitsassistenten könnten helfen schwere Motorradunfälle mit Todesfolge zu vermeiden. Der Verband der europäischen Motorradfahrerverbände (FEMA) hält dagegen und verlässt sich auf eine Aussage der EU-Kommission von 2019 solche Systeme nicht für Motorräder zu planen.

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Wenige Motorräder, viele Totee

Ein Argument des Ausschusses ist der hohe Anteil von tödlichen Unfällen mit motorisierten Zweirädern – inklusive Mofas, Rollern und allen Fahrzeugen der Kategorie L – im Vergleich zu ihrem geringen Aufkommen im Gesamtverkehr: Nur zwei Prozent aller Verkehrsteilnehmer sind Motorradfahrer, deren Unfälle allerdings leider 17 Prozent aller Verkehrstoten ausmachen. Der genaue Wortlaut ist: "… powered two-wheeled vehicles are responsible for 17 % of the total number of road fatalities…". Kraftradfahrer sind demnach verantwortlich, nicht betroffen. Interessant: Der Ausschuss führt weiter an, dass 54 Prozent dieser tödlichen Unfälle auf der Landstraße geschehen, allerdings nicht mit nach welchen Ursachen. Abhilfe soll laut Ausschuss ein Geschwindigkeitsassistent schaffen. Schon 2030 könnte es soweit sein.

Bis 2030 sollen Motorräder automatisch langsam fahren

Der Verkehrsausschuss möchte bis 2050 seine Vision Zero wahr werden lassen, in der es keine Verkehrstoten mehr innerhalb der EU geben soll. Ein Weg dahin soll sein, dass sich Motorräder bis 2030 automatisch an die erlaubte Höchstgeschwindigkeit halten. Technisch ist das allerdings nur möglich, wenn das Motorrad weiß, welche Geschwindigkeit erlaubt ist und die Motorleistung entsprechend drosselt. Das geht derzeit per Navigationsdaten und GPS oder per Kamera. Navigationsdaten sind zwar bei einigen Modellen bereits verfügbar, Kamerasysteme aber nicht einmal im Ansatz: Motorradhersteller sind gerade dabei Radarsysteme zu nutzen, die aber die angedachten Speedlimiter nicht unterstützen. Sollte ein entsprechendes System kommen, dann würde es nur auf die Motorleistung und nicht auf die Bremsen wirken. Und der Fahrer könnte die Befehle des Systems jederzeit übersteuern oder den Assistenten für die Fahrt deaktivieren.

FEMA hält dagegen

Nach dem ersten Aufkommen des Themas in Pkw 2019 stellte die FEMA klar, dass derartige Systeme im Motorrad sich ernsthaft auf die Fahrsicherheit auswirken, da unvorhergesehene Eingriffe in die Motorleistung ein Motorrad aus der Balance bringen können. 2021 beruft sich die FEMA auf die damalige Antwort der Kommission in der bestätigt wird, es gäbe keine Pläne solche Systeme in Motorrädern zur Pflicht zu machen.

"Wir unterstützen keine technischen Funktionen, die dem Fahrer die Kontrolle über das Motorrad nehmen, und sehen daher – obwohl wir die Notwendigkeit einer Geschwindigkeitsreduzierung in bestimmten Situationen verstehen – jede Art von intelligenter Geschwindigkeitsassistenz, die die Motorsteuerung stört als Gefahr an", sagt Dolf Willigers, Generalsekretär der FEMA.

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Bestimmt, langsamer Fahren würde viele knifflige Momente vermeiden.Niemals, wir brauchen jederzeit die volle Kontrolle, sonst wird es haarig.

Fazit

Schildererkennung oder Tempowarnung per serienmäßigem GPS. Ersteres ist echte Zukunftsmusik, zweiterem fehlt die Marktdurchdringung und in großen Teilen ein Bordsystem, das das GPS an die Einspritzung koppelt. Das EU-Parlament denkt laut darüber nach Systeme zur automatischen Geschwindigkeitsregulierung als Sicherheitsfeature bis 2030 einzuführen. Der Verband der Motorradfahrer hält vehement dagegen: Solch ein System bringt keine Sicherheit. Zu Bedenken ist: Was macht das System in Kurven, wo außerorts 100 km/h erlaubt sind, mehr als 50 aber nicht gesund wären?

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Erscheinungsdatum 26.05.2023