Was sagt Ihnen die Zahlenkombination 46-93-180? Sie scheint erst mal mit den Eckdaten dieser fettesten Kawa aller Zeiten nichts gemein zu haben. Und doch war sie ganz entscheidend. Bevor nämlich die Mannen der Kawasaki Heavy Industries dieses Cruiser-Ungetüm überhaupt zusammenschraubten, waren die Marketingleute gefragt. Per Umfrage versuchten die in den USA zu ergründen, wie der ideale Lowrider beschaffen sein muss. Und dank Meinung der Männer, die im Durchschnitt 46 Jahre alt, 93 kg schwer und 180 cm groß waren, konnte dann im Jahr 2004 schließlich die Kawasaki VN 2000 aus dem Taufbecken gehoben werden – oder sollte man eher sagen, per Schwerlastkran geborgen? Denn die Heavy Metaller aus Kobe in Japan haben ganze Arbeit geleistet und wollten in keinem Kapitel klein beigeben. Das merkt man schon, wenn man nur versucht, die VN vom fein verchromten Seitenständer zu lupfen. Schweißtreibend. Oder aus einer Parklücke zu rangieren. Nur mit zusammengebissenen Zähnen.
In Deutschland kein Verkaufsschlager
Immerhin: Hat man die ersten Meter bewältigt, sind die dann folgenden Kilometer eine Wellnesskur. Denn wenn die 375 Kilogramm schwere Kawasaki VN 2000 erst einmal rollt, dann kann man schnell in den entspannenden Cruisin’-Modus schalten. Trotz ihres ewig langen Radstands von einsdreiundsiebzig ist die Kawa keinesfalls behäbig. Niedrige Sitzhöhe (68 cm) und breiter Lenker (102,5 cm) sorgen dafür, dass sich die VN trotz gewaltiger Radlast und 150er-Vorderreifen einigermaßen handlich bewegen lässt. Eine wahre Wonne ist natürlich der gewaltige V-Zwo, der bei blubbernden 3.200/min sein Drehmomentpeak von 177 Nm an die 200er-Hinterradwalze schickt. Ob es daran liegt, dass deutsche Mannen nicht mit dem Ami-Maß 46-93-180 in Beziehung zu setzen sind? Denn hierzulande konnte sich der brachiale Brocken nicht durchsetzen. Gerade einmal 600 Stück wurden in den sechs Verkaufsjahren unters Volk gebracht. Damit hat die VN 2000 fast schon Seltenheitswert. Und das macht sie als Gebrauchte begehrenswert.
Modellpflege

2004: Markteinführung der Kawasaki VN 2000 mit Modellcode VN2000-A1H. Farbe: Purple, Preis: 17.195 Euro. Verkäufe in Deutschland: 253 Stück.
2005: Kawasaki VN 2000 - Modellcode VN2000-A2H. Lichtmaschinenkapazität von 70 auf 120 Watt erhöht. Farbe: Schwarz, Preis: 17.195 Euro. Verkäufe in Deutschland: 89 Stück.
2006: Kawasaki VN 2000 - Modellcode VN2000-A6F. Seitenständer für leichteres Anheben modifiziert. Farbe Schwarz/Silber, Preis: 17.365 Euro. Verkäufe in Deutschland: 40 Stück.
2007: Technik, Farbe und Preis unverändert, Modellcode bleibt wie 2006. Verkäufe in Deutschland: k. A.
2008: Markteinführung der Kawasaki VN 2000 Classic mit neu gestaltetem Frontscheinwerfer und veränderter Lenkerkröpfung, Modellcode VN2000H8F. Farbe: Schwarz, Preis: 13.995 Euro. Verkäufe in Deutschland: 167 Stück.
2009: Kawasaki VN 2000 - Modellcode VN2000H9F, Technik und Farbe unverändert, Preis: 14.995 Euro. Verkäufe in Deutschland: 66 Stück.
2010: Letztes Verkaufsjahr, Kawasaki VN 2000 - Modellcode VN2000HAF, Technik und Farbe unverändert, Preis: 15.395 Euro. Verkäufe in Deutschland: k. A.
Rückrufe
2004: Überprüfung und ggf. Montage eines Bremsleitungshalters beim Typ VN2000-A1H mit den Fahrgestellnummern JKB…0120 bis JKB…4629.
Marktsituation
Cruiser bleiben meist lange im Erstbesitz. Das gilt auch für die Kawasaki VN 2000. Die einst bescheidenen Neuverkäufe sorgen ohnehin für ein sehr knappes Angebot. Geduld lautet die Devise.
Niedriges Preisniveau ab 7.000 Euro:
Für den Einstieg in Kawasakis Powerliga muss man knapp 7.000 Euro lockermachen. Im niedrigen Preissegment fischen Privatanbieter und Händler gleichermaßen, die angebotenen VNs sind ganz frühe Modelle mit schon recht üppiger Kilometerleistung.
Mittleres Preisniveau ab 9.000 Euro:
Knapp unter 10.000 Euro tummeln sich die Zwo-Liter-V-Twins aus Serie eins und zwei von Händlern und privat. Der Preisaufschlag im Vergleich zu den Einstiegsangeboten wird mit einer meist erstaunlich niedrigen Laufleistung gerechtfertigt.
Hohes Preisniveau ab 11.000 Euro:
Jenseits der 10.000er-Marke wird es exklusiv. Das Angebot umfasst sehr junge Bikes (2009 oder 2010), sehr umfangreich ausgestattete und/oder schließlich sehr spezielle Umbauten auf Basis der Kawasaki VN 2000. Letztere muss man mögen. Und ggf. auch wieder verkaufen können.
Händler-Interview

Andreas Wille (46). Seit 25 Jahren die Kawa-Instanz in Celle (www.jcb-celle.de). Im MOTORRAD-Gespräch verrät er, wie sich die Kawasaki VN 2000 noch zum Geheimtipp entwickeln kann.
MOTORRAD: Der Blick auf die Stückzahlen zeigt: Diese Kawa ist nicht das Allerweltsmobil. Wer hat die Kawasaki VN 2000 damals neu gekauft, wer interessiert sich heute für sie?
Andreas Wille: Das waren und bleiben sehr erfahrene Motorradfahrer. In der Regel die Generation Ü-50, die schon seit langen Jahren auf Japan-Choppern und -Cruisern unterwegs ist. Da kommt aber keiner zu uns auf den Hof, der eine Yamaha XV 535 Virago abstellt und fragt: Wo ist die Kawasaki VN 2000? Eher kann es sein, dass jemand seine ZX-12R mit den Worten „ab jetzt etwas anderes“ gegen eine VN eintauschen will.
MOTORRAD: Wird gezielt nach der Kawasaki VN 2000 gesucht?
Andreas Wille: Zufallsbekanntschaften sind das nicht. Die Interessenten sind meist schon top informiert und wissen ganz genau, worauf sie sich bei der Kawasaki VN 2000 einlassen. Natürlich kann es beim Erstkontakt schon sein, dass jemand erschrocken wieder absteigt, weil sie dann doch zu mächtig ist. Immerhin reden wir von 375 Kilogramm Lebendgewicht. Die wollen auch im Stand, z. B. beim Rangieren, sicher bewegt werden. In Fahrt ist das alles ja kein Thema mehr, da lässt sich der dicke Brummer eigentlich ganz easy handeln.
MOTORRAD: Welche Jahrgänge der Kawasaki VN 2000 verkaufen sich am besten?
Andreas Wille: Ganz klar die zweite Generation ab 2008. Als Kawasaki VN 2000 Classic war das Styling mit dem klassischen Rundscheinwerfer deutlich gelungener. Die ist als Gebrauchte nun deutlich gefragter als die erste Generation mit der, sagen wir mal, sehr eigenwilligen Frontlampe inklusive eingefasster Gabel à la Harley Fat Boy.
MOTORRAD: Ist die Kawasaki VN 2000-Community umbauwütig?
Andreas Wille: Eigentlich gar nicht. Dass eine Kawasaki VN 2000 wirklich heftig cumstomized wird – Stichwort Heckumbauten, breitere Hinterräder –, sieht man fast gar nicht. Eher schon, dass sie im Originalzustand mit allerhand Zubehör behängt wird. Wie die eine aus der ersten Serie, die bei uns gerade zum Verkauf steht. Für Tourenfreunde ist da alles dran, sogar ein Zigarettenanzünder, um sich während der Fahrt noch eine Kippe anzustecken.
MOTORRAD: Auffälligkeiten in der Werkstatt …
Andreas Wille: … gibt es eigentlich gar nicht. Die Kawasaki VN 2000 ist ultrastabil gebaut. Den Motor musst du schon ohne Öl fahren, um ihn mutwillig kaputt zu machen!
MOTORRAD: Kann die Kawasaki VN 2000 noch mal durchstarten?
Andreas Wille: Mit der Euro 4 hat Kawa das Custom-Programm mehr oder minder eingestellt. Das belebt natürlich die Nachfrage nach gut gepflegten Gebrauchten ungemein.
Technische Daten Kawasaki VN 2000

Kawasaki VN 2000 (Typ VN 2000 06, Modelljahr 2006)
Motor:
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-50-Grad-V-Motor, vier Ventile pro Zylinder, Trockensumpfschmierung, Einspritzung, geregelter Katalysator mit Sekundärluftsystem, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, Zahnriemen.
Bohrung x Hub: 103,0 x 123,2 mm
Hubraum: 2.053 cm³
Nennleistung: 76,0 kW (103 PS) bei 4.800/min
Max. Drehmoment: 177 Nm bei 3.200/min
Fahrwerk:
Doppelschleifenrahmen aus Stahl, Telegabel, Dreiecksschwinge aus Stahl, Zentralfederbein, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Scheibenbremse hinten.
Alu-Gussräder: 3.50 x 16; 6.00 x 16
Reifen: 150/80 R 16; 200/60 R 16
Maße + Gewichte:
Radstand 1.735 mm, Lenkkopfwinkel 58,0 Grad, Nachlauf 182 mm, Federweg vorn/hinten 150/100 mm, Sitzhöhe 700 mm, Gewicht vollgetankt 375 kg, Tankinhalt 21,0 Liter.
Messungen (MOTORRAD 16/2006):
Höchstgeschwindigkeit: 203 km/h
Beschleunigung: 0–100 km/h 4,8 sek
Durchzug 60–100 km/h: 5,8 sek
Verbrauch: 4,9 l/100 km (Landstraße)
Die Alternativen

Harley-Davidson Fat Boy:
Das Original. Ist und bleibt teuer. Wer auf den Markennimbus verzichten kann, muss erst gar nicht nach der Fat Boy suchen. Technische Daten: Zweizylinder-45-Grad-V-Motor, 64 PS, Gewicht 326 kg, 0–100 km/h in 6,8 sek, Vmax 160 km/h, Verbrauch 5,7 Liter, ab 10.000 Euro*.
Honda VTX 1800:
Zu klassisch für den modernen Cruiserfan, zu modern für die Klassik-Anhänger. Die Honda steht zwischen den Stühlen. Technische Daten: Zweizylinder-52-Grad-V-Motor, 97 PS, Gewicht 345 kg, 0–100 km/h in 4,8 sek, Vmax 189 km/h, Verbrauch 7,5 Liter, ab 6.500 Euro*.
Suzuki Intruder M 1800 R:
Ein ganz spezielles Cruiser-Layout, bei dem auch ein wenig Gixxer-Flair zum Vorschein kommt. Sieht man recht häufig. Technische Daten: Zweizylinder-54-Grad-V-Motor, 125 PS, Gewicht 348 kg, 0–100 km/h in 4,1 sek, Vmax 215 km/h, Verbrauch 6,8 Liter, ab 7.000 Euro*.
Yamaha XV 1900 A Midnight Star
Der schärfste Konkurrent der Kawasaki VN 2000. In Sachen Punch, Sound und Chrom die Instanz. Hat aber noch die Eins vorm Komma. Technische Daten: Zweizylinder-48-Grad-V-Motor, 90 PS, Gewicht 346 kg, 0–100 km/h in 4,6 sek, Vmax 190 km/h, Verbrauch 4,8 Liter, ab 8.000 Euro*.
Preisvergleich und Angebote gebrauchter Kawasaki VN 2000 und ihrer Alternativen

Die niedrigen Verkaufszahlen der Kawasaki VN 2000 merkt man heutzutage am Marktplatz. Gebrauchte VN 2000 sind selten und wenn Exemplare auftauchen, wechseln sie für vergleichsweise viel Geld den Besitzer. Doch es bestehen Alternativen, die am Gebrauchtmarkt häufiger anzutreffen sind. Hier eine Übersicht aller Angebote der Kawasaki VN 2000 und ihrer Alternativen: gebrauchte Kawasaki VN 2000 in Deutschland inklusive Alternativen.