- Die StVO regelt dazu wenig bis gar nichts
- Haltung des BVMI
- Haltung des Bayerischen Staatsministerium des Innern
- Schulung der Polizisten
- Haltung des Ministeriums für Verkehr in Baden-Württemberg
- Das sagt der Verkehrsrechtsexperte
- Haltung des ADAC
- Bund muss Ländern eine Leitlinie geben
- Fazit
Viele Motorradfahrer*innen möchten besser sichtbar sein. Darauf reagiert der Markt mit immer mehr aktiv leuchtendem Zubehör: LED-Schläuche für Motorradjacken, Bremslichter für Helme, Helme mit bereits integrierten Lichtern, Reflektorbänder fürs Gepäck, etc.. Viele stellen sich dann die Frage: Ist das überhaupt erlaubt? Die Antwort darauf ist ein klares Jein. Wir gehen der Sache auf den Grund.
Die StVO regelt dazu wenig bis gar nichts
Der Bund und die Länder sind sich in einer Sache einig: Der Rechtsrahmen für die Beleuchtung an Motorradkleidung ist die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Die macht der Bund. Der ist aber nicht für die Umsetzung zuständig. Das fällt in den Zuständigkeitsbereich der einzelnen Bundesländer. Der eine sieht den anderen in der Pflicht. Keiner ist zuständig. Nein, anders: "Die anderen sind zuständig." Die StVO regelt zwar ganz konkret, welche Leuchtmittel am Motorrad selbst angebracht werden dürfen. Wenn es aber um Lichter an Motorradkleidung geht, muss mangels einer passenderen Regelung, § 1 Absatz 2 StVO herhalten: "Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird." Aha.
Kein Wunder, dass die Foren voll sind mit Fragen zur Legalität von Lichtern an Motorradhelmen sowie anderen Bekleidungsteilen. Ob LED-Leuchten an der Jacke, Reflektorstreifen am Gepäck oder ein zusätzliches Bremslicht am Motorradhelm – die Diskussionen führen fast immer zu dem Fazit: "Ist ‘ne Grauzone. Du musst es probieren und abwarten, ob du damit durchkommst." Eine andere Schlussfolgerung lässt die Regelung auch nicht wirklich zu.
Haltung des BVMI
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) bekennt: "In der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) gibt es keine expliziten Vorschriften dazu, wie Bekleidung und Helme der Straßenverkehrsteilnehmer gestaltet sein müssen." Unsere Frage, ob der Bund vorhabe die StVO dahingehend zu erweitern oder konkreter zu interpretieren, wurde verneint. Er verweist auf die Bundesländer, die für die Umsetzung der StVO zuständig sind. Doch wie soll eine einheitliche Umsetzung stattfinden, wenn es keine einheitliche Regelung gibt? Das sei eben der Föderalismus, so die Haltung des BMVI. Auf unseren Einwand, dass der Föderalismus bei diesem Beispiel auch dazu führen kann, dass nicht einmal innerhalb eines Bundeslandes eine einheitliche Handhabe garantiert ist, wollte niemand eingehen.
Immerhin: "Verkehrssicherheit hat für das BMVI oberste Priorität. Daher ist Kleidung sinnvoll, durch die Verkehrsteilnehmer gut sichtbar sind." Mit Verweis auf § 1 Absatz 2 StVO heißt es vom BMVI weiter: "Wichtig ist dabei, dass durch die Kleidung niemand gefährdet oder behindert wird. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn eine besonders auffällige Bekleidung die übrigen Verkehrsteilnehmer ablenkt und dadurch die Verkehrssicherheit gefährdet. Dies gilt bei Motorradfahrern insbesondere für leuchtende Elemente an der Schutzkleidung oder am Schutzhelm."
Haltung des Bayerischen Staatsministerium des Innern
Zu beurteilen, was andere Verkehrsteilnehmer ablenken oder verwirren könnte, ist wiederum eine Einzelfallbetrachtung. Dem Bayerischen Staatsministerium des Innern (BStMI) stellten wir folgende Fragen: Wer entscheidet im Zweifelsfall, ob das Signalbild durch Leuchtmittel an der Bekleidung verändert wird? Macht das die Polizei vor Ort? Gibt es hierzu eine Empfehlung, an der man sich orientieren kann?
Vom BStMI bekamen wir die Rückmeldung, dass zum einen das Signalbild zur Nachtzeit entscheidend sei. Weiter heißt es: "Die Bewertung der Zulässigkeit ist stets eine Entscheidung jedes Einzelfalles und unter anderem auch von der Ablenkung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer beispielsweise durch Blendwirkung abhängig. Im Zweifelsfall ist auch die Einbindung amtlich anerkannter Sachverständiger der technischen Prüforganisationen denkbar."
Schulung der Polizisten
Das Bayerische Staatsministerium hat uns auch die Frage beantwortet, ob Verkehrspolizisten in irgendeiner Weise eine Schulung erhalten, die ihnen zumindest mal grob vorgibt, was in Ordnung gehen würde und was nicht: "Sofern es hinsichtlich der Beleuchtung an Motorrädern bzw. bei Motorradfahrern neue Entwicklungen gibt, wird auch diese Thematik behandelt."
Haltung des Ministeriums für Verkehr in Baden-Württemberg
Das Ministerium für Verkehr in Baden-Württemberg antwortete uns auf unseren Fragen bezüglich Lichtern an Motorradbekleidung unter anderem mit folgender Passage:
"Unsere rechtliche Bewertung tendiert dahin, dass eine lichttechnische Einrichtung mit Wirkung auf andere Verkehrsteilnehmende, insbesondere wenn dadurch die Regelung einer vorgeschriebenen lichttechnischen Einrichtungen übernommen werden soll (z. B. Schlussleuchte oder Blinker) als am Fahrzeug angebrachte Beleuchtung anzusehen ist und somit den entsprechend der Erstzulassung des Fahrzeuges geltenden Vorschriften / Anforderungen der zutreffenden EG / ECE-Richtlinien bzw. der StVZO unterliegt. Die Anbringung von weißen LED-Lichtstreifen an der Motorradkleidung, die lediglich retroreflektierende weiße Streifen ersetzen oder deren Wirkung unterstützen, wird als weniger problematisch angesehen. Eine abschließende Regelung dazu bleibt dem Bund vorbehalten."
Kurz: Das baden-württembergische Verkehrsministerium möchte Lichter an Motorradkleidung als "lichttechnische Einrichtung" einordnen.
Das sagt der Verkehrsrechtsexperte
Laut Dr. Wolf-Henning Hammer, Rechtsanwalt der Kanzlei Voigt und selbst begeisterter Motorradfahrer, sind Lichter an der Motorradkleidung nach aktueller Rechtslage keine lichttechnische Einrichtung im Sinne der StVO. Klar dürfe man kein Blaulicht spazieren fahren oder den Verkehr als fahrende Litfaßsäule irritieren. Aber Reflektorstreifen an der Ladung dürften kein Problem sein. Außer sie blenden andere Verkehrsteilnehmer. Hier empfiehlt der Experte, darauf zu achten, dass die Leuchtmittel eine E-Kennzeichnung tragen.
Konkret geregelt sei das aber nirgends. Es komme darauf an, wie die Polizisten vor Ort drauf sind. Sie haben einen Ermessensspielraum. Im Zweifel riskieren Motorradfahrer mit Lichtern an der Kleidung oder am Helm, eine Ordnungswidrigkeit zu begehen und können wegen Eingriff in den Straßenverkehr belangt werden. Wichtig ist auch das Thema Verkehrsunfall. Denn auch hier könnten Leuchtmittel an der Kleidung relevant werden, wenn sie beispielsweise den Unfallgegner irritiert oder geblendet haben – E-Kennzeichnung hin oder her.
Haltung des ADAC
Dass es nach aktueller Rechtslage überhaupt keine rechtliche Vorschrift gibt, die die Beleuchtung des Fahrers direkt regelt, sieht auch der ADAC. Er sieht derzeit aber auch noch keinen Handlungsbedarf: "Solange durch Beleuchtungssysteme am Fahrer keine Beeinträchtigungen Dritter verzeichnet werden, erscheint dem ADAC eine gesetzliche Regelung nicht notwendig. Sollte sich Handlungsbedarf ergeben, sollten entsprechende Regelungen sorgfältig mit den einschlägigen Verbänden abgestimmt werden – das gilt auch auf europäischer Ebene.
Bund muss Ländern eine Leitlinie geben
Für eine einheitliche Regelung kann nur der Bund sorgen, indem er § 1 Absatz 2 StVO bezüglich Lichter an Motorradkleidung für diesen Fall konkret interpretiert und auslegt. Oder eine betreffende Regelung nachschiebt. Und dafür möchte sich auch das baden-württembergische Ministerium für Verkehr einsetzen, wie aus folgender Passage hervorgeht:
"Unser Haus wird dieses interessante Sicherheitsthema auf jeden Fall aufgreifen und in der nächsten Sitzung des Bund-Länder-Fachausschusses Straßenverkehrs-Ordnung (BLFA-StVO) als Tagesordnungspunkt einbringen und auf eine schnelle Regelung für einen regelkonformen Einsatz drängen." Wir drücken die Daumen.
Fazit
Angesichts der unklaren Rechtslage lässt sich zur Beleuchtung an Bekleidung von Motorradfahrern kaum ein gesicherter Rat geben. Juristisch wasserdicht ist nur keine Beleuchtung. Wer aus Sicherheitsgründen auf die absolute Rechtssicherheit verzichten will, für den ist die oberste Maßgabe die Beeinträchtigung anderer Verkehrsteilnehmer. Einfach mal bei Nacht die Meinung von anderen zur Beleuchtung einholen – sich selbst sieht man ja eher weniger.