Marktanalyse Motorradmarkt in Europa

Marktanalyse - Motorradmarkt in Europa Europas Einheit und Vielfalt

Welche Bikes begehrenswert sind – darüber herrscht trotz aller kulturellen Unterschiede erstaunliche Einigkeit. Was hingegen die Stückzahlen angeht, trennen Europa nach wie vor Welten.

Europas Einheit und Vielfalt Illustrationen: Harald Hornig; Karte: fotolia
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Seit Jahren dominiert die große GS die Neuzulassungs-Hitparaden in Europa.

Preisfrage: Was ist der größte Unterschied zwischen Nord- und Südeuropa? Die Antwort: Yamahas TMAX. Der Maxi-Roller ist Kultobjekt, Großstadtwaffe, Statement für urbanen Lifestyle. Der Scooter grölt mit Akrapovic-Anlage und tiefem Bass zu Tausenden durch die Innenstädte von Paris, Rom und Madrid, verkauft sich dort wie geschnitten Brot. In Deutschland (aber auch in England) fristet er hingegen ein Schattendasein. Nur insgesamt 141 verkaufte Einheiten 2015 sprechen eine klare Sprache. Zum Vergleich: In Frankreich hat Yamaha davon im vergangenen Jahr 5.121 Stück abgesetzt, in Italien knapp 4.100, in Spanien immer noch fast 3.000!

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Na klar, im Deutschland wird auch gerollert, aber eher possierlich. Die Vespa GTS 300 Super haben wir Deutschen ins Herz geschlossen: Platz zwei mit 3.455 Einheiten in der Gesamt-Zulassungsstatistik aller motorisierten Zweiräder über 50 cm³.

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Gut und günstig: Mit diesen Eigenschaften glänzt die MT-07 unter Europas Bestsellern.

Roller gehen also, und mit so einem TMAX macht Yamaha mächtig Umsatz. Hier aber soll es um die „richtigen“ Motorräder gehen, jenseits von Rollern und 125ern (obgleich die in allen süd- und osteuropäischen Märkten den Löwenanteil der Zulassungen ausmachen). Und damit sind wir schon mittendrin im vereinten Europa. Denn egal, ob es um Europas „große Fünf“ – Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und England – geht oder um Zulassungs-Winzlinge wie Kroatien: Der gemeinsame Motorrad-Nenner hat seit vielen Jahren einen Namen: BMW R 1200 GS.

Ein Phänomen, und zwar flächendeckend von Stockholm bis Lissabon. Neben dem BMW-Dauerbrenner gibt es neuerdings aber noch zwei Bikes, die Europas Herzen entzünden, nämlich die Yamaha MT-07 und MT-09. Die neuen MTs – das ist auch die durchgängige Meinung von Motorrad-Journalisten aus den jeweiligen Ländern – treffen den Zeitgeist. Eben, weil sie das bieten, was in Europa alle gerne haben: viel Motorrad fürs Geld. Genau wie Kawasakis Z 800 oder Hondas NC-Reihe, die in den Verkaufs-Charts auch immer wieder mit vorn sind. Und das, obwohl die Märkte nach Einschätzung der Fachleute vor Ort sehr unterschiedlich sind.

Motorradmarkt Deutschland*

BMW R 1200 GS/Adventure 7.223
Yamaha MT-09/Tracer 3.601
Yamaha MT-07 3.142
BMW R nineT 2.623
Kawasaki ER-6n/f 2.590

Deutschland ist ein schönes Beispiel dafür. Jedenfalls dann, wenn man es mit den unmittelbaren Nachbarn Frankreich und Holland vergleicht. Und erst recht, wenn man nicht die einzelnen Modelle, sondern den Zweiradmarkt insgesamt betrachtet. 242.885 motorisierte Zweiräder wurden 2015 in Frankreich verkauft, 181.510 Stück in Deutschland. Das ist deutlich und war so nicht ohne Weiteres zu erwarten. Aber: Diese enorme Zahl kommt bei unseren französischen Nachbarn nur zustande, weil dort ein riesiger 50er-Markt existiert. Fast 90.000 Mopeds bis 50 Kubikzentimeter knatterten dort 2015 aus den Showrooms der Händler und den Supermarktpforten, in Deutschland gerade einmal knapp 30.000. Die drei meistverkauften hubraumstarken Motorräder hingegen sind identisch, nur die Plätze wechseln. Die hochpreisige R 1200 GS führt in Deutschland unangefochten, in Frankreich wird sie nur Dritte. Die günstige MT-07 hingegen liegt hier ganz vorn, dicht verfolgt von den großen Schwestern MT-09 und ihrer Variante MT-09 Tracer, die zusammengezählt werden.

Motorradmarkt Frankreich*

Yamaha MT-07 4.763
Yamaha MT-09/Tracer 4.431
BMW R 1200 GS/Adventure 3.451
Kawasaki ER-6n/F 3.257
Kawasaki Z 800 3.069

Überhaupt ist Frankreich (2015 rund 81.000 Motorräder) ein Land der Mittelklasse: Auch die Kawasaki ER-6 und die Z 800 fallen darunter. Motorräder, die nicht die Welt kosten und ihren Zweck erfüllen, denn das Nutzungsverhalten ist ein anderes als in Deutschland. Vor allem in den Großstädten ist das Zweirad in erster Linie Transportmittel, um von den Vorstädten zur Arbeit und zurückzukommen. Bester Beleg dafür: Das eigenwillige Dreirad Piaggio MP3 500 verkaufte sich mit 5791 Einheiten sogar noch 1.000-mal mehr als das bestverkaufte Motorrad, die MT-07. Man darf jedoch gespannt sein, ob es bei diesen Kräfteverhältnissen bleibt. „Anfang 2016 kippte auf EU-Druck das 100-PS-Limit“, erklärt Francesco Scuderi von „Moto Magazine“ aus Paris. „Wie sich das auswirkt, ist überhaupt noch nicht abzusehen.“ Ob die Franzosen jetzt mehr Lust auf Big Bikes bekommen? Wir werden sehen.

Motorradmarkt Niederlande*

BMW R 1200 GS/Adventure 614
Yamaha MT-09/Tracer 508
Kawasaki Z 1000 500
Suzuki V-Strom 650 419
Yamaha MT-07 335

Auch der Blick von Deutschland aus zum kleinen Nachbarn Niederlande offenbart beides, Unterschiede wie Gemeinsamkeiten. Im Land von Gouda und Frikandel geht mit über 65.000 kleinen 50er-Mopeds mehr als das Doppelte über den Tresen als bei uns. Bei den „richtigen“ Motorrädern hingegen stehen mickrige 11.687 Stück dem fast Zehnfachen in Deutschland gegenüber. Was das für die Verkaufszahlen der fünf meistverkauften Maschinen bedeutet, ist unschwer zu übersehen. Der mittlere dreistellige Bereich – mehr ist derzeit beim besten Willen nicht drin. Auch nicht für die allgegenwärtige GS oder die beiden MTs, die auch hier wieder kräftig mitmischen. Dieses Mal allerdings flankiert von exakt 500 Kawa Z 1000 und gut 400 Suzuki V-Strom 650. „Dabei geht es sogar gerade wieder aufwärts“, sagt Eric Bulsink, Chefredakteur der holländischen MOTORRAD-Schwester MOTOPLUS: „Vor der Krise haben wir 20.000 Motorräder verkauft, 2014 nicht einmal 10.000. Aber es ist kein Wunder, bei den Rahmenbedingungen. Ohne Leistungslimit darf man frühestens mit 24 Jahren fahren, dazu gibt es immer mehr 60er-Zonen, vor allem außerorts. Und überall Kontrollen – schrecklich.“

Motorradmarkt Schweiz*

Yamaha MT-09/Tracer 1.459
Yamaha MT-07 1.088
BMW R 1200 GS/Adventure 734
Ducati Scrambler 514
Kawasaki Z 800 435

Vielleicht hätten die Holländer vorher einmal bei den Eidgenossen nachfragen sollen, wie sich das mit den restriktiven Maßnahmen so verhält. Doch trotz der in der Schweiz drakonischen Strafen für Geschwindigkeitsüberschreitungen hat der Gesamtmarkt dort mit über 27.000 Motorrädern (über 50 Kubikzentimeter) ein mehr als doppelt so großes Volumen. Er wuchs laut Daniele Carrozza, dem Chefredakteur von „Töff“, im Jahr 2015 mit 17 Prozent außergewöhnlich stark. „Vor allem wegen der Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch die Schweizer Nationalbank. Eigentlich ist die Schweiz ein klassischer Big Bike-Markt, doch mit einer neuen Führerscheinregelung kam die Wende. Seit 2003 darf man sich ab 18 Jahren mit einer auf 34 PS gedrosselten ‚Großen‘ ins Motorradleben stürzen.“ Wer sich zwischen Basel und Genf bei den Eidgenossen vorn in der Zulassungsstatistik bewegt, braucht man eigentlich schon nicht mehr zu erwähnen: BMW R 1200 GS, dieses Mal jedoch hinter den MTs – das kennen wir ja schon.

Motorradmarkt Österreich*

Yamaha MT-07 513
BMW R 1200 GS/Adventure 463
Yamaha MT-09/Tracer 392
Ducati Scrambler 230
KTM 1290 Super Duke R 222

Ernsthaft wird niemand erwarten, dass sich daran nur durch eine Landesgrenze Entscheidendes ändert. Obwohl: Man hätte mit der 1190er-Adventure ja Entsprechendes im Angebot. Doch auch im Land von KTM kommt niemand am bayerischen Boxer vorbei. GS, MT, MT, die Ducati Scrambler – da sind sie wieder. In Österreichs Top Five ist nur die KTM 1290 Super Duke R neu, ein wenig Patriotismus muss dann doch sein. Und insgesamt liegen die Stückzahlen der besten fünf deutlich niedriger als in der Schweiz – die Österreicher verteilen ihre Gunst offenbar gleichmäßiger, denn was die Gesamt-Zulassungen angeht, liegen beide in etwa auf einem Niveau. Und damit weit unter dem, was Italien zu bieten hat.

Motorradmarkt Italien*

BMW R 1200 GS/Adventure 5.228
Yamaha MT-09/Tracer 3.687
Ducati Scrambler 2.476
Honda NC 700/750 2.292
Yamaha MT-07 1.943

Das Land, wo für die Motorradhersteller Milch und Honig fließen: Diese Zeiten sind auch in Italien lange vorbei. „Der Höhepunkt war im Jahr 2006 mit weit über einer halben Million Neuzulassungen“, erinnert sich Italien-Korrespondentin Eva Breutel. Davon mehr als 150.000 Motorräder, der Rest Roller. Und heute? „Im letzten Jahr wurden rund 170.000 Zweiräder zugelassen, davon gut 62.000 Motorräder. Von denen wiederum haben über 60 Prozent mehr als 800 Kubikzentimeter – und die beliebtesten heißen traditionell GS.“ Über 5000 dieser BMW-Dauerbrenner standen auch 2015 ganz vorn in der Gunst der Italiener. Überhaupt stünden die Zeichen trotz der Dauerkrise im Land erstaunlicherweise nicht schlecht: „Der italienische Industrieverband Ancma schätzt, dass in Italien dieses Jahr rund 90.000 Motorräder zugelassen werden“, sagt Breutel. „Und das trotz einer Arbeitslosenquote von zwölf Prozent. Die Italiener als echte Lebenskünstler haben sich mit der Krise arrangiert.“

Motorradmarkt Spanien*

BMW R 1200 GS/Adventure 2.240
Kawasaki Z 800 2.228
Yamaha MT-07 1.639
Yamaha MT-09 Tracer 1.072
Honda CB 500 F 883

Das sind Beschäftigungszahlen und ökonomische Realitäten, die man auch im zweiten großen südeuropäischen Motorradland, nämlich Spanien, nur zu gut kennt. „Nach dem Crash von 2007 brach ein vorher florierender Markt um über 50 Prozent ein“, erinnert sich Pepe Burgaleta vom spanischen Schwesterblatt La Moto. Bei aktuell 131.000 neuen Motorrädern kann man sich ausrechnen, was in Spanien ging. „Nun wächst der Markt wieder, aber die absoluten Zahlen sind nicht gut.“ Natürlich wieder dabei: BMW R 1200 GS, die beiden Yamaha MTs und die Kawa Z 800. Wobei laut Burgaleta nicht nur die Qualitäten der Bikes, sondern auch gute Finanzierungsmöglichkeiten und Rücknahmegarantien besonders von BMW beim spanischen Motorradkäufer ziehen. Wie überall in Europa ganz schwierig: die Supersportler! Hier geht auch bei den rennsportverrückten Spaniern nicht viel.

Motorradmarkt England*

BMW R 1200 GS/Adventure 2.699
Yamaha MT-09/Tracer 1.549
Yamaha MT-07 1.362
Kawasaki Z 1000 SX 1.025
Ducati Scrambler 1.015

Eine Feststellung, die sogar für das Mutterland des Rennsports mittlerweile zutrifft: „Sportmotorräder, die über Jahre den britischen Markt dominierten, gehen nicht mehr. Statt dessen dominieren Adventure Sports und Naked Bikes die Szene“, erklärt MOTORRAD-Korrespondent Ben Purvis. „Das Naked Bike-Segment wuchs um fast 27 Prozent, natürlich sind die beiden Yamaha MT-09 und MT-07 auch bei uns ganz vorne dabei.“ Und natürlich die unvermeidliche GS, von der sich im Königreich fast so viele Adventure-Versionen wie Basis-Varianten verkaufen. Ebenfalls gut im Rennen: Retro-Bikes, von denen ja besonders Triumph für 2016 ein breites Angebot bereithält.

Die kleineren Märkte im Norden, Osten und Süden

Egal, wohin man schaut, ob nach Schweden, Dänemark, Polen, Tschechien oder Kroatien: Es sind auch hier, auf den kleineren Märkten, dieselben Protagonisten unterwegs, aber die Stückzahlen sinken auf erstaunlich überschaubare Niveaus. In Dänemark liegt die MT-07 ganz vorne – mit 180 verkauften Motorrädern, die MT-09 landet mit gerade mal 86 Einheiten (wie immer Standard- und Tracer-Variante zusammengezählt) auf dem zweiten Platz. Aber, so Klavs Lyngfeldt von MOTORRAD Dänemark: „Der Markt mit derzeit 1.811 verkauften Einheiten über 125 Kubikzentimeter wächst, im letzten Jahr um 16 Prozent, in diesem verglichen mit dem Vorjahreszeitraum bereits um 33 Prozent. Das Spezielle hier in Dänemark ist unser Steuersystem. Zu den 25 Prozent Mehrwertsteuer zahlen wir noch eine Zulassungssteuer von 105 bis 150 Prozent. Das bedeutet: Eine Yamaha Tracer mit einem Basispreis von 69.141 Kronen inklusive Mehrwertsteuer kostet uns unter dem Strich 144.900 Dänische Kronen“ (umgerechnet knapp 19.500 Euro). Das Verrückte ist: Die Dänen sind happy damit, denn vor November 2015 lag diese Steuer noch bei 180 Prozent.

Kein Wunder also, dass die Zahlen im benachbarten Schweden deutlich höher liegen. 9.424 Motorräder wurden verkauft, am besten ging die Yamaha MT-09 (406 Stück). Das sind ähnliche Größenordnungen wie in Portugal, dem einzigen Land in dieser Statistik, in dem weder eine GS noch eine MT an der Spitze steht, sondern eine Honda NC 750 X (681 Stück). Dann aber kommen die alten Bekannten von BMW und Yamaha, wobei die MT-09 gerade noch auf 184 Einheiten kommt. Immerhin: In Kroatien läge sie damit uneinholbar vorne. Dort gibt ihre kleine Schwester die Zulassungs-Queen. Mit 76 Motorrädern.

Phänomen Yamaha TMAX

Yamaha
Mit über 11.000 Euro nicht günstig, aber im Süden trotzdem sehr beliebt.

Der Maxiroller Yamaha TMAX fristet in Deutschland ein Schattendasein, jedenfalls was Stückzahlen angeht. Nicht so in anderen Ländern. Was zeichnet ihn aus? Leistung und unbedingte Sportlichkeit. Sein wassergekühlter Reihen-Zweizylinder hat 530 Kubikzentimeter und wartet mit Vierventil-Köpfen, doppelten obenliegenden Nockenwellen und 46,5 PS auf. LED-Scheinwerfer, Upside-down-Gabel und ABS sind beim aktuellen Modell ebenfalls an Bord. Gestartet als 500er, wird der TMAX seit mittlerweile 15 Jahren gebaut.

Motorrad-Neuzulassungen nach Ländern

Honda
Die Honda NC 750 X ist die Nr. 1 in Portugal.

Länder 2014 2015 %
Österreich 25.145 24.838 -1,2
Belgien 20.675 21.557 4,3
Kroatien 1.509 1.511 0,1
Tschechien 12.426 13.418 8,0
Dänemark 1.936 2.417 24,8
Estland 449 489 8,9
Finnland 3.462 3.157 -8,8
Frankreich 153.319 153.239 -0,1
Deutschland 141.623 151.661 7,1
Griechenland 30.935 32.434 4,8
Ungarn 1.886 1.808 -4,1
Irland 795 1.020 28,3
Italien 156.510 171.952 9,9
Lettland 589 595 1,0
Litauen 292 294 0,7
Luxemburg 1.734 1.654 -4,6
Niederlande 10.674 11.687 9,5
Polen 9.848 23.864 142,3
Portugal 15.287 17.611 15,2
Rumänien 593 648 9,3
Slowenien 1.707 1.855 8,7
Spanien 111.454 132.532 18,9
Schweden 8.374 9.419 12,5
England 91.193 105.358 15,5
Gesamt 802.415 885.018 10,3

*Die Neuzulassungszahlen nach Motorradmodellen für 2015 beruhen sowohl auf Angaben des Europäischen Zweiradherstellerverbands ACEM wie auch der lokalen Herstellerverbände, abgefragt durch die jeweiligen Journalisten-Kollegen aus den einzelnen Ländern.

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