Motorrad-Markenduell BMW gegen KTM

Motorrad-Markenduell BMW gegen KTM Einer wird gewinnen

Trommeln gehört zum Geschäft. Das weiß keiner besser als KTM-Chef Pierer, der seine Marke schon länger als Nummer eins in Europa feiert. Aber BMW ist gut im Rennen, eilt von Rekord zu Rekord. Wer ist am Ende der Stärkere?

Einer wird gewinnen Markus Biebricher, BMW
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Es war sicher nicht abgesprochen, als KTM und BMW zeitgleich am 15. Januar die verbalen Sektkorken zu ihren Geschäftsergebnissen knallen ließen: „BMW Motorrad erzielt 2015 zum fünften Mal in Folge neuen Absatzrekord“, jubelt der bayerische Hersteller. Und die Österreicher ließen fast wortgleich verbreiten: „KTM – fünftes Rekordjahr in Folge“. Gibt es zwischen den Konkurrenten doch mehr Gemeinsamkeiten als einen Markennamen aus drei Großbuchstaben?

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Tatsache ist: Beide Marken reiten seit Jahren auf einer Erfolgswelle. Beide erklären, weiter wachsen zu wollen. Beide versuchen das mithilfe indischer Partner. Beide haben mit ihren Modellen ähnliche, wenn nicht gar gleiche Zielgruppen im Visier. Aber es gibt auch Unterschiede: Während BMW Motorrad eingebunden ist in den Markenverbund mit der Auto-Sparte und deren Ablegern Mini und Rolls-Royce, ist KTM Teil eines schwer zu durchschauenden Firmengeflechts und erscheint als österreichischer David gegen einen bayerischen Goliath.

Indischer Bajaj-Konzern mitgerechnet - zählt das?

Aber ist dem wirklich so? Hat doch KTM-Chef und Miteigentümer Stefan Pierer schon längst seine Marke zur Nummer eins in Europa erklärt (MOTORRAD 11/2015), indem er auch die in Indien bei Bajaj produzierten KTMs mitzählt. Gilt das?

Werfen wir einen Blick auf die Absatzzahlen beider Firmen, und zwar zunächst mal in Deutschland: Hier war knapp jedes vierte Motorrad, das 2015 neu zugelassen wurde, eine BMW. Betrachtet man jedoch die Zahlen der vergangenen 15 Jahre, so verzeichnet BMW de facto ein Nullwachstum, was die Anzahl der pro Jahr verkauften Motorräder in Deutschland angeht. KTM dagegen verkaufte 2015 in Deutschland 83 Prozent mehr Maschinen als noch im Jahr 2000. Damit haben die Österreicher hierzulande inzwischen einen Marktanteil von über neun Prozent und stehen aktuell auf Rang sechs der meistgekauften Marken – wobei der Abstand zur Spitze gering ist. Zum Vergleich: Yamaha auf Rang zwei der Markenhitparade hat auch nur einen Marktanteil von 11, 6 Prozent, erreicht nicht einmal die Hälfte des BMW-Traumwerts von 23,8 Prozent.

In Deutschland ist die Sache also klar. Aber weltweit? Global betrachtet hat BMW im ersten Halbjahr 2015 – die Zahlen stammen jeweils aus den letzten Geschäftsberichten der Konzerne – 78.420 Motorräder verkauft. KTM liegt mit 70.491 Maschinen aus Mattighofen noch auf Verfolgerkurs. Rechnet man aber die vom KTM-Miteigner, dem indischen Bajaj-Konzern, in Indien als KTMs vermarkteten Modelle mit ein, so erhöht sich der Absatz der Österreicher auf über 88.500 Motorräder. Lässt man dagegen den indischen KTM-Absatzkanal außer Acht, so macht BMW bei ähnlichen Stückzahlen doppelt so viel Umsatz – die Marke hat also eindeutig die teureren Produkte im Markt. Und BMW verdient prächtig damit: 19 Prozent des Umsatzes bleiben rein rechnerisch als Gewinn vor Steuern und Zinsen (EBIT) hängen. Ganz so glänzend sieht es bei KTM mit rund zehn Prozent Umsatzrendite (noch) nicht aus. Doch gehen wir wieder weg von den nackten Zahlen und hohen Summen und sehen uns stattdessen die Historien der beiden Firmen an.

BMW hat in Europa beim Absatz die Nase vorn. Für KTM ist Nordamerika der größte Einzelmarkt. Die Marke hat dort knapp fünf Prozent Marktanteil.

Auch da gibt es, bei allen Unterschieden, eine interessante Parallele: So gut wie beide Firmen heute dastehen, so dicht standen sie einst vor dem Aus. In München wurde Ende der 70er-Jahre schon laut über das Ende der Motorradsparte nachgedacht. Der Markt war am Boden, die Altherren-Modelle mit den Strich-Fünf-Boxern waren gegen die übermächtigen Japaner keine Konkurrenz. Das Modell, das die Wende brachte und dessen Erfolg allgemein als Grund dafür gilt, dass es im BMW-Motorradwerk in Berlin Spandau bis heute weitergeht, war 1980 die R 80 G/S.

Beim Thema Reiseenduro hat heute auch KTM ein gewichtiges Wort mitzureden, aber dazu kommen wir noch. Bleiben wir erst mal beim Thema Krise: Denn gut zehn Jahre nach BMW Motorrad wäre auch KTM beinahe untergegangen – das Unternehmen musste 1991 Insolvenz anmelden. Ein Jahr später kam die Schicksalswende mit Stefan Pierer, dessen zuvor gegründete Cross-Holding Teile des alten Betriebs kaufte. Von nun an ging’s vorwärts in Mattighofen: Pierer stellte die Traditionsfirma komplett neu auf – und sorgte vor allem für frischen Wind in der Modellpalette. So vollzog KTM einen Wandel vom reinen Zweitakt-Offroad-Hersteller hin zum heutigen (Fast-)Vollsortimenter. Auf diesem Weg hatten die Österreicher mit Sicherheit den Erfolg der Bayern mit ihren GS-Modellen vor Augen. Spätestens mit Einführung des V-Zweizylinders in der KTM-Adventure-Baureihe zu Beginn der 2000er-Jahre ist dem bayerischen Dauer-Bestseller ein Gegner gewachsen, der ihm in Sachen Motorleistung längst den Rang abgelaufen hat und, was Ausstattung und Technik angeht, weitgehend gleichauf liegt.

Wachstum durch Maschinen mit kleinen Hubräumen

Verblüffend sind neben der Modellpolitik auch noch zwei weitere Parallelen zwischen den beiden Konkurrenzmarken. Zum einen das Experiment mit Husqvarna. Die Münchner hatten die einst schwedische Marke 2007 übernommen und 2013 frustriert weiterverkauft – und zwar ausgerechnet an KTM (siehe Artkelseite 4 "Das Husqvarna-Abenteuer"). Zum anderen die Kooperation mit indischen Partnern bzw. im Fall von KTM dem indischen Minderheitseigentümer (siehe Artkelseite 3 "Indien: günstige Produktion, riesiger Markt"). BMW wie auch KTM setzen auf weiteres Wachstum durch Maschinen mit kleinen Hubräumen, die in Indien für den globalen Markt produziert werden. Seit 2011 baut KTM bei Bajaj die 125, 200 und 390 Duke. Dem will BMW nicht nachstehen und hat für 2016 die bei TVS in Indien gebaute Modell-Reihe G 310 angekündigt. Den unverkleideten Einzylinder-Roadster G 310 R haben die Bayern Ende 2015 schon ganz offiziell vorgestellt.

Wo also wollen beide Marken hin? BMW hat nach den Worten von Konzernvorstand Peter Schwarzenbauer das Ziel, bis zum Jahr 2020 von 137.000 abgesetzten Motorrädern und Rollern 2015 auf weltweit 200.000 motorisierte Zweiräder mit BMW-Logo zu kommen – ein großer Teil davon aus Indien. Und KTM? Hat 2015 in Österreich und Indien rund 152.000 Einheiten gebaut. Doch Boss Pierer hat auch das Jahr 2020 vor Augen. Bis dahin, so sagte er im Interview mit MOTORRAD (Heft 11/2015), will er in Europa auf Platz drei der Motorradhersteller aufgerückt sein – mit Husqvarna. Mit KTM sieht er sich ja schon an der Spitze.

Zahlen und Fakten zu BMW und KTM

Quelle: Geschäftsberichte 1. Halbjahr 2015

KTM kämpft sich nach vorne

Welche Marke liegt im Trend? Über die Jahre betrachtet konnte KTM 15 Prozentpunkte gutmachen. Aktuell beträgt der Vorsprung von BMW nur noch vier Prozentpunkte.

Die Wahl „MOTORRAD des Jahres“ ist zugleich ein Stimmungsbarometer der Leser. Sie geben ihre Einschätzung zu den Images der Hersteller ab.

Was die Leser welcher Marke zutrauen

Die Images der beiden Konkurrenten aus Sicht der MOTORRAD-Leser: BMW lässt im Lauf der Jahre kräftig Federn bei der Qualitätsbeurteilung. KTM legt in allen Disziplinen zu und überzeugt in puncto Technikkompetenz mehr und mehr.

Hohe Zuverlässigkeit

Rückrufwelle – Imagedelle.

Die Rückrufwelle gerät für BMW 2014 und 2015 zur Imagedelle: Der Schaden ist im Ergebnis 2016 etwas ausgebügelt, von alter Strahlkraft ist BMW aber weit entfernt. Gleichzeitig gewinnt KTM, doch die Pendel-Problematik trübt den aktuellen Wert.

Fortschrittliche Technik

Kurven-ABS sorgt für Aufschwung.

KTM bringt 2014 als erster Kurven-ABS und katapultiert sich in der technischen Kompetenzbewertung um 19 Prozentpunkte nochmals nach oben. Zuvor hatte die Adventure-Baureihe mit elektronischem Fahrwerk in dieser Disziplin gepunktet.

Gutes Aussehen

Beide punkten mit jeweils neuem Design.

Die BMW-Formensprache hat von 2012 an mit dem neuen Design-Chef Edgar Heinrich eine sinnlichere Note bekommen. Das KTM-Design von Gerald Kiska ist aggressiv, innovativ und immer polarisierend. Beides kommt gut an.

Indien: günstige Produktion, riesiger Markt

tvs
TVS ist drittgrößter Fahrzeughersteller Indiens und baut jetzt auch BMWs.

BMW und KTM bauen Bikes in Indien und wollen mithilfe der indischen Partner-Firmen ihre weltweiten Motorrad-Absätze deutlich steigern. Wer sind die indischen Partner und was produzieren sie?

Für KTM ist Bajaj mehr als nur ein Partner. Denn seit 2007 hat der Konzern seinen Anteil an KTM Schritt für Schritt von zunächst 14,5 auf heute knapp 48 Prozent erhöht. Anders formuliert: Fast die Hälfte von KTM gehört Bajaj. Das Konzern-Flaggschiff in Pune ist Bajaj Auto Ltd., weltweit viertgrößter Hersteller zwei- und dreirädriger Fahrzeuge mit einem Jahresabsatz von 3,2 Millionen Stück. Neben den bereits in Indien gebauten kleinen Dukes will KTM dort bald auch kleine Enduros fertigen sowie die auf den Dukes basierenden Husqvarna-Modelle Svartpilen und Vitpilen. BMWs Partner, die TVS Motor Company in Chenney, ist mit jährlich rund 2,5 Millionen produzierten Motorrädern Nummer drei auf dem indischen Markt. Der Serienstart der gemeinsam mit BMW geplanten Einzylinder-Bikes wird 2016 sein.

Das Husqvarna-Abenteuer

Des einen Freud, des anderen Leid? BMW war mit der ehemals schwedischen, später italienischen Marke auf der Nase gelandet. Und jetzt hat ausgerechnet KTM Großes damit vor. Zeigen die Österreicher den Bayern, wie’s geht?

Mal ist von 70 Millionen Euro die Rede, mal von 90 Millionen, gesicherte Erkenntnisse darüber, wie viel Geld BMW 2007 genau an MV Agusta-Eigner Claudio Castiglioni für Husqvarna bezahlt hat, gibt es nicht. In der Branche jedenfalls war der BMW-Husqvarna-Deal eine handfeste Überraschung. Die Frage stand im Raum: Was wollen die Münchner damit? Und es gab nie eine schlüssige Antwort darauf. Immerhin machte die unter BMW-Regie im norditalienischen Varese gebaute Nuda 900 Furore. Hatte ihr 105-PS-Motor doch enormen Unterhaltungswert. Nur Verkaufswert für BMW hatte die Nuda keinen. Und auch die Zusammenarbeit mit Italien hatte man sich in München wohl anders vorgestellt. 2013 zog BMW die Reißleine und beendete das Husqvarna-Abenteuer.

Husqvarna
Die Konzeptstudie Vitpilen („weißer Pfeil“) – KTM-Technik in neuem Husqvarna-Design.

Neuer Inhaber wurde – ausgerechnet – KTM. Auch diesmal vereinbarte man über den Kaufpreis Stillschweigen; allerdings sickerte später durch, dass BMW sogar noch drauflegte – die Rede ist von 25 Millionen an KTM-Chef Pierer –, um den ungeliebten Standort in Italien so schnell wie möglich loszuwerden. Pierer schloss das Werk in Varese umgehend und verblüffte im MOTORRAD-Interview mit der unverblümten Aussage: „Italien kann nicht konkurrenzfähig produzieren“ (Heft 22/2013). Stattdessen sollen die von KTM aufregend-provokant gestylten neuen Husqvarnas Svartpilen und Vitpilen bald in Indien gebaut werden.

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