Eine ausgiebige Wäsche weckt selbst die müdesten Geister. Bei älteren Motorrädern ist nach längerer Standzeit mitunter sogar das ein oder andere Gelenk etwas eingerostet – man sollte also nicht mit einem absolut fitten Untersatz rechnen, der sich von null auf gleich über jeden Sprint und jede Marathonetappe freut. Nein, es bedarf einer gezielten Vorbereitung. Lieber ganz in Ruhe zunächst den Staub entfernen und dabei mit Lupenblick die Maschine auf Mängel überprüfen.
Das ist seit gut zwei Jahrzehnten zum Glück eine sehr überschaubare Angelegenheit: Alu-und Kunststofftanks, Auspuffanlagen aus rostfreiem Edelstahl, Einspritzung und wartungsarme Batterien gehören mittlerweile zur Standardausstattung und erübrigen nach längerer Standzeit meistens eine umfangreiche Fahrzeugpflege. Dennoch ist es sinnvoll, die Technik auf optimalem Stand zu halten, um sich hohe Zuverlässigkeit und guten Werterhalt zu sichern. Die Zeitinvestition dafür: ein entspannter Vormittag. Der monetäre Aufwand: ebenfalls gering, denn Putzmittel, Öl und eventuell nötige Ersatzteile wie etwa neue Bremsbeläge kosten nicht die Welt.
Sprit aus der Schwimmerkammer ablassen
Also, los geht’s mit dem Check! Zuerst sollte der Blick auf die rechte Lenkerarmatur fallen, zum Killschalter. Sie wären nicht der Erste, der wie verrückt nach dem Fehler für das vermaledeite Startproblem gesucht hat und dabei mehrfach die Batterie aus- und wieder eingebaut hat. Obwohl nur der Schalter von „Off“- auf „Run“ hätte umgelegt werden müssen. Es ist aber allzu menschlich, dass man beim Rangieren in der Garage oder beim Anbau von Zubehör irgendwann in der Winterpause unbemerkt den Knopf gedrückt hat. Ähnlich schnell übersieht man eine defekte Hauptsicherung, die beim Herumfrickeln in der Hobbywerkstatt aus Unachtsamkeit (Stichwort „Masse“) zwar ihrer Schutzaufgabe nachkam, aber dies eben mit dem Leben bezahlte. Macht nichts, einfach wechseln, und dann sollte wieder Strom fließen.
Doch es lauern weitere Probleme. Der Anlasser orgelt, und dennoch will die Maschine nicht anspringen? Vermutlich gibt es Schwierigkeiten mit der Spritversorgung. Bei Motorrädern mit Vergasern wird vor längerer Standzeit nämlich gerne mal vergessen, den Sprit aus der Schwimmerkammer abzulassen. Der restliche Kraftstoff büßt beim langen Lagern in den Kammern einen Großteil seiner Zündfähigkeit ein und kann bei Aufspaltungsprozessen sogar die Vergaserdüsen verstopfen. Dann muss der Vergaser ausgebaut und komplett im Ultraschallbad gereinigt werden. Nervig. Bevor man nun aber gleich das Motorrad panisch zur nächsten Werkstatt karrt, Folgendes versuchen: Schwimmerkammer leeren (je nach Zugänglichkeit in wenigen Minuten möglich), Starthilfespray reinsprühen und erneut Motor anlassen. Oft geht’s dann doch.
Vor dem Start zwei- bis dreimal Gas geben
Zwar laufen spätestens seit der Umstellung auf die vergleichsweise strenge Abgasnorm Euro 3 im Jahr 2006 fast alle Maschinen jüngeren Baujahrs mit Einspritzung, aber bei älteren Schätzchen, die gerne auch als Zweitmotorrad zum Liebhaben hingestellt werden, ist das nach wie vor ein großes Thema. Bei den Einspritzern gehört das Schwimmerkammer-Gefummel zwar der Vergangenheit an, und der Motor springt auch nach längerer Standzeit an – aber keine Regel ohne Ausnahme. Sprit bleibt nicht ewig haltbar und kann bei monatelangen Standzeiten auch bei Einspritzmotoren für Startprobleme sorgen, etwa indem gelöste Benzinbestandteile die Einspritzventile verkleben. Oder der Sprit zieht Wasser an, das sich am Tankboden absetzt, dort, wo gezapft wird. Bei extrem unrundem Motorlauf muss mitunter der Tank geleert und frischer Sprit mit Kraftstoffsystemreiniger rein. Ist es ernster, stehen Ausbau und Reinigung des Systems auf dem Plan. Das ist eher ein Job für Profis als für Hobbyschrauber. Dieses Worst-Case-Szenario ist jedoch eher die Ausnahme, selbst halbjährige Pausen stecken Einspritzer üblicherweise gut weg.
Doch eine Besonderheit sollte man auch bei modernen Maschinen beachten: Wurde die Batterie abgeklemmt, sollte man bei eingeschalteter Zündung, aber noch vorm Betätigen des Starterknopfs zwei- bis dreimal Gas geben. Warum dies? Weil sich das Motorsteuergerät neu einjustieren muss und es durch die beschriebene Prozedur leichter Signale vom Drosselklappen-Potenziometer erfassen kann. Ganz normal ist übrigens, dass Einspritzmotoren nach Neustart ein paar Augenblicke benötigen, bis sie ihren Rhythmus gefunden haben. So, dem Start zur ersten Tour steht nun nichts mehr entgegen. Strom, Sprit, Luft und Licht sind in Ordnung, der Motor brabbelt zufrieden vor sich hin, und auch alle anderen Ausmott-Prüfpunkte wurden erledigt.
Fitness und Bekleidung
Doch zur perfekten Saisonvorbereitung gehört mehr als nur der Technik-Check. Man sollte sich selbstkritisch fragen: Bin ich genauso fit wie die Maschine? Ein paar Gymnastikübungen schaden keinem, und Joggen oder Radfahren erhöhen die Ausdauer und somit die fürs sichere Motorradfahren nötige lang anhaltende Konzentrationsfähigkeit. Radeln fördert zudem den Gleichgewichtssinn. Ein kurzer Bekleidungs-Check ist außerdem kein Fehler – wäre vielleicht mal ein neuer Helm fällig?
Und noch was: lieber die erste Tour nicht zu heftig auslegen und locker, aber konzentriert und vorsichtig einfahren. Achtung, die meisten Unfälle passieren nicht am ersten Saisonwochenende, sondern erst drei, vier Wochen später, wenn man sich fahrtechnisch wieder eingewöhnt hat! Trotz aller Frühlingsgefühle: Es im Überschwang zu übertreiben ist ebenso gefährlich wie nach langer Pause noch allzu verpennt aufs Motorrad zu steigen.