Motorrad-Unfallstudie und Motorrad-Crashtests
Ab 70 km/h hilft auch kein Airbag mehr

Wie die Überlebenschancen mit Schutzkleidung stehen, ob das Fahren in der Gruppe gefährlicher ist als alleine und welche Maßnahmen Unfallforscher vorschlagen, um die Sicherheit von Motorradfahrern zu erhöhen, lesen Sie hier.

Motorrad-Crashtest
Foto: GDV

Es ist nicht so, dass Motorradfahrer das nicht wüssten. Sie sprechen einfach nicht oft darüber, weil es keinen Spaß macht, sich mit dem Todesrisiko zu beschäftigen. Trotzdem ist es hin und wieder notwendig, sich mit dem Gefahrenpotenzial des Motorradfahrens auseinanderzusetzen. Denn auch wenn Fahrer in voller Montur, also umfänglicher Schutzkleidung, aufs Motorrad steigen, ist das Risiko getötet zu werden, „etwa 21 Mal höher als im Auto“, wie die aktuellsten Auswertungen der Unfallforschung des GDV (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.) ergaben. 2018 starben 629 Motorradfahrer bei Unfällen in Deutschland, 20.480 wurden schwer verletzt, 10.320 leicht verletzt.

Unsere Highlights

Keine Kleidung schützt vor dem Tod

„Keine praktikable Schutzkleidung ist in der Lage, bei einem Aufprall mit üblicher Landstraßengeschwindigkeit eine tödliche Verletzung zu verhindern“, sagt Unfallforscher Siegfried Brockmann, Leiter der UDV (Unfallforscher der Versicherer), der selbst Motorradfahrer ist und das Ergebnis der Studie als „eher enttäuschend“ für die Kradfahrer einstuft. Er untersuchte mit seinem Forschungsteam über 2.000 schwere Motorradunfälle.

Umfrage
Wie haltet ihr es mit der Schutzkleidung?
6623 Mal abgestimmt
Ich fahre immer mit voller Schutzkleidung - je nach Anlass (Reise oder Schönwetterausflug) in Textil- oder Lederkombi.
Ich sehe das nicht so streng, mir reicht bei gutem Wetter auch mal nur der Helm.
Alles außer kurzer Hose ist bei Tagestouren ok.
Ich fahre in Jeans - Motorradjeans, immerhin.
Für mich gehört zur vollen Schutzausrüstung auch eine Warnweste.

Auch Airbag ist nicht immer Lebensretter

Die Studie ergab auch, dass Schutzkleidung mit Protektoren bei einem Aufprall „auf ein Hindernis schon bei Geschwindigkeiten über 25 km/h lebensbedrohliche Verletzungen nicht mehr verhindern kann.“ Derzeit erhältliche Airbag-Jacken können den Schutz auf eine Aufprallgeschwindigkeiten von bis zu 50 km/h ausdehnen, für 70 km/h braucht es dann aber schon ein größeres Airbagvolumen. Hier fordern die Unfallforscher weitere Fortschritte in der Produktentwicklung.

Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation

Der Bekleidungs- und auch Motorradentwicklung sind in Sachen Sicherheit aber auch Grenzen gesetzt. Brockmann sieht hier in Sachen Verkehrssicherheit vor allem im Bereich der Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation großes Entwicklungspotential.

Kleidung schützt bei Unfall ohne Aufprall

Wenn es keine Kollision beziehungsweise keinen Aufprall gibt, sondern wir beispielsweise über den Asphalt schlittern, dann bewährt sich Schutzkleidung aber sehr wohl. Zum ungehinderten Schlittern fehlt es auf der Landstraße aber oft an Auslaufzonen. Bilder wie wir sie von der Rennstrecke kennen – bei hoher Geschwindigkeit absteigen, über das Kiesfeld schlittern, aufstehen und weiterfahren – begegnen uns im Motorradfahrer-Alltag auf der Landstraße selten.

Unfallkonstellationen bei Allein- und Gruppenfahrten

Bei Alleinfahrern ist die Kollision mit einem Auto oder Lkw häufiger als das bei Gruppenfahrten vorkommt. Hier sind eher die Kollisionen innerhalb der Gruppe das Risiko. „Mit einem Anteil von 15 Prozent an allen erfassten schweren Motorradunfällen“, stellen Gruppenfahrten allerdings „kein besonderes Sicherheitsrisiko“ dar, so ein Ergebnis der Unfallstudie.

Verpflichtende Sicherheitstrainings für Motorradfahrer

Es ist leider so, dass der Fortschritt in der Verkehrssicherheit Motorradfahrern im Falle eines Aufpralls nicht besonders weiterhilft. Deshalb liegt das größte Potential am Leben zu bleiben darin, eine Kollision zu verhindern – egal ob mit einem entgegenkommenden Motorradfahrer, einem Auto, Lkw oder Baum. Da hilft es natürlich, wenn Motorradfahrer fahrerisch auf einem hohen Niveau unterwegs und fit sind. Siegfried Brockmann, Leiter der UDV (Unfallforscher der Versicherer), fordert deshalb „verpflichtende Fahrsicherheitstrainings in regelmäßigen Abständen, die sowohl auf abgesperrtem Gelände, als auch im realen Straßenverkehr stattfinden müssen.“

Umfrage
Was haltet ihr von verpflichtenden Fahrtrainings für Motorradfahrer?
5322 Mal abgestimmt
Ist eine Überlegung wert.So ein Quatsch!

Fazit

Ja, Motorradfahren ist gefährlich, das ist nichts Neues. Und dass Spanien nun nach Frankreich eine Handschuhpflicht einführen möchte, tut ein paar Händen wahrscheinlich gut, die Lebensgefahr minimiert diese Vorschrift – genau wie die restliche Schutzaustrüstung – bei einem Aufprall eher weniger. Es gibt trotzdem noch genug Situation, in denen uns die Schutzklamotten helfen – man denke nur ans Rutschen auf Asphalt oder eine nackte Wade am Auspuffrohr. Die effektivsten Stellrädchen sind aber weiterhin die Verkehrsteilnehmer selbst und zukünftige Entwicklungen in Sachen Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation.

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023