In Zeitlupe betrachtet, ändern bei einer rasanten Kurvenfahrt mit dem Motorrad sämtliche Rahmenbauteile ihre Position. Oft nur um wenige Millimeter oder Winkelminuten passen sich Gabel, Lenksystem und Hinterradfederung der jeweiligen Schräglage oder Bodenwellen an. Werden diese kaum spürbaren Drehbewegungen durch schwergängige Lager behindert, kommt das gesamte System aus der Balance, das Motorrad wird instabil und federt Bodenwellen nicht mehr ab. Also müssen alle beweglichen Bauteile auch unter hoher Last feinfühlig und ohne Losbrechkraft ansprechen. Andererseits müssen die Lagerstellen absolut spielfrei den hohen Kräften gewachsen sein. Dieser Spagat gelingt am besten mit sogenannten Wälzlagern.
Dabei drehen sich zwischen den beiden Lagerschalen die Wälzkörper mit geringem Widerstand auch bei hohen Drücken und Kräften. Die gängigsten Formen beim Motorradrahmen: Nadel-, Kegelrollen- und Kugellager. Zwischen Gabeltauch- und Standrohr werden sogenannte Gleitlager mit teflonbeschichteten Oberflächen verbaut, die durch das Gabelöl eine permanente Schmierung erhalten. Auch wenn sich die Lagerqualität im Großserienbau deutlich verbessert hat, kann es bei längeren Laufzeiten zu erhöhtem Lagerspiel oder Defekten kommen, für die der Lager-Guru Emil Schwarz (www.emilschwarz.de) immer noch eine gute Adresse ist.
Lenkkopflager
Die im Rahmen eingepressten Lagerschalen gehören zu den am höchsten beanspruchten Bauteilen, da sich bei einer Vollbremsung die gesamte Fahrzeugmasse an dem langen Hebelarm aus Radhalbmesser und Gabelholmen abstützt. Gleichzeitig müssen diese Lager absolut leichtgängig auch kleinste Lenkbewegungen reibungsfrei zulassen. Lange Zeit galten Kegelrollenlager aufgrund ihrer hohen Traglast und damit langer Lebensdauer als Nonplusultra. Allerdings erfordern diese Lager einen absolut runden Lagersitz, was nicht immer gewährleistet war (Schweißverzug bei der Herstellung). Auch die Einstellung muss penibel vorgenommen werden. Einen Hauch zu straff eingestellt, steigt die Reibung deutlich an, das Motorrad kippelt und lenkt unpräzise.
Genau deshalb setzten sich immer mehr die leichtgängigen Schulterlager durch. Die nur punktuelle Auflagefläche der Kugeln reduziert die Reibung, zudem reagieren diese Lager weniger sensibel auf unrunde Lagersitze. Generell gilt bei der Einstellung des Lagerspiels, egal ob Kugel- oder Kegelrollenlager: so leichtgängig als möglich, nur so straff wie nötig. Zur genauen Einstellung müssen der Lenkungsdämpfer abgehängt und die Klemmschrauben der oberen Gabelbrücken gelöst werden. Dabei müssen Nutmuttern und Zentralmutter am Lenkrohr festgezogen sein, da diese Kraft das Lagerspiel massiv beeinflusst.
Lenkungsdämpfer
Diese hydraulische Absicherung gegen Lenkerschlagen ist meist in zwei Kugelgelenken aufgehängt. Diese werden wie das Lenkkopflager auch bei kleinsten Winkeländerungen bewegt. Deshalb müssen die Kugelköpfe absolut leichtgängig sein. Gelegentlich ein Tropfen Silikonöl kann nicht schaden und beugt Korrosion vor.
Der Dämpfer darf nicht verspannt montiert sein, da durch die dabei auftretenden Seitenkräfte die Reibung an der Kolbenstange erhöht wird. Die Dämpfkraft muss konstant sein und darf nicht durch Luftblasen im System unregelmäßig arbeiten. Zu dieser Prüfung den Dämpfer abbauen und mehrmals hin- und herbewegen. Generell gilt beim Lenkungsdämpfer: so wenig Dämpfkraft wie möglich und so viel wie nötig, um Kickback einzubremsen.
Gabelholme
Bei den Gleitlagern in der Gabel müssen die Hersteller einen guten Kompromiss aus Leichtgängigkeit und geringem Laufspiel austüfteln. Ein großzügiges Laufspiel verringert die Reibung, speziell den sogenannten Slipstick-Effekt (Losbrechkraft). Diese erhöhte Reibung ist eine Folge der Fertigungstoleranzen von Gabelbrücken, Tauchrohren und Achsbohrungen, die nur durch ein Laufspiel von rund 0,10 bis 0,15 Millimeter ausgeglichen werden kann. Eine Einstellmöglichkeit des Lagerspiels ist nicht vorgesehen, allerdings können spezialisierte Betriebe mit Übermaßlagern und Oberflächenbearbeitung Spiel und Reibung verringern.
Anzeichen für verschlissene Lager oder ausgelaufene Tauchrohre (nur bei konventionellen Gabeln) sind undichte Simmerringe, die bedingt durch das hohe Radialspiel das beim Einfedern unter Druck stehende Gabelöl nicht zurückhalten können. Zur Überprüfung erst das Motorrad vorn entlasten, dann müssen die Gabelholme in Längsrichtung kraftvoll vor und zurück bewegt werden. Bei spürbarem Spiel an der Achse gilt es die Gabel zu zerlegen und zu vermessen.
Radlager
Bis auf wenige Ausnahmen (Nadellager an einigen Yamaha R1-Modellen und Kegelrollenlager bei alten BMWs) drehen sich die Räder auf gedichteten Rillenkugellagern, die in die Lagersitze der Nabe eingeschrumpft sind. Dazwischen sitzt ein Distanzrohr, das sich an den beiden Lagerinnenringen abstützt und somit das Festziehen der Radachse erlaubt. Beim Aus- und Einbau der Lager muss die Nabe mit Heißluftföhn, Heizplatte oder Gasbrenner auf rund 80 Grad erhitzt werden. Werden die Lager kalt aus- und eingetrieben, kann der Sitz einen irreparablen Schaden nehmen.
Komplett entlastetet, wird das Rad horizontal und vertikal mit beiden Händen quer zur Fahrtrichtung verkantet. Übermäßiges Spiel oder Verschleiß gibt es bei modernen Motorrädern nur noch selten. Meist ist ein Korrosionsschaden durch Wasser, das beim Dampfstrahlen durch die Simmerringe eindringt, die Ursache für einen Defekt des Radlagers.
Federbeinaugen
Egal, ob zwei Federbeine oder ein Zentralfederbein mit oder ohne Umlenkung, bei allen Varianten müssen die Enden drehbar gelagert sein. Bei konventionellen Stereo-Federbeinen genügt ein elastisches Gummilager, um den sehr geringen Verdrehwinkel auszugleichen. Anders beim Monoshock, der erstens einer extrem hohen Last ausgesetzt ist und wo zudem der Verdrehwinkel je nach Umlenksystem sehr groß ausfällt. Hier arbeiten gedichtete Kugelgelenke oder Nadellager, die garantieren, dass die Kolbenstange von Seitenkräften verschont bleibt. Allerdings gelingt dies nur dann, wenn die Kugelgelenklager gut geschmiert sind und in alle Richtungen genügend Freigängigkeit aufweisen. Die Freigängigkeit der Kugelgelenke oder Nadellager lässt sich nur in ausgebautem Zustand prüfen, mögliches Spiel wird zusammen mit den Umlenkhebeln überprüft.
Schwingenlager
Mit wenigen Ausnahmen (Kardanschwingen) drehen sich die Hinterradschwingen in sogenannten Nadelhülsen. Diese haben im Gegensatz zu einem Nadellager einen relativ dünnen Außenring aus gehärtetem Stahlblech. Diese Nadelhülse wird in den Lagersitz eingepresst und erhält dabei ihr endgültiges Innenmaß. Bedingt durch Fertigungstoleranzen der Bohrung ergibt sich oftmals ein zu großes Lagerspiel, das durch speziell angefertigte Innenlager ausgeglichen werden kann.
Zu viel Lagerspiel kann auch durch die Erwärmung der Schwinge (Motorabwärme) und den durch die Wärmedehnung geweiteten Lagersitz entstehen. Seitliches Spiel an der Schwinge (Axialspiel) ist bis zu einem Wert von einem Millimeter hingegen völlig unbedenklich.
Umlenkhebel
Bedingt durch die große mechanische Übersetzung steigen auch die Kräfte an den Nadelhülsen der Umlenksysteme. Baut sich dort ein zu hohes radiales Spiel auf, kann sich dieses an der Hinterachse verdreifachen. Zur Überprüfung wird die entlastete Schwinge kräftig auf und abbewegt. Wo das Spiel genau auftritt, lässt sich über eine Sichtprobe durch eine zweite Person feststellen. Dieses Höhenspiel an der Hinterachse kann bei Supersportmotorrädern auch Chattering, also Vibrationen im Chassis, auslösen.